Die kurze Version: das ist die erste Scheibe von „Culture Beat“ von 1989. Jahrelang geisterte der Refrain in meinem Hinterkopf herum und letzten Sonntag fand ich sie dann in einer Kiste mit Sonderangeboten.
Die Sounds und Beats hat man -zigfach schon gehört, aber hier klingt es frisch, fast unschuldig in seiner Theatralik. Natürlich ist das alles ein wenig cheesy, aber auch großartig. Und nein, es ist nicht der Kinski, der hier so gurrt, sondern Jo van Nelson.
David Bowie ist nicht Lazarus. Er steht nicht wieder auf. Seine letzte Rolle war gelogen und trotzdem könnte sie nicht wahrer sein.
Mit verständnisvollem Argwohn nahm ich all die Bowie-Bekundungen heute den ganzen Tag wahr. Doch bei der Aussage, dass es Bowies Vermächtnis sei, nicht ihn, sondern sich selbst zu betrachten und zu sein, was man wolle, war ich doch verärgert. Diese Kernaussage ist so lapidar, wie festzustellen, dass die Sonne nicht untergeht, sondern die Erde sich nur dreht.
Es wurde heute immer wieder auf die Wirkung Bowies als Role-Model in der Musikgeschichte hingewiesen. Geschenkt. Ob Placebo, Gary Numan oder Jay Jay Johanson, es gibt doch ein eindringlicheres Beispiel für mich.
El Vez nennt sich der Mann, was ein schönes Wortspiel ist, welches auch Nichtmexikaner verstehen können. El Vez hat zwei Götter und der eine ist der King of Rock ’n‘ Roll, also Elvis. Presley. Und der andere Gott ist David Bowie. In den 90ern zappte ich in VH1s „High Five“ (oder? Keinen Bock zu recherieren), in dem er euphorisch ein altes Video der 70er mit David Bowie ankündigte: „Rebel Rebel“, was er als „Rrrrrebell, Rrrrrebell!“ aussrief.
Dieser kleine, mexikanische, schwule Mann lebt den Bowie-Auftrag. Er lebt die Figur, die er selbst erfand: eine Kreuzung aus Presley und Bowie. In „Rock’n’Roll Suicide / If I can Dream“ nutzt er Bowie als Rahmen, um dazwischen eher Elvis-esk seinen Traum zu besingen, in dem er seinen Bruder offen die Hand halten kann. Um zum Ende wieder in Bowies Song verfällt: „Gimme your Hands, ‚cause you’re wonderful!“.
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Dank Pfarrer Lars Schütt hatte ich die Gelegenheit, in der Weihnachtsnacht 3 Stunden in der nur mit Kerzen beleuchteten Christuskirche aufzulegen. Vielen Dank für die Gelegenheit und gerne wieder.
Milton Nascimento – Evocação das Montanhas (Poema sonoro)
XTC – The Somnambulist
Fleetwood Mac – Albatross
Vinicius de Moraes – Samba da Bencao
Bon Iver – Lump Sum
Goldfrapp – Clowns
Johann Sebastian Bach – Ich ruf zu Dir, Herr Jesu Christ
Brian Eno – Ambient 1/1
Jane – It’s a fine day
Björk – All is full of love
Matthew E White – One of these days
Jim O’Rourke – Eureka
Aram Khatchaturian – Gayne Ballet Suite
Angelo Badalamenti – Falling
Damon Albarn – Everyday Robots
Nightmares on Wax – Les Nuits
Alex Gopher – Quiet Storm
Seu Jorge and Almaz – Everybody loves the Sunshine
Erik Satie – Gymnopedies
Oskar Werner – Waldeinsamkeit
Shankar/Jaikishan – Bombay Talkie
Lambchop – Bugs
Brian Eno – By this River
Mel Torme – Harlem Nocturne
Garbage – Milk (Massive Attack Classic Mix)
Franz Schubert – Trio in E-Flat Major, Opus 100
Blumfeld – Tausend Tränen tief
Holger Czukay – Träum mal wieder
Jeff Buckley – Hallelujah
Japan – Sons of Pioneers
The Chills – Submarine Bells
Kraftwerk – Neonlicht
Air – All i need
Laurie Anderson – O Superman
Beirut – Venice
Björk – Pagan Poetry
Hildegard Knef – Ich liebe Euch (Koze RMX)
Nat King Cole – Nature Boy
International Pony – Gravity
2Raum Wohnung – Liebe
Seeed – Aufstehn!
Ich mied ihn so lange ich konnte. Weil ich den Übergrößen des Rocks misstraute oder vielleicht sogar ob ihres Status verachtete. Bob Dylan, Greatful Dead, Rolling Stones, Who, Doors, The Clash undundund Bruce Springsteen.
Es war Marco der Fuchs, der jung, klug und frech genug war und ein Loblied auf „The River“ sang und genug Vertrauen meinerseits besaß, dem Song eine Chance zu geben. Nicht, dass ich ihn gleich anhörte und lieb gewann. Das dauerte seine Zeit. Aber als ich ihn dann endlich anhörte, war ich doch beeindruckt von der einfachen Schönheit, der Aufrichtigkeit der Stimme und vom Text, soweit ich ihn oberflächlich mitbekam.
Immer wieder schlängelte ich dann um „The River“ herum. Einige Male wollte ich ihn zu verschiedenen Vinylpredigten nutzen, verwarf es aber jedes Mal. Doch vor einigen Tagen dann legte ich „The River“ auf einer privaten Party auf. Ich unterhielt mich gerade mit einem Altersgenossen nebenbei, als ich den Song begann. Sofort reagierte er, wie auch alle anderen Männer unseres Alters in Sichtweite. Wir lauschten alle gemeinsam, mancher blickte ins Leere und sang leise mit. Es war der schönste Moment des Abends.
Am Tag darauf hing ich schweren Gedanken nach. Solche, die zurückblicken, um dann noch schwerer zu werden. „The River“ schien mir meiner Stimmung gerecht zu sein, so dass ich ein Video davon suchte. Ich stieß auf folgendes auf Youtube:
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Ach herrje… Springsteen singt wie der allererste Mensch der Welt. So ernst und unschuldig und würdevoll, dass mein Herz sogleich noch schwerer, aber auch irgendwie erhaben wird. Zuerst spielt er ja nur Mundharmonika, das große Orchester des einsamen Mannes. Und er bläst dabei nicht nur die eingeatmete Luft wieder aus, sondern auch Sehnsucht. Es ist Melancholie, das nicht loslassen Können. Und dann richtet er sich auf, um in die Massen an Menschen zu schauen. Doch sein Blick scheint weiter zu gehen, wenn er davon singt, dass er aus dem Tal kommt. Dort bringen sie Dich zu tun, was schon Dein Vater gemacht hat. Zwei Sätze, und schon läuft ein Archetypus einer Geschichte vom übermächtigen Vater, dem man natürlich folgt in seinen Ansichten und Werten. Das ist so uramerikanisch großartig in seiner Schlichtheit und Effektivität. Es geht weiter mit der 17-jährigen Mary und ihm auf der Highschool, die gemeinsam runter zum Fluss fahren, um in ihn einzutauchen. Er schwängert sie. Er ist 19 und hat nur einen Gewerkschaftsausweis und einen Hochzeitsanzug. Eine freudlose Hochzeit, doch sie lässt sich nichts anmerken. Er arbeitet auf dem Bau, doch die Firma geht es schlecht und er fliegt raus und Mary lässt sich nichts anmerken, dass es ihr Sorgen macht. Es ist eine ganz normale Lebensgeschichte des Scheiterns, bei der gefragt wird, ob ein Traum, der nicht wahr wird, eine Lüge sei. Oder noch schlimmer. Und wie er zum Fluss runter fährt, obwohl er weiss, dass er trocken ist.
Und dann der Schwenk über das Publikum. Einfache Menschen der 80er. Schnauzer und Vokuhila, Miniplis und Jeansjacken. Und sie sind tief im Song mit dabei. Alles wirkt andächtig, fast erhaben. Ich hörte und sah es wieder und immer wieder, bis mir die Augen überschwemmten. Und dann noch ein paar Mal. Ich war von der Erhabenheit Springsteens beeindruckt und von der Schönheit dieses „White Trash“ des Publikums. Sofort verstand ich „Sons of Anarchy“ oder den Armbrusttypen von „Walking Dead“ besser und tiefer.
Am Tag darauf überredete ich Kollegen dazu, den Song bei der Arbeit zu spielen. Er lief rund ein Dutzend Mal und alle waren begeistert, obwohl sie ihn zuvor nicht gehört hatten.
Nach der Arbeit rief ich nochmals das Video auf, welches mich zum Weinen brachte. Und jetzt erst las ich den kompletten Text zum Video durch: „1988-07-19 RADRENNBAHN WEISSENSEE, BERLIN, EAST GERMANY“. Was ich als „die Schönheit des White Trashs“ wahrnahm, waren tatsächlich Ostberliner. Viele Bands wie Pink Floyd, U2 oder auch David Hasselhoff kamen nach Berlin damals. Aber egal. Irgendwie hat dieser Ort und die Umstände Bruce Springsteen zu einer Höchstleistung verholfen. Da stehen Abertausende von Menschen vor ihm, die ihre eigentliche „Freiheit“ noch gar nicht erahnten. Und was ich zuerst als „White Trash“ wahrnahm, waren „Brüder und Schwestern“ aus dem damaligen Osten. Ich bin Teil, also selbst dieser weiße Abfall.
Dieser Song ist so unfassbar tief und schlägt einen Bogen über Gesellschaftskritik, Arbeiterkampf, Liebeslied, Bedauern, Poetik und Schönheit und wohl noch einiges mehr. Das ist Kunst. Es handelt vom Wahren, Guten und Schönen. Ich fürchte, es hat auch noch in 50 Jahren Relevanz.
Das Foto wirkt, als wäre es 300 Jahre alt. Wie auch der Mann selbst. Gab es je eine Zeit ohne Howe Gelb?
Er macht auf mich einen Eindruck wie Willie Nelson oder Bob Dylan. Alte Männer, die nicht mehr so richtig wissen, wo ihr Platz ist. Und denen es egal ist. Sollen die jungen Leute sich um aktuelle Dinge kümmern, sie kümmern sich um die wichtigen. Und so bastelt sich Gelb einen Song mit seiner krummen Stimme, verpatzt irgendwie die Einsätze, macht sogar „Baba, baba bababa“, um dann „All together now“ zu hauchen, was aber nur mehr Instrumente einlädt. Da singt niemand mit, wenn es um „The Coincidentalist“ geht. Es ist ein einsamer Job, aber irgend jemand muss ihn tun.
Lieber Thorsten,
vor einiger Zeit erzählte ich Dir von Les Paul und Mary Ford, die mit „How high is the Moon?“ und „Mister Sandman“ gleich mindestens zwei Klassiker hinlegten. Auch wenn ich Dir davon erzählte, hier nochmals die heißen Facts:
Les Paul ließ sich nicht nur eine E-Gitarre nach eigenen Vorstellungen zusammen schrauben, was ja heutzutage nichts außergewöhnliches mehr ist, er erfand auch noch das Multitrack-Verfahren. Aber was viel wichtiger ist: Les Paul spielte im Anzug eine Höllengitarre. Das finde ich anrührend. Ach, da gibt es ja noch einen weiteren Zampano im Anzug, der mit Multitracks arbeitet und gerne im Anzug steht. Robert Fripp ist sein Name. Schöne Verbindung über Jahrzehnte…
https://youtu.be/VCEmAgak9V8
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I was faced with a choice at a difficult age
Would I write a book? Or should I take to the stage?
But in the back of my head I heard distant feet
Che Guevara and Debussy to a disco beat
Ihr erstes Album lautet „Thunder, Lightning, Strike“ und ich habe sowas von kaum Ahnung von ihnen. Ich glaube, sie haben zwei Schlagzeuger, was von Grund weg cool ist (!!! haben zwei Schlagzeuger, James Brown hatte auch zwei und irgend eine andere coole Band, die mir jetzt nicht einfällt, auch) und sie kommen aus GB. Glaube ich. Und der Produzent produzierte die „Pipettes“. Glaube ich. Wenn ich ansonsten gerne nach Hintergründen der Musik fahnde: hier ist es mir herzlich egal. Warum eigentlich? Weil ich sie so unglaublich finde? Sie klingen wie eine sehr kranke Idee, die funktioniert: „Vermische mal 60’s Beat mit HipHop“. „Das ist doch so doof wie Metal mit Streichern, Mann!“
Es ist das Erstaunen des Hörers, der sich abgeklärt und weltgewandt vorkommt. Wie sollen die britische Steifheit und die lässige Coolness der Bronx denn bitte zusammenpassen? Wie kriegt man Melone (die Kopfbedeckung) und Doubledutch (das Seilhüpfen schwarzer Mädchen mit Abzählreimen) vereint? Es klappt wie in einem verrückten Traum, in dem Piraten mit Huckepackraketen in der Karibik ein französisches Schiff entern. Oder mutierte Schildkröten Ninjas werden.
Der Produzent soll viel Zeit auf den krachigen, analog-wirkenden Sound verbracht haben. Was vielleicht der Preis für so ein komisches Unternehmen ist. Glaube ich. Ach, Glauben ist auch was einfach Schönes.
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Jazz, Afro, Funk, Punk, Klassik… grenzenlos und frei wie kaum eine andere Band davor und danach. Drei Scheiben lang währte das Glück („God“, „Attitude“, „I am cold“), dann war Schluss. Alle Jahre wieder ziehe ich sie raus, um wie bei einem alten Wein die Qualität immer wieder aufs Neue zu prüfen. Oh ja, Rip, Rig and Panic altert verdammt gut und scheint immer wichtiger in seiner Ungestümtheit und Schönheit zu werden. Dann freue ich mich über das Gehörte und bin ein wenig traurig, das niemand mehr den Faden aufnimmt, um ihn weiter zu spinnen.
Doch zum Glück gab es John Peel, der Rip, Rig and Panic spielen ließ. Und nun ist es bei Youtube zu hören. Frische Inspiration!
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