Ruhe tut gut
Ich bin gerade mit dem Fahrrad unterwegs und besuchte einige Leute, die an ihre Geschäfte gefesselt sind. Retaurants und Cafés und überall lief Musik. Astrud Gilberto in dem einen Laden, Bobby Womack im anderen, jetzt am Rhein läuft ganz prima Jazz mit Scat-Anteilen.
Zwischendurch machte ich einen Abstecher zu Memos „Mod Lord“. Wir standen vor seinem Geschäft und plauderten über Peter Frampton, Pat Metheny und Konsorten. Da fuhr ein dicker Herr in seinem offenen Mercedes SL hinter einem Polo, der dem dicken Herren scheinbar zu lahm war. Fluchend und laut hupend versuchte dieser also, den kleinen Polo mittels Schalldruck zu beschleunigen.
2 Minuten später kam ein Notarzt mit eingeschalteter Sirene vorbeigeschrien. Wir hielten uns tatsächlich die Ohren zu, so schneidend laut war der Lebensretter. Mir fiel ein Artikel zur Kulturgeschichte des Lärms ein, der unter anderem aufzeichnete, dass die Sirenen die letzten Jahrzehnte ständig lauter gestellt wurden, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Ich denke, das liegt weniger an den gut verkapselten Fahrzeugen, die kaum noch Außengeräusche einlassen, sondern vielmehr an den Musikanlagen, die im Betrieb sind.
Noch derber: Fahrradfahrer mit Kopfhörern. Am Besten noch auf dem Gehsteig fahrend. Hey, lese ich mich alt, aber das geht doch nicht. Die Umgebung akkustisch nicht mehr wahrzunehmen ist dabei nur ein Aspekt, den ich diskussionswürdig finde. Der andere Aspekt ist diese ständige Bedudelung, dieses unvermeintliche Grundrauschen an Musik im Hintergrund.
Darüber sprachen Memo und ich also. Wir lieben beide Musik, kamen aber zum Punkt, dass der Genuss von Stille (bzw. Ruhe, jaja) das Hören von Musik doch erst richtig wertvoll macht.
Mir fiel ein Interview mit Kraftwerk zur Veröffentlichung von „Computerwelt“ ein. Der Sounds-Schreiber fragte, was die Herren Kraftwerk denn privat an Musik verköstigen würden. Ihre Antwort: „Wir hören privat keine Musik. Das ist wie Schokolade. Wenn man diese jeden Tag isst, kann man sie nicht mehr genießen.“ Damals hielt ich dieses Statement für borniert. Zwischenzeitlich gebe ich ihnen Recht. Immerzu Musik macht stumpf.
Brotjobs und Kunst
Ich erhielt eine Anfrage zum Auflegen für einen 40. Geburtstag. Das vorbereitende Gespräch machte mich schon ein wenig stutzig: es sollen möglichst viele Top-Ten-Hits der letzten Jahre dabei sein. Ich erklärte, dass ich nur Vinyl auflege und nur ganz, ganz, ganz wenig Hits der letzen Jahre liefern könne, dies aber eigentlich auch nie ein Problem war.
Die ersten Monate des Jahres waren nicht besonders gut, so dass ich den Job nicht ausschlug. Um den Kunden zu beruhigen, schlug ich vor, ausnahmsweise ein paar Sachen von CD zuzuspielen, wenn nötig. So besorgte ich mir Bravo-Hits-Scheiben und hörte mich die letzten Jahre durch. Nur so viel: es gibt eine akustische Hölle. Ich habe sie gehört.
Aus fast 800 Songs siebte ich rund 45 Stücke, die ich entweder brauchbar oder notwendig hielt. Die brannte ich auf 3 CDs. Ab 19:30 legte ich zum Essen und zu den Cocktails Musik auf, die ich für mondäne Hintergrundmusik halte: Bossa, leichten Jazz, Soulballaden. Auf ein Zeichen hin schwenkte ich dann gegen 22:30 auf Tanzmusik um. Die ersten 30 Minuten verschoss ich mehr Hits, als ich an einen kompletten Abend spiele. Zuerst gezielt aktuelle Hits, um… Vertrauen zu gewinnen. Dann versuchte ich es mit Stevie Wonder, Michael Jackson, die Klassiker halt. Es kam gut an, doch am besten kam das Zeugs an, was von CD lief.
Ich will es nicht verkomplizieren, aber auch nicht schönreden: ich verbog mich auf das hässlichste. Der größte Wunsch des Kundens, was unbedingt sein musste, war „Tage wie diese“ von den Roten Rosen. Ich schämte mich, es waren wirklich körperliche Qualen. Mein Nervenkostüm war dann so dünn, dass ich die Fragen, ob Wünsche okay seien mit barschen Antworten wie „Nein, die nerven nur“ erwiderte.
Fazit: ein zufriedener Kunde, ich total erschöpft und einige zu recht beleidigte Gäste. Nein, sowas darf mir nicht mehr passieren.
Nachwort: es gibt so viele Gründe für Musik. Für mich bedeutet Musik ein Kosmos an Klängen, Texten, Menschen und ihre Geschichten. Musik reflektiert und kommentiert Zeiten und Gesellschaften und berichtet mir Zusammenhänge. Ich höre mir Elis Regina und Tom Jobim an, wie sie Aguas de Marco singen und erfreue mich an diesen obskuren, aber unendlich schönen Lied und deren Interpretation, um mir dann die Version von David Byrne und Marisa Monte reinzuziehen. Dann denke ich über das Verhältnis von Männern und Frauen nach und wie Musik Alternativen anbietet, die über die gesellschaftliche Realität hinaus weist.
Aber für die meisten Menschen ist Musik ein Vehikel für Sentimentalität. Auch dies ist eine Realität, die ich zu akzeptieren habe.
In Love with Alexandre Desplat
Desplat hat mindestens die beiden letzten Wes Anderson-Filme „Moonrise Kingdom“ und „Grand Budapest Hotel“ mit seiner Musik bestückt. Ich bin verliebt in seine Orchesterdingers und warte ungeduldig auf die Vinyl-Veröffentlichung seiner letzten Arbeit.
Soundsystem Baudelaire
Durch Zufall wurde ich an ein ruhendes Projekt erinnert, welches ich mit Don Trosi 2006 für einige Abende im Salon des Amateur betrieb: es nannte sich „Soundsystem Baudelaire“ und hatte den Auftrag, depressive Musik zum stilvollen Betrinken zu liefern. Der Untertitel war „Turbo Trübsal und Schwermut Deluxe“ und galt als Reaktion auf all diese Happy-go-Lucky-Auflegerei. Würde ich ja gerne mal wieder aufwärmen, denn Schwermut geht doch immer.
Von der Aktion gibt es noch die Homepage mit liebevollen Bildern von Trosi, der ja manchem als Bilderlieferant des Block 42 bekannt ist. Wer also mal einen tieftraurigen Abend gestalten will, sollte uns einfach im Doppelpack buchen.
Between the lines – Vernissage
Mein dienstältester Freund Martin E Raabenstein ist – wie ich schon einige Male bemerkte – ein großartiger und breit aufgestellter Künstler, wobei seine Tuschebilder meines Erachtens schlichtwegs atemraubend toll sind. Am 4. April hatte er mit 2 weiteren Künstlern eine Vernissage in Berlin und ich drängte mich ein wenig auf, auf dieser aufzulegen. Es brauchte einfach mal wieder einen Anlaß, sich nach Jahren wieder mal in die Arme zu fallen.
Der Ort selbst war – wie der Name der Galerie schon andeutet – ein langgezogener Raum mit links einem Schaufenster und rechts einer langen Wand. Kafu, mir bisher als Coffy Garner durch Facebook bekannt, war mit einer schönen Sammlung klassischer Soul- und Funksingles anwesend und wir machten aus, uns alle 30 Minuten abzuwechseln. In einen ähnlichen Rhythmus wechselte sich auch das Publikum ab: Partypeople, Artpeople, beautiful people, ordinary people, all kinda people.
Die mir bis dahin unbekannte Marina Wilde von LastnightinBerlin drehte ein kleines Videochen zudem. So, mein Bauch ist nun dokumentiert und aktenkundig.
Plötzlich war Aufbruch in ein Lokal zum nachmitternächtlichen Schmaus und Biertrunk, dann war da ein Taxi und eigenartige Cocktails mit Chilly bei Martin. Das letzte, was ich mich erinnere, war, dass ich mich im Pyjama brav verabschiedete…
Sammlerporno
Jetzt ist es wieder passiert: in Vorbereitung für ein Set gehe ich meine Scheiben durch und schaue immer wieder bei Discogs nach, was sie wert sind. Ach, da sind Singles dabei, die für mindestens 40 € über den Tisch gingen. Aber auch Alben für 80 €. Dabei überkommt mich ein merkwürdig-doofes Gefühl: als ob ich auch nur eine Platte verhökern würde. Das macht man doch nicht. Also zumindest ich nicht.
April und so
Wieviele Höhlen hat so ein Schädel? Nasennebenhöhlen, Stirnhöhle, die Ohren haben sicher auch noch irgendwelche Höhlen und der Mund erst. Ich bin momentan Höhlenforscher und erfreue mich an der menschlichen Anatomie. Alles schön zu, ist aber schlecht für die Akustik.im Kopf. Aber da ist Rettung nahe. Die Kavalerie ist angekündigt, die Wagenburg steht wie eine Eins.
Der März ist fast um. Die bisher 3 Termine im Henkelmann waren klasse und ich sehe der nächsten Predigt „Stille + Ruhe“ mit freudvoller Gelassenheit entgegen. Das ist eine schöne Predigt. Wenn Du etwas chillen willst, ist dieser Abend genau richtig (28.3. ab 19 Uhr). Aber der Reihe nach.
Am 28.3. also Vinylpredigt im Henkelmann. Dann am 29.3. zum ersten Mal in der Solobar. Oh, oh, da freue ich mich darauf. Wie auch zum 30.3. im Broderhähz zum Jazzfrühstück ab 12 Uhr.
Das Wochenende ist also gestopft und gerettet. Am 2.4. (Termin geändert!) lege ich bei Margret im Yavana auf. Am 4.4. zur Vernissage eines Freundes in Berlin. Und am 5.4. werde ich – TATAA!! – die erste Predigt außerhalb Düsseldorfs halten. Es wird „Leiden ist Scheiße“, im „Pop“ passieren. Mehr Infos werden folgen.
17.4. (Donnerstag Termin geändert!) ist dann eine Premiere im Henkelmann. Kann gut sein, dass es das Thema „Drogen wird“. Am 19.4. legen wir dann als Gentlemen Selector im KIT auf. Und am 25.4. bin ich für einen Geburtstag gebucht.
Aber da ist noch Luft dazwischen. Melde Dich also, wenn ich irgendwie was mit oder ohne Platten für Dich tun kann.
Bis dann!
It’s spring again
Geile Sache mit dem Frühling. Kaum hopelt die goldene Kartoffel merklich am Firnament umher, steigt die Laune wie der Spargel halt so sprießt. Mir fallen herzbrecherische Liebeslieder und funky Tanzdingers ein und hole des Abends die Kamera raus, um meinen Fußboden mittels Stativ zu fotografieren. Irgendwie fühle ich mich wie in einem gutgelaunten Jacques-Palminger-Lied. Was will man mehr?
Man will ja immer mehr. Gelegenheiten zum Auflegen, Örtlichkeiten zum Predigen. Und so radel ich mit den Plakaten durch die Gegend und biete sie sauerbierisch den üblichen Hotspots an. Geklappt hat es bei BiBaBuZe, im Enuma vom Mario, Heiko Beck-Kos Galerie, Orannas Liebig Apotheke auf der Aachener Straße, dem tollen Slowboy-Plattenladen und natürlich im Henkelmann. Alice war auch fleißig und verteilte bei Jimmi & Jo, Buchhandlung König und dem Salon des Amateurs. Habe ich eine Location vergessen, dann bitte ich um Entschuldigung. War keine Absicht. An alle aber ein dicker Shout: DANKE!
Zum Slowboy: mein Lieblingsplattenladen in der Zwischenzeit. Ich erzähle ja gerne von missgelaunten und stoffeligen Plattenhändlern, doch Andreas vom Slowboy gehört ganz bestimmt nicht zu dieser Kategorie. Ein geduldsamer Zuhörer und vielwissender Erzähler ist er. Und sein Laden ist gestopft mit schönsten Schallplatten. Ich habe große Schwierigkeiten, mich nicht komplett zwischen Jazzplatten und deutschen New Wave-Scheiben der 80er zu verlieren. Da fand ich glatt eine Single-Compilation von Palais Schaumburg, die ich noch nie sah. Herrje, ICH kannte die nicht. Wahnsinn!
Und so verbrachte ich 2 Stunden im Slowboy. Meine Empfehlung: ein höchstangenehmer Checkerladen mit massig 2nd Hand-Scheiben.
So, kleines Lesetierchen: Dir wünsche ich noch angenehme Stunden und vielleicht trifft man sich auf einer Vinylpredigt? Wäre 1a prima.
Frieden!
Damit das mal klar ist: ich bin voll für Frieden!