24 Songs to X-Mas V

Winter in Canada - SingleIch habe Schneeschuhe an und stapfe durch eine Apothekerkalender-Landschaft ganz in Weiss. Schneebepuderte, schlanke Tannen, ein irres Glitzern an Schneekristallen, der Himmel tief Blau. Auf der jungfräulichen Lichtung steht eine Holzhütte wie aus Bonanza, aus dem Kamin ploppen  dicke Wolken. Da öffnet sich die Türe und eine wunderschöne Frau tritt auf die Veranda und winkt mir fröhlich zu. Ihre Haare sind schwarz und zu Schnecken rechts und links gedreht. Ihre Wangen glühen hochrot. Sie hat bestimmt ein heiße Schokolade für mich schon auf den Holztisch bereitgestellt. Es ist schön, vom Jagen zurück zu kommen.

Elisa Gabbai · Winter in Canada (1966) Leider kann man den Player von MyVideo hier nicht einbinden.

Solche Kopffilme fuhr ich als Kind zu bestimmten Liedern im Radio. Meine Erinnerungen hierzu sind aus der Hüftperspektive Heranwachsender gesehen. Draussen ist kalt, Mutter hat die Schürze um und backt Plätzchen. Aus dem Radio kommt schöne Musik. Dass die Dame Elisa Gabbai sich nannte, war mir keineswegs bewusst und so egal, wie die Rückseite des Mondes. Aber wie sie sich auf ihren Mann freute, fand ich extrem schön.

Lieder wie „Winter in Canada“, „Downtown“ oder auch „Puppet On A String“ sind tief in meine Gene gemeisselt. Ist es Zufall, dass die Stücke von Frauen gesungen wurden? Keine Ahnung, das überlasse ich gerne Püschologen (die dann wohl den Ödipus diagnostizieren, geschenkt). Auf alle Fälle sind die Melodien zuckersüß. Man kann sie singen, summen, pfeifen oder wie Kaugummi im Kopf kauen. Ich bin der Meinung, diese Lieder sollten dem Weltkulturerbe zugerechnet werden.

Sowas nannte sich in den 60ern Schlager, doch eigentlich ist es bester Pop. Die Moulinettes wussten es und coverten es lupenrein. Man verzeihe bitte das alberne Video, doch eine andere Version war nicht aufzufinden.

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Wiki weiss wie meist mehr über Elisa Gabbai.

24 Songs to X-Mas IV

Der Osten Ist RotIch grüble selbst ein wenig über mein Konzept. Gibt es einen roten Faden? Vielleicht folgender: Lieder, die sich nicht immer beim ersten Mal erschließen. Songs, die – herrje, wie pathetisch! – besinnlich sind. Musik, die mich mitunter seit Jahren oder Jahrzehnte begleiten und ich hoffentlich noch nicht allzuoft via Facebook teilte.

Holger Czukay ist Bassist beim Krautrockwunder „Can“ und hatte eine extrem kreative Phase von Ende der 70er bis ca. Ende der 80er. Seine Soloalben sind mitunter reiner Irrwitz und auf seiner ersten Soloscheibe „Movies“ arbeitete er mit eingespielten Aufnahmen von Mittelwellensendern. Er machte also so etwas ähnliches wie frühes Sampling.

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Seine Kolaborationen sind legendär. Mit David Sylvian, The Edge, Jah Wobble und so weiter machte er erstaunlich experimentelle Sachen. Das vierte Stück „Träum mal wieder“ für heute ist von seinem zweiten Soloalbum „Der Osten Ist Rot“. Ambient? Trance? Whatever. Der Titel des Liedes ist Programm. Das Cover wurde von dem damals extrem gefragten Grafiker Helnwein gemalt.

Ich finde das meiste seiner Musik heute noch richtungsweisend. Deshalb als kleiner Bonus das irre „Cool In The Pool“. Wie schon oben beschrieben: voll mit kleinen Samples (inklusive Baccara, haha!)

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Mehr über Holger Czukay auf Wikipedia.

24 Songs to X-Mas III

Rwrockbottom[1]Vielleicht vertreibe ich mit folgenden Lied einige, aber es kann ja nicht immer nur gefällig zugehen, wir sind hier doch nicht im Privatfernsehen.

Robert Wyatt kannte ich sehr lange schon, bevor ich ihn registrierte. Auf „Diamond Head“ von Phil Manzanera sang er „Frontera“ (an dieser Stelle hätte ich gerne einen Link angeboten, doch scheinbar wurden alle Videos wieder mal gelöscht) und seine Stimme verzauberte mich geradezu. Solltest Du Gelegenheit haben, „Frontera“ mal zu hören, dann verpasse diese Gelegenheit nicht. Manzanera macht da irre Sachen mit seinen Gitarren (oh, er war Gitarrist von Roxy Music). Das Lied flirrt geradezu, was einen schönen Kontrast zur kontrollierten Soulstimme von Robert Wyatt bildet.

Der Name „Robert Wyatt“ war mir geläufig, doch hatte ich keinen Anlass, mehr in Erfahrung zu bringen. Da starb vor Jahren ein Freund von mir und seine Tochter bot mir seine Plattensammlung an. Und so fiel mir der große Anteil an Platten von Soft Machine und Robert Wyatt natürlich sofort auf. Also nun gab es keine Ausrede mehr.

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„Alifib“ ist für mich Kammerpop-Musik. Das Lied von der 1974 erschienen LP „Rock Bottom“ wirkt auf mich geradezu zerbrechlich. Doch noch beeindruckender wird es, wenn man die Hintergründe von Robert Wyatt erfährt.

Er war ein regelrechter Überflieger und galt als einer der besten Jazzrock-Schlagzeuger, welches er bei Soft Machine unter Beweis stellte. Doch Anfang der 70er kündigte er seinen Job dort, um die Band „Matching Mole“ zu Gründen, die er nach 2 Alben jedoch auch auflöste.

Da geschah etwas, was die meisten Menschen eigentlich zerbricht. Bei einer Party fiel er aus dem Fenster, schlug auf und blieb liegen. Querschnittslähmung, 1973. Noch im Krankenhaus jedoch fängt er an, Songs für das Album „Rock Bottom“ zu schreiben und es gleich nach der Entlassung einzuspielen.

Er war der erste behinderte Künstler bei Top of the Pops. Er rehabilitierte Disco, indem er Chics „At Last I Am Free“ coverte. Er schrieb mit Elvis Costello „Ship Building“ (welches auf der Beerdigung meines Freundes lief). Er ist ein ganz großartiger Künstler. Eine Ausnahme. Fast hätte ich das Wort „Genie“ benutzt, doch das wird heutzutage leider inflationär benutzt.

Mehr zu Robert Wyatt gibt es auf Wikipedia

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PS und Notiz an mich: zukünftig die Videos bis zum Schluss probehören, ob auch wirklich alles mitgeliefert wird. Tut mir leid um die fehlenden Sekunden.

24 Songs to X-Mas ab sofort nach Sonnenuntergang

Der Würfel ist gefallen: da der musikalische Weihnachtskalender eher mit ruhigen Liedern bestückt ist und Du nicht sediert in den Tag gehen sollst, werde ich die Türchen erst nach Sonnenuntergang öffnen.

Bis zum späten Nachmittag also,

Haru

24 Songs to X-Mas II

Rock n Roll with the Modern LoversErster Advent, erste Kerze. Höchste Zeit, aus Pappe oder Rinde hübsche Weihnachtsgeschenke zu basteln. Wie wäre es denn mal mit einer Handtasche aus alten Tabaksbeuteln genäht oder ein hübsches Bild mit geschlossenen Augen zu malen? Es muss nicht immer der Gang ins nächste Geschäft oder gar der Link zu Zalando oder Amazon getätigt werden. Schreib‘ doch mal ein Gedicht oder denke Dir sonst was schönes aus.

Okay, das war etwas sehr profan ausgedrückt. Ich wünsche Dir einfach nur, dass Du nicht das Gegenteil von „besinnlicher Weihnachtszeit“ erlebst. Vielleicht kann ich ja mit den 24 Songs to X-Mas etwas dazu beisteuern.

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Es liest sich wohl etwas bekloppt, doch „The Sweeping Wind (Kwa Ti Feng)“ 1977 von Jonathan Richman and the modern Lovers aufgenommen, klingt so… direkt und einfach und wunderschön, als hätten hochbegabte Kinder mit höchster Konzentration und Inbrunst es gespielt. Es ist naiv im allerbesten Sinne, was das Werk von Jonathan Richman und seinen modernen Liebhabern immer ausmachte. Ich liebe die scheinbar tumben Produktionsbedingungen. Höchstwahrscheinlich stellte man tatsächlich nur 1 Mikro in den Raum und ließ sie drauf los spielen.

Richman und seine Band zu hören hat für mich immer etwas beruhigendes, gar etwas heilendes. Auf jeden Fall bekomme ich durch ihre Musik gute Laune. So einfach und schön kann Musik klingen. Oftmals denke ich mir dabei „Warum Gründe ich eigentlich keine Band? Scheint doch ganz leicht zu sein“. Doch ich weiss, wieviel Arbeit in solcher Musik liegt. Große Kunst von kleinen Männern.

Mehr zu Jonathan Richman und den Modern Lovers findest Du wieder mal auf Wikipedia.

24 Songs to X-Mas I

The_Cure_-_Faith[1]Also einen musikalischen Weihnachtskalender. Nein, nein, ich werde nicht 24 Weihnachtslieder abgeben, das wäre mir doch zu bemüht und unergiebig. Lieber möchte ich 24 Songs präsentieren, zu denen man sich auf dem fetten Teppich vor dem Kamin lümmeln kann und kandierte Äpfel und ähnliches in sich hinein stopft.

Schon die Auswahl war nicht einfach: die Gema macht keine halbe Sachen und viele, ach zu viele Videos sind nicht mehr (oder nur mit entsprechenden Hilfsmitteln) zu lauschen. Aber egal, fangen wir einfach gleich mal dicke an.

http://youtu.be/Ycxc8Xitweo

Ich war bis ca. Mitte der 80er Cure-Fan. Um genau zu sein: „The Top“ fand ich noch großartig, mit „Head On The Door“ war es dann vorbei. Bis dahin lieferten sie großartige, tanzbare, furchterregende, irritierende Alben ab. „All Cats Are Grey“ ist von der LP „Faith“, die ruhig, sehr ruhig, fast totenruhig daher kommt. Gewählter Song klingt für mich nach Watte oder Moosbett: es passiert nicht viel, doch was passiert, ist nicht unangenehm. Wobei die Klaviersprenksel am Ende dann doch unheilvolles ahnen lassen.

Ein ambivalentes Stück Musik und großes Kino für mich. Athmosphärisch und dicht trotz karger Instrumentierung. Herrje, war Robert Smith mal gut.

Weitere Infos zum Album Faith findest Du auf Wikipedia (englisch).

Premierenfeier – Teil II

Nachdem ich schon auf der Straße angesprochen wurde, wann es denn endlich weiter ginge, setze ich mich halt endlich mal hin. Zugegeben: je länger es zurück liegt, desto weniger Motivation habe ich. Sorry.

Wo war ich? Ich kam am Hinterausgang des kleinen Schauspielhauses wieder mal zu spät an. Ist „Hinterausgang“ der richtige Ausdruck? Vielleicht auch „Personaleingang“ oder „Laderampe“. Auf alle Fälle sitzt da ein Herr hinter dicken Glas und achtet auf das Ein- und Ausgehen, während ein paar Meter entfernt Theatervolk auf Bierbänken raucht, quatscht und auf Rechnern rumtippt.

Ich lasse Mammut samt Hänger einfach mal stehen und gehe zur Kantine, um zu entdecken, dass eine junge Frau die Fenster dekoriert, die ich als Rahmen für die Wunschlisten auserkoren habe. Ich erläuterte ihr meinen Plan, sie zieht für 3 Sekunden eine Flutsch, um dann einfach woanders zu dekorieren. Geht doch.

Das Reintragen alleine ist wie fast immer schweisstreibend und zeitfressend (für bürnhart habe ich diesen Part extra kurz gehalten). Die Dramaturgin bekommt einen kleinen Herzinfarkt, als ich sie auf den Tisch anspreche, den ich mir zum Auflegen wünschte. Sie fragt kurz bei der Technik nach und – Wahn-Sinn! – nach 5 Minuten kommen 2 Männer mit einen dieser superstabilen Bühnenelementen an, um diese aufzubauen. Einer fragt mich, ob 1 Meter Höhe okay sei. Ich nicke eifrig und begeistert. Dann kommt Helmut, der Tonchef in Person, persönlich vorbei. Er erläutert kurz die bereitgestellte Anlage. Nach meinem Aufbau und verbinden mit der Hausanlage hört man zuerst mal gar nichts, doch Helmut dreht 3 Knöpfe und alles ist gut. Lauter kompetente, gutgelaunte und hilfsbereite Menschen um mich herum. So muss das Paradies für Plattenaufleger aussehen.

Ich sollte ja vor oder nach der Rede des Indendantens nach der Aufführung irgendwas mit Musik machen, um das Publikum zur Feier einzuladen. Um ehrlich zu sein: ich verstand nicht richtig, wie. Und so bastelte ich mir zum Thema „schlechtes Radio“ folgendes zurecht:
Roger Taylor, der Schlagzeuger der Gruppe Queen, fand schon in den frühen 80ern das Radioprgramm nicht mehr ganz so  berauschend. Sein Sohn kommentierte dann einen schlechten Song mit „Radio Kaka“, woraus dann Radio Gaga wurde. Als früherer Queen-Fan darf ich schreiben: eines der schwächsten Songs von Queen und überhaupt der schlechteste Song von Taylor. Trotzdem wurde Radio Gaga zu einen – hihi! – Radiohit.
Jahrzehnte später nimmt eine hoffnungsvolle, junge Sängerin ihr erstes Album auf und der Produzent von ihr begrüßte sie jedes Mal mit dem Refrain von Radio Gaga, da er der Meinung war, dass einige Gesangslinien an Freddy Mercury erinnerten. Wie  er dann „Radio Gaga“ in einer SMS schrieb, habe T9 dann „Lady Gaga“ draus gemacht.

Naja, ein Geschichtchen halt, wie  ich es mag. Doch ich sollte gar nichts erzählen, sondern nur irgendwie etwas mit dem Plattenspieler machen. Also legte ich einfach auf dem kleinen DUAL im Dauerloop „Radio Gaga“ auf, bis der Indendant dann endlich gewillt war, seine Rede zu halten.

Eine leicht obskure Rede. Bei mir blieb hängen, dass er als fremdsprachiger nichts verstanden habe, aber alles gefühlt. Oder so ähnlich. Auf jeden Fall zogen wir danach endlich alle in die Kantine…

Okay, der dritte Teil soll dann der letzte sein, versprochen.

Premierenfeier und KIT – Teil I

WORK IN PROGRESS…

Wunschzettel Premierenfeier

Bevor die Erinnerung an den 5. und 6. Oktober völlig verblassen, hier nun endlich die Rückschau.

Im Sommer erfuhr ich, dass der von mir geschätzte Schorsch Kamerun ein Theaterstück im kleinen Schauspielhaus Düsseldorf mit dem Namen „Sender freies Düsseldorf“ aufführen wolle. Premiere: 5. Oktober. Inhalt: irgendwas mit Kreative, das dumme Radioprogramm und der Wunsch der Kreativen, ein gutes Radio zu machen. Oder so ähnlich. Da ich selbst mit dem Radioprogramm auch nicht sonderlich zufrieden bin – vor allem den Musikbeiträgen – fühlte ich mich berufen, da irgendwie mitzuwirken. Aber wie?

Da lernte ich Ende Juli einen Techniker des Schauspielhauses kennen, den ich von meinem Wunsch berichtete, als Menschliche Jukebox die Premiere vor dem Theater zu bespielen. Sein Vorschlag dann: warum nicht auch die Premierenfeier als Schallplattenaufleger beschallen? Wäre doch mal  etwas anderes, als immer DJs aus Köln einzufliegen. Fand ich auch und stimmte zu. Er wolle also meine Karte weiterreichen und sich melden.

Nun, leider kam keine Meldung, also sprach ich Thomas an, der bei dem Stück als Musiker mitwirkt. Thomas sendete mir 2 Tage eine SMS zu, dass er mich vorschlug und man mich die Woche darauf anrufen würde. Leider kam kein Anruf.

Eine Woche vor der Premiere telefonierte ich mit Nathalie. Ich erzählte von dem Stück und lamentierte umher, dass sich niemand bei mir meldete. Sie befeuerte mich regelrecht, mich doch nochmals reinzuhängen. Nun, manchmal brauche ich doch einen Tritt in den Hintern. So nahm ich mir vor, mich nochmals aber so richtig zu bemühen. Also Doktor Wenzel, den Schutzheiligen der Düsseldorfer Szene angerufen und das Problem besprochen. Sein Tipp: entweder die Dramaturgie oder am besten Schorsch Kamerun direkt zu kontaktieren. Gute Idee. Aber wie? Sein zweiter Vorschlag: am nächsten Abend im Salon des Amateur vorbei zu schauen, da würde sich Kamerun bestimmt blicken lassen. Super, war mir aber zu wackelig als Gelegenheit. So telefonierte ich weiter.

Ich nervte sowohl Lars wie auch Andreas, die beide Beziehungen in die Hamburger Szene haben. Beide versprachen mir, sich nach der Telefonnummer von Schorsch Kamerun umzuschauen und diese mir zukommen zu lassen.

Aber warten ist doof. So recherchierte ich einfach mal selbst drauf los und fand die Homepage von Schorsch Kamerun. Dummdreist schrieb ich ihm eine Mail, in der ich von der Menschlichen Jukebox berichtete und dass ich diese zur Premiere vor der Türe machen würde. Oder auch hinter der Türe, wenn es genehm sei.

Da erhielt ich via Andreas die Handynummer des Regisseurs. Ha! Nun kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Aber statt nun in den totalen Aktionismus zu verfallen wollte ich doch den Abend abwarten, ob Kamerun sich nicht via Mail melden würde. Und tatsächlich: die Dramaturgin schrieb im Auftrag von ihm und lud mich ein, irgendwie irgendwas an der Premierenfeier zu machen. Was ich denn genau machen wolle, wie lange und für wieviel. Ich tanzte vor Freude auf meinem Schreibtisch, goss Tapetenkleister über mich und hüpfte in einen Sack Hühnerfedern. Okay, das mit den Hühnerfedern ist natürlich übertrieben. Auch das mit dem Tapetenkleister und dem auf dem Tisch tanzen. Aber sei versichert, dass ich mich wirklich und sehr freute.

Die folgenden Tage beschloss ich also, die Menschliche Jukebox Deluxe für den Premierenabend zu geben. Also erst mal neues Singlematerial bei Hitsville gekauft, 250 Platten zum Abfeiern rausgesucht, Listen getippt und das ganze dann auf 7 großen Plakaten ausgedruckt, damit ich nicht mit Wunschlisten hantieren muss.

Natürlich zu spät kam ich beim Theater an. 5 oder 8 Minuten. Aber das merkte so niemand. Ich fuhr zum belebtem Hintereingang und wuchtete das Zeugs in die Kantine.

Rückschau Caffé Enuma – Tanztee für alte Säcke

Improvisation ist Trumpf.

Welche Formate für Schallplattenaufleger gibt es denn in Düsseldorf? Beschallung für Trinkende, oder auch Beschallung für Trinkende auf der Tanzfläche. Und: Beschallung für trinkende begattungswillige junge Menschen.

Ich bin ja langsam uralt. Ich weiss, liest sich kokett, aber mein Lebensentwurf in meinen zwanziger Jahren sah keineswegs vor, dass ich mit fast 50 Jahren noch viel Lust auf Ausgehen und Tanzen, geschweige denn Auflegen haben würde. Mit 25 Jahren dachte ich tatsächlich, man wäre mit 50 Jahren halbtotes Gemüse.

Wie schön, dass ich mich täuschte. Und interessanterweise geht es vielen meiner Altersgenossinen und -genossen ähnlich. Und was bietet man uns an? Tangokurse und Ü-Partys. Man hat Feierghettos für uns eingerichtet. Menschen meines Jahrgangs sollen dann bis zum Exodus 80er-Jahre-Kram hören und den alten Zeiten nachjammern.

Zumindest ich habe darauf keine Lust. Das ist mir zu eng, zu kurz gedacht, zu schlecht ausgeführt. Also dachte ich mir ein eigenes Format aus: tagsüber tanzen ohne große Trinkerei und die Musik ganz dolle gemischt (Hauptsache: Tanzen). Und so freute ich mich sehr, dass Mario mir freie Hand ließ, das ganze in seinen Caffé Enuma zu veranstalten.

Minimaler Aufwand, maximale Wirkung. Laut Mario blieben dutzende Leute stehen, um das Plakat zu studieren. So ist es recht.

Wir wählten den geschichtsträchtigen 3. Oktober aus. Zwischenzeitlich will ich keine Energie für Flyer mehr aufwenden, weshalb ich mich am extrem dynamischen Helmut Kohl mit seinem Wahlslogan 1998 „DER KANZLER KOMMT“ bediente. Kanzler übermalen, Haru drüber, fertig. Dann legte ich eine Veranstaltung auf Facebook an und verkündete die Sause von 12 bis 20 Uhr. Erst am 2. Oktober bemerkte ich den Irrwitz: 8 Stunden auflegen, buah! Das geht schon, ist aber doch eine ganze Ecke an Zeit. Aber so läuft es halt: zuerst nicht nachdenken, dann halt ausführen.

Thorsten lieh mir seinen Anhänger wieder und ich packte rein: 1 Kiste mit großen Scheiben, 1 Rucksack  mit großen Scheiben, 1 Koffer mit kleinen Scheiben, 1 Mischpult, 2 Canton-Boxen, 2 Technics MKII sowie diverse Klebebänder, Lautsprecherkabel, Plattenbürsten, Kopfhörer undundund… Kurz nach 11 Uhr kam ich bei Mario an und packte erst mal alles aus und die nächste Stunde auf. Susanne kam sehr früh, ansonsten war es eher geräumig im Laden. Ich nahm mir vor, einfach hübsche Musik aufzulegen und mir keine Sorgen zu machen. Es blieb weiterhin geräumig bis ca. 15 Uhr, dann kam ein Schwung Menschen der unterschiedlichsten Coleur. Das mit dem Tanzen wollte nicht richtig zünden. Bis Andreas mit Karlotta kam. Karlotta ist 5 oder 6 Jahre alt und hatte eine große Tasche dabei. Andreas meinte noch, sie müsse sich erst mal umziehen. Nach einigen Minuten kam sie dann in einen Prinzessinenkostüm von der Toilette. Dazu gesellte sich dann noch eine Mutter mit ihren beiden Töchtern, die jüngere von ihnen ebenfalls verkleidet. Andreas setzt sich ein Krönchen auf und tanzt mit den drei Ladies. Es war… bezaubernd und hatte etwas von einen Kindergeburtstag. Das ging locker 2 Stunden so und tatsächlich gesellte sich eine Dame mit langem, weißen Haar bei Stevie Wonder tanzend dazu.

Robert kam auf seinen E-Bike daher, Margret zu Fuß. Alice und eine Freundin spielten Dame, Mario hüpfte hin und her und quatschte mit unseren Gästen. Mindestens  2 der 3 Blech Kuchen gingen weg und ständig dampfte die Kaffeemaschine. Bruce Robertson gesellte sich zu mir und wir plauderten über Musik und Musik und Schallplatten und Musik.

So gegen 18 Uhr dann waren wirklich fast alle weg. Mario wollte sich ein Spiel anschauen und auch gehen, da packte ich alles brav ein, denn ganz alleine wollte ich doch nicht im Enuma bleiben.

Fazit: da ist mehr drinn und ist ausbaufähig. Die Show später anfangen und früher beenden und gut ist. 4 Stunden sollten reichen. Also: wir tun es wieder. Noch besser, noch leckerer, noch tanzbarer.