Prefab Sprout – America

Paddy McAloon ca. 1986

Seit Jahrzehnten spreche ich von Prefab Sprout als beste Band der Welt und aller Zeiten. Das ist nicht sonderlich originell, einige meiner Generation sehen das ähnlich. Man spricht dann vom großartigen Songwriting, den zauberhaften Melodien, dem Blue-Eyed-Soul, vom Willen zur Schönheit, den großartigen Texten und der Band als Familienersatz. Doch  wenn ich ganz aufrichtig bin, berührt mich Prefab Sprout seit The Gunman and other Stories nicht mehr wirklich in der Tiefe. Die nachträglich veröffentlichten Werke wie „Crimson Red“ haben meinen Respekt, aber die Produktionen strahlen nicht mehr, sondern wirken eher dahingerotzt und etwas lieblos.

Paddy McAloon ca 2016

Mag man dies Paddy McAloon vorwerfen? Ich wage es nicht. Es ist sein Genie und sein Werk und seine Band. Er hat genug großartige Songs und Platten veröffentlicht, um mich den Rest meines Lebens zufrieden zu stellen. Zudem ist er mir irgendwie fremd geworden. Aus dem jungen, hübschen Kerl wurde in einen kurzen Augenblick ein scheinbar uralter Mann mit schlohweißen Haaren und langen Bart, Sonnenbrille und einem Gehstock. Mir sind die Hintergründe zwar bekannt, trotzdem will es mir nicht in den Kopf. Es ergibt keinen Sinn.

Wie sang er in Prisoner of the Past? „I’m a ghost to you now“. Ich schloss meinen Frieden und auch ab mit Paddy McAloon. Mag er weiter in Archiven wühlen und Demos veröffentlichen, es stört mich nicht weiter. Seine Zeit ist vorbei und meine vielleicht ja auch. Machen wir uns nichts vor.

Vorgestern dann wieder ein Foto  von ihm in meiner Timeline. Ich hörte kurz in den Song America und dachte „Nett, er lebt noch“. Letzte Nacht sendete mir meine Freundin den Song nochmals. „Okay“ dachte ich, „hör dir das mal richtig an“. Und plötzlich war es wieder da. Diese Relevanz, diese unsagbare Gravität seiner Leichtigkeit. Da sitzt er mit seiner Gitarre und lässt Harmonien perlen, die mich schwindlig machen und singt dabei mit einen gealterten Falsett und voller Zärtlichkeit von America, das die Flüchtlinge aufnehmen soll, da America diese Flüchtlinge braucht. BAMM! machte das bei mir. Gänsehaut und – ja, wirklich – Tränen. Welche Leidenschaft, was für ein Können. Er ist ein Meister, ein König, er ist Zeus mit seinem langen Bart, auch wenn sein Gesang Orpheus gleicht. Er macht mit einer improvisierten Aufnahme alles, wirklich alles vergessen. McAloon greift sich ein beschissen schwieriges Thema und bricht es auf eine ganz einfache und leichte – aber dabei keineswegs dumme – Art und Weise auf eine allgemeinverständliche Botschaft runter. Nimm die Waisen auf, die die Kriege ausspuckten, die du angezettelt hast, America.

Bitte hau eine neue Scheibe raus, Paddy Joe.

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