Elvis Costello meets the Roots

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Ich war 15 Jahre alt und mit meiner Familie in Italien im Urlaub, als Elvis Costello mit „Accidents Will Happen“ über mich herfiel. Aus irgendeinen Grund saß ich alleine im orangefarbenen Renault 6 meines Vaters, als das Radio den Song spielte. Das Barocke der Melodie, die Ungestümtheit des Spiels, die Klassik von Costellos Stimme wirkte wie ein Zauber auf mich. Ich versuchte den Tönen zu folgen, erahnte aber nicht die nächsten, um dann wieder der Logik zuzustimmen. Ein meisterhaftes Lied und der Grund, warum ich mir das dazugehörige Album „Oliver’s Army“ kaufte.

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Pflichtbewusst kaufte ich Costellos Alben bis in die frühen 90er im Wissen, es mit einem der Singer/Songwriter zu tun zu haben. „Imperial Bedroom“ und davon besonders „Beyond Belief“ brachte mir nochmals den Schauder der ersten Begegnung. Ansonsten war da eher ein Staunen und Verstehen. Ob bei „Shipbuilding“ (welches so großartig von Robert Wyatt interpretiert wurde) oder „Almost Blue“, welches er für Chet Baker schrieb: toll, toll, toll!

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Beim Live Aid wurde er groß angekündigt als jener, der „All You Need Is Love“ der Beatles spielen wolle. Eine für uns damals so hart sein wollenden Leute eine leicht schreckliche Ankündigung, distanzierten wir uns zu jener Zeit gerne von den Fab Four aus Gründen des Punks. Und so war es für uns Deppen eine Lehrstunde in Demut, wie Costello so hippie-esk mit seiner Halbakkustik und sonst bar jeder Begleitung das Lied mit den 60.000 Zuschauern in Wembley anstimmte. Der beste Moment dieser Veranstaltung.

https://youtu.be/DEGuRDQkvrU

Und so kolaborierte Costello mit den Allergrößten: mit Paul McCartney, mit Burt Bacharach und dem Brodsky Quartet. Aber wie nun 2013 eine gemeinsame Scheibe mit ausgerechnet den Roots auf Blue Notes angekündigt wurde, hielt ich dies für einen schlechten Witz. Aber – bei Elvis – ich war wieder kleingeistig. Es ist ein wunderbares Doppelalbum, auf dem zusammenfließt, was zusammengehört. Da ist das großartige Songwriting und Singen Costellos und da ist diese lockere, aber tighte Band. Momente des Glücks, auch wenn die Musikgeschichte nun nicht umgeschrieben werden muss.

Bis auf „Walk Us Uptown„, dem Opener des Albums, gibt es keine offiziellen Videos. Und man scheint von Seiten von Blue Note auch eifersüchtig darauf zu achten, dass keine weiteren Songs im Internet veröffentlicht werden. Insofern musst Du mir halt glauben und „Wise Up Ghost“ einfach so kaufen. Oder digital vorhören. Oder noch besser: im Plattenladen Deines Vertrauens. Aber irgend ein netter Mensch hat einige Liveaufnahmen bei Youtube hochgeladen. Insofern hier „I don’t wanna go to Chelsea“.

https://youtu.be/v5m_LR2U7LA?list=PLx7OzIA-nsBtKLM1CSk4rzUIdZ8BAShxN

Die Abschaffung des Endes

Als Blogschreiber habe ich die wichtigste Regel gebrochen: schreibe regelmäßig und oft. Klappte auch ziemlich lange, doch außerhalb des Blogs ist ein Leben, was fordert und macht und tut und zwingt. Aber wem schreibe ich das? Geht es nicht allen so?

Peter Hein schrieb mal in seiner String of Consciousness-Technik folgende wahren Worte:

Die Geschichte ist langweilig, immer dasselbe
Die Bücher zum Thema sind auch nicht das Gelbe

Diese Zeilen summe ich seit Jahrzehnten in bestimmten Momenten vor mich hin, doch scheinen sie nie so zwingend wie zur Zeit zu sein. Die zweite industrielle Revolution erübrigt nach der Körperkraft immer mehr die Arbeit der Stirn. Hauntology hat einen Lehrstuhl in London erhalten. Der Kreisel in Inception will nicht umfallen und Edward Snowden ist fast vergessen. Mark Fisher wurde kürzlich in einem Interview der Zeit wie folgt zitiert:

… Einen guten Kontakt mit seinen Dämonen zu pflegen kann ein erster Schritt sein, im Weiteren kommt es darauf an, sich als Teil des Problems zu begreifen, nicht als Teil der Lösung, denn die Gespenster, das sind wir. Fisher versteht sein Schreiben als Distanzierungsmaßnahme: Inmitten der Verstrickung, in die der kapitalistische Realismus uns zwingt, ist es von Vorteil, die Lage mit der gebotenen Härte ins Auge zu fassen. Wenn es gegen Depressionen hilft – umso besser.

Wie gut, dass da Pop Group wieder zur Stelle sind. Denn was Ende der 70er wichtig war, ist heute wohl immer noch zwingend.

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Für immer Moebius

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Shel Silverstein

silversteinIm Rahmen einer Ausstellung mit dem Titel „Jewish Vinyl“ erhielt ich die Anfrage, ob ich eine Vinylpredigt zum Thema beisteuern könne. Eine meiner Schwächen besteht darin, dass ich gerne spontan, also aus dem Bauch heraus, Entscheidungen treffe. Also sagte ich stolz ob dieser Aufgabe zu.

Nun bin ich am  Recherchieren und Zusammentragen: welche Musiker/innen sind jüdischer Abstammung? Äußert sich dies in deren Musik oder Texten? Gibt es Lieder über Judentum bzw. Juden?

Vor einiger Zeit hatte ich eine produktive Auseinandersetzung zum Thema „Hippie-Soul“, zu denen ich mitunter Dr. Hook and the Medicine Show zähle. Dabei wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ein gewisser Shel Silverstein viele der Songs von Ihnen schrieb. Irgendwie legte ich das in meinen Kopf ab, ohne weiter darüber nachzudenken.

Wie ich dann vor einigen Tagen wieder an Dr. Hook dachte, stolperte ich über folgendes Video, welches auf dem Hausboot von Shel Silverstein aufgenommen wurde. Er ist der bärtige Glatzkopf, der liegend die Mundharmonika spielt:

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Der Song „Sylvia’s Mother“ begleitet mich den größten Teil meines Lebens. In den 70ern war es eine ernstzunehmende und beliebte Ballade, die ich jedoch damals als zu kitschig wahrnahm. Als ich dann in den 80ern eine Ader für Kitsch entwickelte, hörte ich sie gerne mit dieser gewissen Ironie, zu den unmöglichsten Songs zu stehen. Erst vor rund 10 Jahren jedoch erfasste ich den Text in seinem gesamten Umfang. Ein gestandener Mann telefoniert mit der Mutter von Sylvia, die offensichtlich bis vor Kurzem seine Freundin war. Sylvia scheint noch recht jung zu sein und die Mutter weist desöfteren darauf hin, dass es  ihr ohne ihn besser ginge, dass sie die Stadt verlassen und gar einen Jungen heiraten werde. Der singende Ich-Erzähler scheint ein schrecklicher Jammerlappen zu sein und bettelt ständig darum, sie noch 1x umarmen zu dürfen, sie noch eine Weile halten zu können, ihr Lebewohl sagen zu dürfen. Vor dem Refrain schaltet sich dann jedes Mal „The Operator“ ein, der oder die darauf hinweist, dass die nächsten 3 Minuten Gespräch weitere 40 Cent kosten.

Welch ein kitschiges, humorvolles Drama, was für eine tolle Geschichte der Song beinhaltet. Ich gab also Silverstein bei youtube ein, um einen Auftritt bei der Johnny Cash-Show zu finden. Damit hatte ich nicht gerechnet, dass Silverstein „A Boy Named Sue“ – die Cash-Nummer überhaupt – geschrieben hat. Hier der berühmte Auftritt Cashs im San Quentin-Gefängnis, dem idealen Publikum für diese krude Geschichte:

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Shel Silverstein selbst war auch ein großartiger Entertainer, auch wenn seine Stimme nicht unbedingt zu seinem Äußeren passt. Aber das ihm das Geschichtenerzählen im Blut steckt, ist unüberhörbar. Wer direkt zu seiner Performance springen möchte: ab 2 Minuten 20 Sekunden ist er solo zu sehen und zu hören.

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So, Schluss jetzt. Mehr über ihn vielleicht bei der entsprechenden Vinylpredigt. Over and out.

Was geht sonst noch so?

Wenn die angekündigte Grillfeier doch nicht stattfindet, dann holt man sich mit Jenny Bunny einen dieser Wegwerfgrills (zum ersten Mal, ich schwöre) und grillt die Merguez halt auf dem Friedensplätzchen. Und da ich ahnte, dass das Publikum des Mondiglianis vom Feuerchen nicht begeistert sein würde, machten wir das auf der Ladefläche von Mammut, um dann einfach 50 Meter weiter zu rollen. Würstchen to go, yeah.

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Copyright: Honeyjenny

Fick Dich, Tod!

Niemals aufgeben. Niemals! Nicht, solange ich Zähne zum Beissen, eine Zunge zum Sprechen und Fingernägel zum Kratzen habe. Wenn ich nicht fliegen kann, dann renne ich. Und wenn ich nicht rennen kann, dann gehe ich. Und wenn das nicht mehr geht, dann krieche ich auf allen Vieren und spucke dem Tod in die Augen, auf dass er erblinden soll.

„Wir spielen, bis uns der Tod abholt“ schrieb Kurt Schwitters. Dies sei das Gebot: zu machen und zu tun und zu sprechen und sich mitzuteilen bis zum allerletzten Moment.

Natürlich hat der Tod auch seine guten Seiten. Ich war froh um ihn, als meine Eltern krebszerfressen vor mir lagen und es endlich zu Ende ging. Ich fühlte den Puls meines Vaters und spürte, wie er langsamer wurde und ausblieb. Und ich wußte nicht, ob ich lachen oder heulen sollte. Und so lachte und heulte ich gleichzeitig. Weil es der natürliche Lauf der Dinge ist, dass die Eltern vor den Kindern sterben.

Aber bis zu dem Moment, in dem ich das letzte Mal atme und mein Herz den letzten Schlag macht und ich hoffentlich in die Gesichter meiner Kinder blicken kann, werde ich kämpfen. Weil es mein Leben ist. Weil zu viel sinnlos gestorben wird. Weil es so viel Ungerechtigkeit gibt. Weil der sinnlose Tod ein banaler Skandal ist.

Und so will ich das Beste der Menschen, die um mich gestorben sind, in mir aufbewahren, auf das deren Saat in mir aufgeht. Um der Sinnlosigkeit und der Trauer die Kraft zu nehmen. Und dem Menschen, der mir gegenüber steht die Liebe und den Respekt entgegen zu bringen, die jeder Mensch verdient. Sie sind tot, doch ich lebe. Und ich kann ändern, worunter ich leide. Unbedingt und auf jeden Fall.

Vermibus

Es muss ja nicht immer Musik sein. Deshalb hier ein Video über Vermibus, der mit einer geknackten Bahncard durch Europa tourt, um mit seinen selbstgebastelten Schlüsseln Anzeigetafeln öffnet, um diese zu manipulieren. Einen dreifachen Salut für Vermibus.

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