Geburtstagsfeier I

Völlig aus der Zeit gefallen: der olle Barry in seiner Stretchhose.

Auf der Tour sprach ich mit Luzie über mein eigentliches Ziel: für Feiern gebucht zu werden. Da lenkte sie ein, dass ihre Mutter ihren 60. Geburtstag feiern wolle und noch Beschallung sucht. Sie gibt meine Karte weiter und einige Tage später meldet sich Luzies Mutter A.

A. und ihr Partner kamen in den Florapark und hörten sich die Jukebox an. Der anwesende Mayo vertritt mich dankenswerterweise am 1224er, während ich mich mit den beiden unterhalte. A. hat zwar eine Vorstellung, was die Musik betrifft, kann sie aber nur schwer umschreiben. Also sprechen wir über Lieder und Bands, so dass ich ein Gefühl bekomme, was ihre Vorlieben sind. Klar wird: kein heftiger Rock, gerne auch einen Schlager, gerne auch etwas aus den 50ern. Wir machen aus, dass sie mir noch einige Titel zusendet, um ihre Vorstellungen zu konkretisieren.

Vor einer Woche besuchten wir dann gemeinsam den Veranstaltungsort, ein typisches Clubheim in der Nähe der Uni. Hier gibt es sie noch, den zickzack-faltenden Raumtrenner, die Galerie an Karnevalsprinzendingers, die kleine Bühne und die großen Boxen. Der Besitzer ist hilfsbereit aber auch etwas unsicher, dass jemand nicht mit dem Computer angetanzt kommt. Seiner Meinung nach sollte aber alles kein Problem sein, da ein Cinch-Kabel auf der Bühne ankommt, welches einfach zu koppeln ist. Ich schreibe mir also  auf, eine Kupplung mitzunehmen.

Einen großen Teil des Samstags verbringe ich mit der Auswahl an Platten. Ein bischen Stones, ein wenig Beatles, hier ein Twist, dort ein Rock n Roll. Und zur Sicherheit einfach den Singlekoffer der Tour, der ja so etwas wie einen erste Hilfe-Kasten für alle Fälle darstellt. Da klingelte es an der Türe. Ich habe komplett die Zeit vergessen und stehe nun blöde da.

Eine Dame kommt die Treppe hoch, ich bitte sie um 5 Minuten Zeit, ohne auch nur ansatzweise zu wissen, wie ich in 5 Minuten alles schaffen soll. Kalt duschen, rasieren, Anzug raussuchen, Material packen, 2 MKII, ein Mischpult, 2 Kisten große und 2 Kisten Singles runtergeschleppt: 12 Minuten. Hey, das war fantastisch schnell, allerdings läuft mir der Schweiss  Hektoliterweise runter, als ich der Dame die Hand gebe. Alles rein in ihren Wagen und zum Clubheim gefahren.

Auf der Bühne steht ein Altbier-Stehtisch und ein normaler Tisch als Ablage. Der Kellner hat alles liebevoll mit Tischdecken abgeklebt. Ich stelle die Plattenspieler und das Mischpult auf den Stehtisch um festzustellen, dass das blöde Teil um rund 10 Zentimeter zu schmal ist. Die äußeren Füße der Plattenspieler hängen halb von der Tischplatte. Das ist mir zu gefährlich, also stelle ich die Turntables hochkant, so Hiphop-Style halt. Mag ich gar nich, da ich gern mit dem Ärmel dabei am Plattenarm hängen bleibe. Aber Sicherheit geht vor Schönheit.

Alles aufgebaut und verkabelt, also mal eine Platte aufgeschmissen. Der Klang ist suboptimal. Wenn ich die Balance am Mischpult verändere, fehlt auf einer Seite der Kanal komplett. Ausserdem klingt alles dumpf wie unter einem Kopfkissen. Der Besitzer und ich schrauben am Mischpult hinter der Theke rum. Die ersten Gäste kommen und stoßen mit Sekt an. A. ist aufgeregt seit Tagen, aber nun gibt es kein zurück mehr. Die große Anzahl an Gratulanten beschäftigt sie optimal, der Besitzer und ich werkeln zwischenzeitlich an Kabeln rum. Jetzt ist mal  der andere Kanal da, doch der erste futsch. Innerlich fang ich an zu fluchen. Warum kann man nicht einfach mal ankommen, den Kram anschließen und auflegen? Warum gibt es immer Rhabarber? Warum waren wir eine Woche vorher hier? Ich weiss, dass das nun garnichts bringt und beschließe, das ganze proffesionell gelassen zu nehmen.

Der Besitzer hat nun mehrere Kisten auf der Theke, aus  der er ständig einen weiteren Adapter zieht. Er schleift das Signal mittels AUX in eine Minianlage und führt es via Phone-Ausgang wieder raus. Mir ist völlig schleierhaft, was das – ausser einer weiteren Störungskomponente – bringen soll. Und tatsächlich bringt es auch nichts ausser noch mehr Gebrumme. Auch eine zweite Minianlage fürt zu keinen besseren Ergebnis.

Ich fühle mich nicht sonderlich wohl. Ich kann mich zwar auf die Anlage des Clubheims berufen, doch viel lieber möchte ich auflegen. Der Besitzer zieht ständig noch ein Kanninchen aus dem Zylinder. Zum Schluss verbindet er 4 oder 5 Adapter, um das Signal  aus meinem Mixer in den Mikroeingang zu stopfen. So wäre das ganze zwar nur Mono, aber einigermaßen akzeptabel. Ständig knackt etwas laut auf. Irgendwo fehlt eine Abschirmung. Ich würde gerne den Besitzer am Kragen packen und schütteln und anschreien, aber das macht die Anlage auch nicht besser. Ich vertraue darauf, dass die Gehörgänge der Gäste nicht mehr die feinsten sind, bis es zum Tanzen kommt.

Das Buffet ist eröffnet und A. fordert mich auf, nicht nur mitzuessen, sondern auch an den ausgezeichneten Familientisch zu sitzen. Ich verstehe das als sehr große Ehre und unterhalte mich unter anderem mit einer betagten Dame, die mich fragt, ob ich der neue Freund von Luzie sei. Ach, und wer denn der Freund von Luzie denn nun sei. Wunderbare Gespräche. Und das Buffet war auch prima. Ich stopfe mir gehörig den Bauch voll und trinke sonst nur Leitungswasser. Ab und an lege ich zur Untermalung eine weitere Platte auf. Tom Jobim, Frank Sinatra, gefällige, leichte Jazznummern, die nicht wehtun, aber trotzdem hörenswert sind.

Kollegen und Familien halten Reden, es gibt Fotografiererei mit Hüten, zwischenzeitlich geht es auf 22:30 Uhr zu. Meine Dudelmusik brachte aus Versehen 3 Paare zum Tanzen, aber nun mal richtig aufgelegt

Alles andere als originell, aber für mich eine Aufforderungsfanfare: Barry Whites „Love Theme“. Die Streicherkaskaden im Intro rufen: „Jetzt kommt was völlig anderes, elegantes, komm!“ und tatsächlich kommen nicht wenige vor die Bühne. Das ist also geschafft, jetzt kommt das schwerste: die zweite Platte. Feige ist es, danach mit MFSB und TSOP zu kontern. Ist mir auch irgendwie zu lusch. Ich nehme Stevie Wonder „You haven’t done nothing“. Wo ich gerade darüber nachdenke: das Intro von Wonder ist dem von Barry White nicht unähnlich, doch der Groove-Hammer der dann ausgepackt wird, ist doch ein ganz anderer. Und tatsächlich verliere ich nur 2 oder 3 Paare. Hey, das ist wirklich nicht schlecht.

Die Leute sind seit 4 – 5 Stunden hier und tranken schon das eine oder andere Bier. Die meisten sitzen sowieso draussen, da im Saal Rauchverbot ist. So springe ich stilistisch hin und her, um die Gäste zu testen. Ich stelle fest, dass es am besten sei, weiter hin und her im Stil zu hüpfen. Ich will Dir etwas verraten: wenn Du dann eine Platte auflegst und alle verlassen die Tanzfläche, dann ist dies zwar schrecklich, aber nicht der Untergang des Abendlandes.  Man hat etwas versucht und sich verschätzt. Herrje, es gibtschlimmeres. Ein Gast schaut mich entnervt an und zieht die Augenbrauen vorwurfsvoll hoch. Sowas mag ich ja. Ich spreche ihn an, was ich tuen könne. Er meinte, da würde niemand tanzen. Ich erwidere, dass das auch aufgefallen sei und ich versuchen werde, abhilfe zu schaffen. Für konstruktive Vorschläge sei ich zudem empfänglich. Aber mehr als verächtliches Schnauben über die Nüster hat er nichts zu erwidern. Menschen mit schlechter Laune gibt es immer und überall, können aber in solch einer Situation geradezu verherend sein. Man sieht plötzlich nicht mehr die 20 Tänzer,  sondern nur noch den einen Miesepeter.

Ich zwinge mich also dazu, mich nicht von besagter Person hynotisieren zu lassen und konzentriere mich… auf die Frauen. Das ist beim Auflegen nie verkehrt. Und tatsächlich wird getanzt. Und dann wieder nicht. Und dann 3 Pärchen. Und dann wieder genähnde Leere. Was soll ich denn machen? Draussen sitzen die Leute und pfeifen die Lieder mitunter fröhlich mit. Zudem verlassen immer mehr Gäste das Fest. Ich lege auf, als würden 400 statt 4 Personen vor mir tanzen.

A. ist völlig begeistert und aus dem Häuschen. Viele hätten sich über die Musik gefreut und einige hätten nach Visitenkarten gefragt. Ach, mir fällt ein Stein vom Herzen. Wenn die Gastgeberin zufrieden ist, soll mir alles andere egal sein. Ich lege bis 2 Uhr auf, dann  geselle ich mich zu den letzten Gästen und dem Clubheimbesitzer und trinke ein Bierchen. Alle zufrieden, alle glücklich. Um 2:30 Uhr wandere ich dann nach Hause, morgen wird abgebaut. Mission erfolgreich erfüllt.

4 Antworten auf „Geburtstagsfeier I“

  1. Ich freue mich für dich, das du einen ersten erfolgreichen Abend absolviert hast. Übrigens, wenn keiner tanzt heißt das noch lange nicht das die Musik nicht gefällt. Tanzen ist bei mir z.B.auch stark von der Tagesform abhängig. Oft schunkel ich auch kräftig im stehen oder sitzen und amüsiere mich dabei prächtig,trotz beiläufiger Unterhaltung.

    1. … da sprichst Du mir aus der Seele… ich habe eh noch nie diese ‚Tanz-Hysterie‘ (gerade auf Geburtstagsparties oder Hochzeiten) verstanden… ich tanze eher selten, wenn dann spontan aber auch nicht zwingend stundenlang… trotzdem kann mir ein Abend musikalisch (gut) gefallen!

      1. Für viele ist das der Leistungsnachweis eines guten Plattenlegers und gelungenen Abends. Und die Gastgeberin war in den Vorgesprächen sehr auf diesen Punkt aus. Da kann man nervös werden, muss es aber nicht.

  2. … sei froh, dass Du Dich im Wesentlichen auf ‚Oldies‘ reduzierst, so bleibt Dir wenigstens Geplärre nach aktuelle Hits von David Guetta, Toten Hosen und/oder Madonna erspart… ich werde wohl auch in Zukunft anders vorsortieren…

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