Kirk Brandon war ein Role-Model für mich. Er war so blond und jung und verletzlich und dabei kräftig das Maul mit diesen großen, weißen Zähnen aufreissend. Seine Musik hat Hysterie, den Pathos, diese große Geste, die ich immer noch liebe, auch wenn die Form der Musik so tot wie Elvis Presley ist.
Trotzdem meine ich Parallelen zur Gegenwart zu erkennen. Als der Song veröffentlicht wurde, schoß ein Wahnsinniger auf den wahnsinnigen Ronald Reagan, in Großbritannien schickte die eiserne Lady Margaret Thatcher ihre Kriegsflotte Richtung Falklandinseln, um einige Pinguine gegen böse Argentinier zu verteidigen und in der BRD stellte Helmut Schmidt die Vertrauensfrage, um ausgerechnet Helmut Kohl dann Platz machen zu müssen. In der Sowjetunion starb Breschnew und keiner wußte, wie es weiter geht. Nicole gewann immerhin den Grand Prix Eurovision (so nannte man den European Song Contest mal) mit – Tataa! – „Ein bischen Frieden“. Die Deutsch-Amerikanische Freundschaft versuchte erst gar nicht, den dialektischen Fehler zu erklären, sondern konterte mit „Ein bischen Krieg“ und der Rest lachte über „Ein bischen schwanger“. Dabei kam es uns damals gar nicht so zynisch vor, wie ich es heute darstelle.
Und wir so heute? Ich muss jetzt nicht von Trump über Brexit bis AfD den Irrsinn der Gegenwart aufzählen, um das Drama unserer heutigen Welt heraufzubeschwören. Es ist wie 1982, nur gefühlt schlimmer. Selbst die Atomkriegsangst ist zurück. Neben ganz modernen (bzw uralten) Ängsten wie Überfremdung, sozialer Verarmung trotz -zig Kommunikationskanälen und die Angst, dass ein kulturfremder Roboter vielleicht mal meinen Job ausüben könnte. Seit 1972 wissen wir vom Club of Rome, dass wir Mutter Natur aber so richtig schaden und das Klima zwischenzeitlich auch nicht mehr so will, wie wir es gerne haben.
Ja natürlich, die Hoffnung auf Änderung und Besserung wird nicht aufgegeben. Der Mensch ist eigentlich zu interessant, um am Ende des 3. Aktes nicht doch ein Happy End verdient zu haben. Wie auch der Rest des Universums einschließlich Schredderkücken und Weihnachtstannen. Doch bis dahin muss man manchmal laut und hysterisch markante Sätze zurückschreien. Gang of Four schrien „To hell with poverty!“, Popgroup „Why do we tolerate mass-murders?“, Crass „What’s next, Columbus?“ und Dead Kennedys „Kill the poor“. Theatre of Hate blieben ihren Namen treu und skandierten „Do you believe in the Westworld?“ im schnellen Galopp-Rhythmus
Mir ist nach mehr sinnlosen Pathos und hohlen Gesten. Wenn die Kunst schon vergeblich kämpft, dann bitte mit Schmackes. Sattel Deinen Gaul und reite alle Götter verfluchend in den Sonnenuntergang. Schieße auf wehrlose Kakteen und heule mit den Koyoten. Aber sei gewarnt: da draussen gibt es keinen Handyempfang.