Huch! Henry Rollins Kolumne in der Intro

urlNein, ich bin kein Verehrer der ersten Stunde. Es ist eigentlich viel schlimmer: ich habe noch nie bewusst ein Stück von Black Flag, diesen Monuments des amerikanischen Punks, gehört.

Ich rutschte da rein. Andreas, alter Kumpel in den 80er Jahren, machte Zivildienst bei Ravensburg. Das ist in der Nähe des Bodensees. Das ist so tiefe Provinz, das willst Du gar nicht wissen. Das ist so tiefe Provinz, dass damals junge Männer des Nachts mit ihren Autos gelangweilt über die Landstraßen fuhren, um Fremden eine Einholjagd über die kurvenreichen, engen Straßen zu liefern.

Also Andreas… der spielte fantastisch Schlagzeug und hatte sogar den „funky drummer“ drauf. Auch wenn man dies seinem verschlafenen Naturell nicht im geringsten zugetraut hätte. Damals spielte er bei einer kleinen Band mit, die ein Seitenableger von Stereo MC’s war und wodurch er irgendwie in die Tourszene rutschte. Er lud mich also nach Ravensburg in das dortige Jugendzentrum ein, da Henry Rollins dort auf seiner ersten Solotournee Zwischenstopp machen würde.

Die Spex brachte gerade ein Interview mit Rollins heraus und ich fand das alles höchstinteressant von den Aussagen her. Er schien ein belesener Berserker zu sein, der dorthin geht, wo es weh tut. Zur Not nach Ravensburg, haha! Nein… er meinte, er habe Angst vor den Strapazen von Tourneen, weshalb er nun für einige Jahre unterwegs sei.

Das machte Eindruck bei mir. Und da ich die Provinz und Andreas mag, trampte ich nach Ravensburg. Das Jugendzentrum war erbärmlich leer. Vielleicht 10 – 15 Personen lümmelten herum. Das Vorpgramm waren wahnsinnige Holländer namens „Gore„. Ein Trio, welches instrumental soooooooooooo wahnsinnig laut und dröhnend und schleppend spielte, dass ich irgendwie hin und weg war. Sie waren so laut, dass der Schalldruck mich nach hinten drückte, um mich bei den Breaks nach vorne zu saugen. Mann, war ich beeindruckt, wie wenig sie die geringe Anzahl an Menschen beeindruckte. Sie spielten konzentriert und auf den Punkt ihren Kram runter, um dann ganz unspektakulär das Feld zu räumen.

Die nächste Band, also die Rollins Band. Ein kleiner, durchtrainierter Typ, tätowiert wie ein Freak (sorry, das war in den 80ern noch etwas besonderes), nur in einer kurzen Turnhose bekleidet baute alles brav und in sich gekehrt auf, die Band stöpselte ihren Kram in die Verstärker und der kurze ging mit gesenkten Haupt zum Mikro und nuschelte „Good evening“ ins Mikro, um dann „AND GOOD LUCK!“ zu brüllen. Dann brach die Band los und der Kurze hechelte atemlos „I LOVE YOU, I LOVE YOU, I LOVE YOU!“ 5 geschlagene Minuten.
Ich schaute Andreas fassungslos an, doch der grinste nur wissend, da er ja schon einige Wochen mit den Jungs auf Tour war. Die Band prügelte so erbarmungslos laut den plötzlich so klein wirkenden Raum und Rollins schien allein den Vietnamkrieg nachspielen zu wollen. Es war bizzar, ekstatisch, verstörend. Wie Rock n Roll halt sein soll.

Ich verlor jedes Zeitgefühl und nach 20 Minuten oder 3 Stunden waren sie fertig. Ich auch. Meine Ohren pfiffen wie Teekessel, weshalb ich den Bassisten anschrie, ob sie immer so laut spielen würden. Da verriet ich wohl den Popper in mir, da er verwundert meinte, sie würden höchstens noch halb so laut wie zu Black Flag-Zeiten spielen.

Einige Jahrzehnte später gab es einen Spoken-Words-Vortrag von Henry Rollins im Savoy in Düsseldorf. Wieder hatte ich glückliche Umstände, wodurch ich dem ganzen beiwohnen durfte. Henry und ich waren älter, aber immer noch irgendwie heiss. Er stand auf der Bühne und plauderte Anekdoten und Geschichten aus seinen Leben und wir lachten oft und herzhaft.

Natürlich hatte ich eine Schallplatte zum Signieren dabei. Und zwar die Wartime, einen Sideproject Rollins mit seinem Bassisten. Er erzählte schon in der alten Spex-Ausgabe von dem Vorhaben: er wolle eine Platte herausbringen, die mit GoGo-Beats unterlegt sei und ansonsten nur Bässe anböte. Klang klasse, weshalb ich mir die Scheibe blind kaufte. Und oh yeah: „The whole truth“ kickt Ärsche.

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Marina ermöglichte mir also, dass ich Henry Rollins Backstage belästigen durfte. Ich hasse sowas total, aber manchmal muss man ein Schwein sein. Ich klopfte also an die Tür und Henry Rollins saß mit Lesebrille am Laptop und schrieb E-Mails. Ich wollte es kurz für ihn machen, weshalb ich gleich mit meinem Wunsch nach einer „Fuck you!“-Widmung herausrückte. Normalerweise ist dies der Punkt, an dem dann mein gegenüber fragt, was das solle. Nicht so Rollins. Ganz kühl schrieb er also „Fuck you, Diethelm!“, um dann anzumerken, dass die Scheibe zwischenzeitlich schwer gesucht sei. Ha! Doch noch eine Reaktion. Die Audienz beim Papst hat sich für mich gelohnt.

Ach so… Die Intro bringt also eine Kolumne von Henry Rollins raus. Lesenswert und kurzweilig, wie man es von ihm erwartet. Meine Empfehlung.

Und noch ein Bonbon: Rollins spricht über seinen Mentor Iggy Pop. Must see and listen.
http://youtu.be/vOjjY-Pp_og

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