Acht verschiedene Vinylpredigten habe ich erarbeitet. Die Recherchen und Vorbereitungen machen mir unendlich Spaß, kosten aber auch viel Zeit, die neben Auflegerei und sonstigen Alltag abgetrotzt werden müssen. Insofern wird nun geübt: die nächsten 2 Monate wiederhole ich die acht Vinylpredigten zu unterschiedlichsten Anlässen.
Mit Karin hatte ich ein Gespräch über das Wesen der Wirklichkeit und sie wünschte sich zu ihren Geburtstag im Januar eine Vinylpredigt zu diesen Thema. Naiv, wie ich bin, sagte ich ohne groß nachzudenken zu und hatte auch schon einen entsprechenden Arbeitstitel im Kopf: Vinylpredigt IX – Realität, die alte Sau. Das ist von einen frühen Lied von PeterLicht namens „Schwerkraft“ abgeleitet, in der er von der „Sonne, die alte Sau“ singt. Ich mag Majestätsbeleidigungen.
Nun saß ich letztes Wochenende auf einer Bank und dachte über Wirklichkeit und Realität nach und legte eine Liste an Liedern an, die sich damit auseinander setzen. Da gibt es schon einiges, wobei mir auffiel, dass darunter überdurchschnittlich viele auf deutsch sind. Setzt man sich hier vermehrt als im Rest der Welt damit auseinander? Oder ist mein Kopf ein plumper Filter, der Aufgrund des nicht unanspruchsvollen Themas die klar verständlichen rausfiltert? Aber eine noch viel gewichtigere Frage kam hoch: was ist eigentlich die Realität der Musik?
Mir fällt spontan ein, dass die ersten Musikinstrumente Flöten aus den Oberschenkelknochen Verstorbener geschnitzt wurden. Ich stelle mir vor, wie Menschen in der Frühzeit vor sich her summten. Warum? Weil sie es konnten. Klatschen macht den Beat und gemeinsames Klatschen fördert die Gemeinschaft. Musik tut dem Menschen einfach gut. Wahrscheinlich das Beste, was der Mensch überhaupt erfunden hat.
Da hatte ich noch ein tiefschürfendes Gespräch mit Bettina, die von Raum und Schwingungen und den Urknall sprach. Meine Gedanken glitten ab und ich dachte über Raum und Zeit und Schwingungen nach. Eine Schwingung ist ein zeitliches und ein räumliches Phänomen. Vor meinem geistigen Auge sah ich eine in einander gewundene Helix von Raum und Zeit, ein Chromosomensatz der Musik.
Manchmal kommt mir etwas in den Kopf und ich suche eine Bestätigung dafür. Also sprach ich Yojiro an, der seines Zeichens ausgebildeter Musiker ist und Klavierstücke, aber auch ganze Orchesterwerke komponiert. Ich fragte ihn also: „Was ist die Realität von Musik?“ Und wie aus der Pistole geschossen antwortete er: „Pure Emotion!“ Ich schaute ihn verwundert an und er erläuterte „Jeder Musiker macht sich über diese Frage Gedanken. Für mich ist Musik pure Emotion. Wenn sie das nicht ist, ist sie schlechte Musik.“
Ich mache mir wohl einfach zu viele Gedanken. Bis mir etwas besseres einfällt, übernehme ich Yojiros Erklärung.
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Ich weiss… dieses Lied kennt jede/r. Aber manchmal muss man trotzdem darauf hinweisen: das ist großartig, auf vielfältige Art und Weise. Eine außergewöhnliche Frau, ein Lied für die Ewigkeit und ein Video voller Schönheit. Ich wollte immer der Mann mit dem Kind im Auge sein. Ich wünschte, Kate hätte mir den Schlüssel durch einen Kuss weiter gegeben. Ich wäre mit ihr den Hügel hoch gerannt. Ich hätte gerne mit ihr den Jig of Life getanzt. Oder die Wolken gejagt. Weil sie eine starke Frau ist. Weil sie ihrem Gegenüber immer auf Augenhöhe begegnet. Weil sie eine Kämpferin ist. Weil sie Mut hat. Weil sie nicht nur schön, sondern so klug ist. Käthe, an Dir wuchs ich.
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Am 9.11.2013 werde ich mit den Herren Bruce Robertson und LeDivo als KIT-Boys das KIT bespielen. Ganz sicher drinnen, ganz sicher im stündlichen Wechsel, ganz sicher mit prima Musik (wohl auch zum Tanzen), ganz sicher ohne Eintritt und höchstwahrscheinlich von 20 bis 2 Uhr. Letzteres werde ich irgendwann nochmals bestätigen.
Im November werde ich Mittwochs (edit) in der Streetart-Galerie „Pretty Portal“ dann die Vinyl-Predigten IV bis VIII halten. Premieren wird es erst mal keine mehr geben. Wahrscheinlich. Hierzu aber auch die nächsten Tage mehr.
Manchmal frage ich mich selbst, was diese Überschriften sollen. Doch die Alternative wäre gewesen: „Veranstaltungen in der KW 42“, was sich ja nicht sonderlich schön liest.
Mittwoch, 16.10. Vinylpredigt VI „But is it Art?“ ab 20 Uhr in meiner Küche. Bei Interesse bitte per Mail kontakten.
Donnerstag, 17.10. Eröffnungsauflegen beim Projekt „Büro der Liebe“ Schwerinstraße 21 ab 17 bis 20 Uhr. Eintritt frei.
Samstag, 19.10. „The lonely KIT Boy Haru Specks“ ab 20 Uhr im KIT-Club: Schallplatten auflegen zum Tanzen und Romanzen leider ohne meine beiden Sidekicks Bruce Robertson und Mayo Velvo. Eintritt frei.
Sonntag, 20.10. Vinyl Predigt III „Die Liebe und der Abgrund“ ab 15 Uhr im „Büro der Liebe“
Da war doch was im August… Genau: einige internationale Musikjournalisten wurden von Michael Wenzel durch die Altstadt geführt und ich bespielte alle mit einem tragbaren Vestax, um dann immer flugs mit Mammut, meinem treuen Transportrad, die nächste Station aufzusuchen.
Der italienische Rolling Stone hat nun seinen Erlebnisaufsatz ins Netz gestellt und ein Abschnitt davon handelt tatsächlich von oben genannten Nachmittag. Hier, was Google Translate daraus gemacht hat. Ich weiß nicht so recht, ob ich wirklich glotzäugig bin…
Wir setzen unsere Tour in der Gesellschaft von Haru Specks, glotzäugige DJ, Kleiddrehbeschleunigungen als einer der Bad Seeds auf einer modifizierten Fahrrad mit einer Menge von Plattenspielern. Sein ist die Aufgabe der Beschallung in jedem Ort, wo wir passieren, eine Wiedergabeliste erstellen speziell für unsere geführten Tour. Die Schönheit der Musik ist, dass es immer wieder Überraschungen, und so wie der Kerl auf den Pedalen reißt, um die nächste Station zu antizipieren, ich der Song, den wir gerade gehört haben, und die Geschichte, dass sie uns gesagt, denken beginnen. Wolfgang Riechmann freigegeben nur ein Album, Wunderbar, im Jahr 1978. Leider wurde er in einer schrecklichen Weise absurd und sechs Wochen getötet, bevor die Platte veröffentlicht wurde: das klassische Verbrechen ohne Motiv. Der DJ spielt Radfahrer Himmelblau, und ich bleibe sehr beeindruckt. Ich will mehr wissen, ich möchte eine Kopie, und von diesem Moment Riechmann eine echte Obsession für unsere ganze Gruppe zu werden. Die eigentliche Soundtrack dieser Reise.
Hier meine Tipps für einen gelungenen Ausgehabend:
Bereite Dich gut vor
Iss leicht verdauliches, Dusche ausgiebig und ziehe Dir etwas bequemes, aber angenehm anzusehendes an. Es ist einfach wunderbar, wenn Menschen ihren Respekt gegenüber ihrer Umwelt durch schöne Kleidung ausdrücken. Vermeide aber bitte das Gegenteil durch Überkandideltes, denn die Tanzfläche ist kein Laufsteg.
Gehe nicht alleine aus
Ausgehen ist kein wöchentliches Pflichtprogramm, sondern die Gelegenheit, die eigene Existenz zu feiern. Du hast die ganze Woche hart gearbeitet, nun lasse etwas Glam zu. Verabrede Dich mit angenehmen Menschen und gehe unterwegs eine Kleinigkeit trinken. Das kann ruhig in einer Eckkneipe oder bei Dir oder jemand anderen zu Hause geschehen. Was zumindest mich etwas traurig stimmt, ist dieses Vorglühen: Man muss nicht mit einer Bierflasche bewaffnet durch die Straßen ziehen.
Vermeide Clubs mit Eintritt
Das musst Du nicht befolgen. Ich persönlich mag es einfach nicht, wenn ich Eintritt zahlen muss. Schrecklich ist auch das zwischenzeitliche Sammeln der sogenannen DJ-Spende. Das ist stillos und erniedrigend.
Sei ruhig der erste auf der Tanzfläche
Du bist als Ausgehender kein Konsument. Also vergiss dieses „ich will aber mit meinen Lieblingslied abgeholt werden“ oder „da müssen mindestens schon 20 Leute auf der Tanzfläche sein, bevor ich aus der Reserve komme“. Wie Roisin Murphy schon bemerkte, ist Ausgehen kein Spaß, sondern manchmal doch harte Arbeit. Als Aufleger kann ich Dir ein Lied davon singen, wie kräfteraubend es ist, sich an einen tanzlahmen Publikum abzuarbeiten. Sei der erste auf der Tanzfläche und der DJ wird Dich lieben. Die anderen auch, weil sie dann endlich tanzen können.
Wer auf der Tanzfläche ist, hat zu tanzen
Es gibt nichts uncooleres, als mit einem Glas in der Hand zu tanzen. Doch, es gibt etwas uncooleres: Menschen, die auf der Tanzfläche rumstehen und quatschen, statt zu tanzen. Verdammt, es geht noch schlimmer: das Smartphone beim Tanzen zu checken.
Männer, die Frauen kennenlernen wollen
Hört bitte auf, offensichtlich notgeil auf die Tanzfläche zu springen und Frauen vollzuquatschen. Du willst wissen, wie es besser läuft? Fordere ein Mädchen höflich zum Tanzen auf. Frauen lieben gute Tänzer mit Manieren. Ach, Du kannst nicht tanzen? Dann übe es. Denn wie mir manch weltoffene Frau verriet, kann man die Fähigkeiten eines Mannes im Bett schon auf der Tanzfläche ablesen.
Frauen, die Männer kennenlernen wollen
Warte nicht darauf, blöd angemacht zu werden. Fordere ruhig interessante Männer zum Tanz auf. Achte dabei darauf, wie er seine Hüften bewegt. Das sagt viel über ihn aus.
Wie man einen Club verlässt
Auf jeden Fall nicht strunze besoffen, das hat keine Würde. Nicke dem Personal lächelnd zu, wenn Du gehst. Das ist eine Kleinigkeit für Dich und eine Freude für das Personal. Und auch der Aufleger freut sich, wenn ihm kurz zugenickt wird. Bitte mache dies erst Recht, wenn Du kein großer Tänzer bist, aber die Musik genossen hast.
Nachtrag in eigener Sache
Musikwünsche
In aller Geduld: ein guter DJ weiß, was er tut. Er liest das Publikum und verführt es zum Tanzen. Ein guter DJ gibt alles, damit die Leute tanzen. Und er liebt Menschen, die als erstes auf die Tanzfläche gehen und auch alles geben. Diesen Menschen erfüllt er auch gerne mal einen Tanzwunsch. Aber bitte vermeide es in einen Club zu gehen und sogleich dem DJ Deine Vorstellungen von guter Tanzmusik unter die Nase zu reiben. Höre ein paar Stücke an, ob Du im richtigen Club bist. Oder tanze einfach mal, auch wenn Du die Musik nicht tausendmal gehört hast.
Vor allem mache nicht folgende Ansagen (alle schon selbst erlebt):
Wann legst Du denn gute Musik auf?
Hast Du auch Musik zum Tanzen?
Gib mir mal das Kabel für den I-Pod. Ich hab da was Tolles!
Kannst Du XY auflegen? Ich muss gleich gehen.
Und besonders an junge Damen: ein guter DJ erfüllt Dir nicht Wünsche, nur weil Du ihm in Deinen Ausschnitt gucken lässt. Das ist entwürdigend. Da hilft dann auch kein wütendes Aufstampfen. Und besonders bei Schallplattenauflegern: wenn er sagt, er habe die Platte nicht dabei, dann lügt er nicht. Warum soll er Schallplatten rumschleppen, die er nicht auflegt?
Und gleich 3x Nein: Du darfst nicht die Platten durchschauen, ob da was gerade für Dich dabei ist. Das Pult ist sein Arbeitsplatz. Bitte respektiere dies. Und stelle bitte keine Getränke auf das Pult: das Zeugs fällt irgendwann um und dann haben wir die Sauerei auf Plattenspielern oder gar im Mischpult.
Genug geschrieben, jetzt wird getanzt.
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Bruce Robertson ist eine Legende. Ein Engländer, der in den 80ern im Radio eine Sendung namens „Nothing but the Blues“ betrieb und 12 Jahre lang im Les Halles definierte, was ein „Funky Friday“ ist. Düsseldorfer Partygängern ist er ein Begriff und gerade Damen bekommen bei der Erwähnung seines Namens ein Glitzern in den Augen. Weil Frauen einfach gerne tanzen und Bruce weiß, diesen nur scheinbar einfachen Wunsch zu erfüllen.
Mayo Velvo nennt sich als DJ LeDivo und ist ein wahrlich wandelndes Musiklexikon. Seine Wohnung ist zum großen Teil mit CDs tapeziert, die freien Stellen werden durch Konzertplakaten und -tickets gefüllt.
Ob Glam, Punk, Chansons, südamerikanische Musik: kaum ein Name ist ihm fremd und zu allem hat er eine Anekdote zu erzählen. Eigentlich könnte man seiner Wohnung einfach ein Schild mit „Museum“ verpassen und Eintritt verlangen.
Diese beiden Herren und ich sind „KIT Boys“. Erst gestern legten wir wieder im KIT auf. Im stündlichen Wechsel, mit verschiedenen Formaten und unterschiedlich gepackten Koffern. Schön war es. Vielen Dank an das KIT, an alle Gäste und an Bruce und LeDivo.
Als Kind der 60er und Sohn eines Fernsehmechanikers kenne ich die alten Showformate: Peter Frankenfeld, Wim Thoelke und all die Haudegen hatten immer ein großes Orchester hinter sich. Und vor dem Orchester stand dann immer ein Mann, der swingend die Musiker dirigierte.
Meine beiden Lieblinge waren Max Greger und Paul Kuhn. Max Greger beeindruckte mich durch sein forsches Saxophonspiel und die dicken Kotelleten, während Paul Kuhn eher der verschmitzte und witzige war.
Es dauerte Jahrzehnte, bis ich die Geschichten hinter diesen Männern erfuhr. Sie stammten eigentlich aus dem dicken, derben Jazz und Max Greger galt als einer der besten Bebop-Saxophonisten. Aber wie so oft mussten sie durch mehr oder weniger anspruchsvolle Gebrauchsmusik die Miete einfahren.
Ich sah Paul Kuhn zwei Mal im kleinen Savoy in Düsseldorf. Jedes Mal hatte er einen Schlagzeuger und einen Bassisten dabei. Also die klassische Trioformation des Jazz. Die Musik, die sie spielten, war nun alles andere als extrem experimentell und trotzdem weit weg von dem „Mann am Klavier“ oder „Es gibt kein Bier auf Hawaii“, mit denen man Paul Kuhn allgemein verbindet. Sein Trademark-Song war Tom Jobims „Wave“ und tatsächlich spielte er es ähnlich leicht und fließend, wie man es vom Original her kannte.
Schon damals wirkte er etwas zittrig und alt halt. Und heute ist er mit 85 Jahren gestorben. Wave goodbye, Paul Kuhn. Ich mag Dich sehr.