Nerdwarnung
Höchste Zeit, Basement Jaxx LP Remedy gehörig abzufeiern. Meine erste (akustische) Begegnung mit ihnen machte *Bing* in meinem Kopf und wiederholte sich so einige Male. Es begann mit Red Alert. Komische Chöre, eine zweigeteilte Bassline mit Dieselantrieb, dieser komische Two-Step-Beat, alles lupenrein produziert. Ich war verzaubert.
Ich besorgte mir die CD (ja, damals wusste ich es nicht besser, aber schon bald kaufte ich alles Vinyl von ihnen, was ich erwischen konnte) und stieß auf ein Füllhorn kosmischer, durchgeknallter, meist gutgelaunter Musik. Für mich ist das Album ein Gral des Dancefloors. Einen guten Track rauszuschießen ist zwar nicht einfach, aber keine Seltenheit. Ein ganzes Album hinzukriegen ist da schwerer. Ein großartiges Album mit Tanzmusik zu schaffen ist so selten, wie eine Schneeflocke in der Hölle.
Ich suchte bewusst die Stücke extra ohne die offiziellen Videos raus, um nicht von der Musik abzulenken. Die Bilder sind witzig, sicher, aber die Tracks verkommen dabei oftmals zur Untermalung und verlieren die Aufmerksamkeit, die man ihnen zukommen lassen kann. Sie halten es aus.
Rendez-Vu hat eine Flamengo-Gitarre im Anschlag. Darauf singt ein Vocoder. Das ist schon eine verwegene Kreuzung und die Nummer hat auch einen Spaghetti-Western-Break. Wie kommt man auf so etwas?
Mit Jump ’n‘ Shout hauen sie dann richtig auf die Kacke. Hitzig, wirklich treibend mit so großartigen Vocals von Slarta John. Wie eine Warnsirene schraubt sich seine Stimme immer höher, von weiteren Shouts angetrieben, um dann zu eskalieren. Das ist dreckig und schön und wild.
Yo-Yo hat einen wunderbar eiernden Beat und zeigt in seiner Stimmung in Richtung des zukünftigen Get Me Off. Es ist sexy und nasty, vielleicht filthy, aber auf alle Fälle witzig, interessant und irgendwie geheimnissvoll. Das sollte ich mal dringend auflegen.
Das ist schön, die Platte abzuarbeiten. Ich hörte sie einige Zeit nicht mehr und jeder Track schenkt mir bei den ersten Tönen ein Grinsen. Wie auch U can’t stop me. Das Intro ist Motown, um dann wieder dieses typische Eiern aufzuweisen. Die Schichten sind witzig. An jeder wurde geschliffen und poliert, das ist schon sehr fein gemixt.
https://youtu.be/HTHsJsvKVxM
Mit Always be there wagen sie sich in Richtung Trip Hop in Two Step. Ich kriege kein Ende hin. Feier ich jetzt wirklich jede Nummer ab? Diese ist es auf alle Fälle wert. Welch ein Intro, um dann mit so einer jazzy Gesangsnummer abgeholt zu werden. Die Beats stolpern hastig vor sich her und die Flächen schieben das ganze gleichmäßig vor sich her. Meines Erachtens meisterhaft umgesetzt.
Kennst Du White Noise, diese LSD-Verrückten Briten Ende der 60er mit ihren Album An Electric Storm? Same old Show ist eine Wiedergeburt davon. So weit liest hoffentlich kein Kind mit, insofern kann ich schreiben, dass dieser Track wie Sex auf psychedelischen Drogen in der Tradition von White Noise vertont ist.
Ich darf mal drauflos deuteln, dass die 3 Stimmebenen das Es, das Ich und das Überich repräsentieren: Die Frauenstimme in ihrer Lust ist das Unbewusste, das Triebgesteuerte (es dürfte von mir aus auch gerne eine Männerstimme sein. Hier ist der Track tatsächlich sexistisch). Da ist dann der Chor in der Mitte, der drauflosmarschiert. Das Ich, klarer Fall. Das Ich versucht halt drauflos zu handeln. Der Zombie der 3 Ebenen. Und diese herrschende Stimme, die da drauflos shoutet ist das Überich, schön Befehle schreiend. Seine Angestrengtheit ist Zeugnis seiner eigentlichen Impotenz. Kann das Überich tatkräftig sein? Also aktiv? Ich kenne mich damit zu wenig aus.
Bingo Bango ist Programm. Auf diesem Album wirkt sie wie eine leicht doofe Ibiza-Nummer. Aber egal, ich mag ja auch Just 1 Kiss.
Stop 4 Love haut mich gerade um. Diese Nummer habe ich total verdrängt. Das ist ja Ohrenschokolade mit Nougat und Krokantsplittern. Was für ein fremdartiges Bild hier gezeichnet wird. Es hat eine ähnliche Wirkung wie Lucy in the Sky with Diamonds von den Beatles. Das ist meines Erachtens Kunst auf hohem Niveau. Würd ich glatt mit FKA Twigs mischen. Und davor Japans Sons of Pioneers. Mysteriös, exotisch, perlend. Funktioniert sicher unter Fritz Langs Indienfilme.
Don’t give up ist eine Bremse zu Beginn und wird mitunter nervig, auf eine nicht so angenehme Art und Weise. Es ist eine schwere, walzende Nummer. Ich kann mich damit gerade nicht anfreunden. Deshalb poste ich sie nicht.
Die Schlussnummer Being with you ist jetzt auch nicht der Überhammer, aber immerhin ein launisches Ende, die gerne uplifting wäre. Nicht schlecht, solides Handwerk.
Übersprungen wurden die ganzen netten Interludes und Jazzaludes und was weiß ich noch alles. Hier eines mit Winke-Winke meinerseits, solltest Du bis hierhin dich durchgearbeitet haben. Als Album auf alle Fälle ein Burner. Kann man gut im Auto hören, wenn man eines hat. Oder bei der Arbeit am Computer. Der Spannungsbogen beginnt gutgelaunt, nimmt Fahrt auf, gibt im dritten Viertel großartiges Kopfkino, um bei den letzten beiden Nummern einem auf den Boden der Tatsachen zurückholt.