Dieser kleine Mann hatte eine Aufgabe

Tim BuckleySchlechte Insiderkalauer könnten wie folgt beginnen: was haben Tim Buckley und Bruce Lee gemeinsam? Du bist kein Insider? Dann muss ich mich auch schon nicht ob des schlechten Witzes schämen. Ich sollte die Scham nicht vom Entdecken abhängig machen? Gut, ich schäme mich also freiwillig.

Mit 13 Jahren erhielt ich einen Ferienjob, der wie ein Lottogewinn anmutet: ich arbeitete in einen Schallplattengeschäft und achtete darauf, dass keiner Platten klaut. Die Bezahlung war für damalige Verhältnisse und den Aufwand geradezu fürstlich (6 Mark die Stunde) und tatsächlich fasste ich nie auch nur einen Dieb, doch dafür stieg ich innerhalb weniger Tage zum Aushilfsverkäufer auf.

Was hat man mit 13 Jahren schon groß anzumelden, wenn alle um dich gefühlte 50 Jahre älter sind? Wenn man etwas Grips im Kopf hat hält man ungefragt den Mund und hört gut zu. So wurde ich in diesen zarten Alter mit wirren Zeugs wie Mahavishnu Orchestra oder Mahagony Rush konfrontiert. War gar nicht so schlimm und einiges blieb auch hängen (Ramones natürlich, aber auch The Hybrid Kids oder Gang of Four). Anfangs versuchte ich, mich dezent bei den Älteren einzuschmeicheln, dann übernahm ich die eine oder andere Marotte des Hauptverkäufers, um mich vermeintlich interessiert zu geben.

Eine Vorliebe meines launigen Chefverkäufers war Tim Buckley, den ich einfach so übernahm. Ich kaufte mir als Einstieg „Goodbye and Hello“ und danach pflichtbewusst alles, was ich habhaft werden konnte. Und es erfasste mich sogleich. Die ausschweifenden Erklärungen meines Meisterverkäufers ergingen sich in Tim Buckleys Oktavenumfanges, wie auch der groß ausgelebten Leidens-, wie auch alle anderen Formen von Emotionsfähigkeites im Gesang. Ich hörte ihm zu, wie er „Sweet Surrender“ einen farbigen Kunden „blind“ (ohne irgendwelche Infomationen) vorspielte. Er konnte es nach dem Hören nicht glauben, dass Buckley ein Weissbrot war. Und tatsächlich ist es es ja herzknetend bis -zerreissend, wie Tim B. wimmert, jammert, fleht und bibbert, um zwischendurch dann zu grunzen und zu kreischen. Ach, hören Sie doch selbst einfach! Das blaue „Sweet Surrender“ ein paar Zeilen weiter oben ist ein Link zum Video.

Doch dann kam Punk und ich sagte meinen früheren Vorlieben (wie auch Deep Purple und Queen)  leichten Herzens „Lebewohl“, um Tim Buckley fast zu vergessen. Doch als ich irgendwann mit meinen vermeintlich früheren Musiksturm (siehe auch: „Bildersturm“) fertig war und ich mit meiner Vergangenheit Frieden schloss war auch Tim Buckley wieder in meinem Herzen. Und Dank des Internets kann ich ihn nun nun endlich auch sehen, welch ein famoser Kerl Tim Buckley doch war. Ich erhebe ihn zu Ehren mein Glas, der viel, viel, viel zu Früh diesen Planeten verließ.

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