Tag 12 – Botschaft Mitte

Aufbau oben: im Sitzen.
Aufbau unten: im Stehen.

David Haselhoffs „Looking for Freedom“ ist nicht mehr. Sie zerbrach ganz leicht. Insofern: selbst das Material konnte nichts. Aber der Reihe nach.

Die Nacht war viel zu kurz. Durch den nächtlichen Blogeintrag kam ich irgendwann um 3:30 oder 4:00 Uhr ins Bett und musste um 9:00 Uhr wieder raus, um einen Termin um 11:00 Uhr vorzubereiten.

Ich war so klug, früher als sonst das Haus zu verlassen, um zum heutigen Lokal zu fahren: das schöne Café Botschaft Mitte. Laut Google Maps immerhin 6,6 Kilometer von meinem Zuhause entfernt. Ich wollte jede Hektik vermeiden und somit schön langsam fahren können, um 1224 und den Rest zu schonen.

Vor der Bar Zogel saß Petra und ihr Freund, die schon von weiten winkten. Ich halte kurz an, wir begrüßen uns, die beiden kündigen an, zur Botschaft zu kommen. Wie schön, zumindest 2 Gäste, die ich kenne. Ich tränke das Halstuch in kalten Wasser, was mir in den heißen Tagen schon öfters half. Dann stelle ich im Gespräch mit Petra fest, dass ich fast den falschen Weg zur Botschaft nahm. Kommunikation hilft, ufff.

Vor der Botschaft Mitte erwartete mich schon Robert, der Chef des Henkelmannes, der seit kurzem den Sonntag immer frei nimmt und somit endlich mal erleben konnte, wovon ich ihm hin und wieder erzählte. Und schnell füllen sich zwei Biertische mit Bekannten, während ich den Aufbau mache. Nach 2 Singles jedoch bemerke ich, dass Auflegen im Sitzen nicht geht. Also nochmals Umbau, soll ja schließlich optimal sein.

Haru Specks im Büro

Die Wünsche flutschen und sind schön, ein geschmackssicheres Publikum. Christian kommt wie angekündigt, mit seinen Eltern zu Besuch. Der Vater von Christian ist leitender Angestellter einer Krankenkasse. Er erzählte mir vor Tagen, er wolle ein Plakat von mir an seine Bürotüre als Werbung hängen, was  ich extrem toll finde. Ich bat ihn, ein Foto zu machen. Hier ist es also. Vielen Dank!

Ich plaudere mit den Gästen. Robert wünschte sich von der Plastic Ono Band „Don’t worry, Yoko“, was meiner Ansicht nach kühles Gewimmere und Gejammere ist. Findet das Publikum jedoch nicht. Es leidet. Wir unterhalten uns also über die schlimmen Scheiben der Liste und ich verweise auf David Haselhoffs „Looking for freedom“. Ich weiss nicht, weshalb ich die Scheibe in die Liste aufnahm. Vielleicht aus blöden Dinstinktionsgründen: „ich habe auch dämliche Platten im Programm!“ Auf jeden Fall wurde sie die ersten Tage öfters gewünscht. Beim letzten Auflegen vor einigen Tagen beschloss ich, die Platte lieber zu zerstören, als sie nochmals zu spielen. Das erzählte ich also den Leuten und irgendwie fühlte ich mich von ihnen verstanden.

Jubelfake des Tages. Welch ein wunderbares Publikum.

Mayo kommt auf ein Stündchen, Manfred bleibt ca. 5 Minuten, um auf alle Fälle anwesend gewesen zu sein. Sein Ehrgeiz: die Tour komplett mitzumachen. Komisch, ich würde glatt mal gerne einen Tag zwischendurch frei haben.

Das Wetter war wunderbar, der Kuchen der Hammer. Ein toller Nachmittag und die meisten hatten exzellentes Sitzfleisch. Sehr angenehme Menschen und ich hätte mich zu gerne dazu gesetzt und geplaudert. Geht aber nicht, ich bin ja die menschliche Jukebox und habe ständig etwas zu tun: Wünsche und Geld annehmen, Singles raussuchen, diese auflegen, dann wieder einsortieren. Immer schön aufpassen, welche Seite nun genau gewünscht wurde und Notizen machen, ob die gerade laufende Scheibe gleich nochmals  kommt. Die Wunschzettel werden nummeriert, damit die Reihenfolge gewährleistet ist. Ach, so ein Zeugs halt.

Tod einer Single

Ein Tisch wird relativ spät besetzt und gibt einen Wunschzettel ab. Erster Wunsch: David Haselhoffs „Looking for freedom“. Vor Schreck rufe ich „Nein!“ und die vorderen 2 Tische schauen mich erwartungsvoll an. Ich nehme also die Single und rufe nach hinten: „Sorry, die Haselhoff ist kaputt!“, um sie vor dem kompletten Publikum zu zerbrechen. Es ging ganz einfach. Ich meine, es ist nicht die erste Platte, die ich zerstöre, aber nie war es so einfach. Ich rufe nochmals nach hinten, er hätte einen Wunsch frei. Mayo möchte unbedingt einen Splitter der Single, ich verteile die Teile im Publikum, jemand möchte ein Autogramm darauf. Na, ich musste den Namen in Druckbuchstaben draufmalen, aber das war mein erstes Autogramm als Haru Specks (ist nicht ganz wahr. Vor über 10 Jahren schonmals, aber in einen ganz anderen Zusammenhang). Als Alternativwunsch kam übrigens Chico Buarques „A Banda“. Na warum denn nicht gleich so?

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Georgios und André kamen auch vorbei. Ach, könnte ich doch mehr mit den Leuten quatschen. Manchmal macht es mich glatt ein wenig traurig, fast jeden Tag so großartige Menschen bespielen zu dürfen, aber nicht sprechen zu können. Egal, ich habe eine Mission, da muss ich jetzt durch.

Der Nachmittag flutscht einfach so weg und plötzlich ist es 19 Uhr. Ich baue ab und das Publikum bricht auf. Als ich fertig bin, ist nur noch Armin da. Wir unterhalten uns ein wenig, ich setze mich auf Mammut und reite nach Hause. Zur Feier des Tages hole ich mir eine Portion Nudeln beim indischen Italiener gegenüber und setze mich vor den Rechner, um zu essen. Buah, hatte ich Hunger!

Ein entspannter und schöner Tag. Aber ich fühle mich trotzdem ganz schön erschöpft. Ich werde brav früh zu Bett gehen und treffe mich morgen um 10 Uhr mit Milka zur Meditation. Das soll helfen. Und Abends spiele ich beim singenden Türken Cemo in der Bilker Allee auf. Das wird sicherlich eine Gaudi. Vorbeischauen lohnt: super Essen, prima Musik!

Jede/r, der mit einer Kamera oder Handy auf mich zielte, wurde gezwungen, mir eine Kopie zu senden. Nun habe ich aber Probleme, die Urheber zuzuweisen. Insofern die Namen der Kamerakinder der heutigen Sendung: Armin, Andreas, Mayo, Christian, Carsten und Tina. Euch allen vielen Dank. Die restlichen Bilder stelle ich in Facebook aus.

Stolz

Kein Problem

Ich war soeben auf dem Flohmarkt und habe nur 2 Euro für 2 Platten ausgegeben. Und den wirklich schnuckeligen Dual 140 ließ ich stehen. Ich bin etwas stolz auf mich.

Heute Abend Muggel in Oberkassel. Da die Musik über die Hausanlage gehen soll, mache ich nicht lange rum und nehme einen MKII mit. Ich bin ganz unten mit Adenauer: keine Experimente!

Tag 10 – Eiscafé Adria

Aufbau in der Nische

Meine Wohnung sieht langsam wie das Hinterzimmer eines Wahnsinnigen aus. In der Küche lungern 3 kaputte und 1 einsatzfähiger Plattenspieler samt deren Lautsprecher herum, im Musikzimmer stehen noch die Kisten der 600 Schallplatten und warten darauf, einsortiert zu werden. Die Umstände des Plattenspielerfuhrparks weisen nur eine Möglichkeit auf: der große 1224er muss ran. Und wenn schon, dann auch dieses Mal die dazu gehörenden großen, weißen 2-Weg-Boxen. Zwar schwerer und größer, aber dafür ist der Weg zum Eiscafé Adria nicht allzu weit.

Zwischenzeitlich gleichen die Fahrten mit dem vollbepackten Mammut kleinen Himmelfahrtskommandos. Überhaupt das Fahrrad aufrecht zu halten ist eine Kunst. Im freitagnächmittäglichen Verkehr dann eine Spur wechseln zu wollen und dabei nicht in den Straßenbahnschienen hängen zu bleiben grenzt an Voodoo. Ich versuche, bei all der Huppelei die nächsten 50 Meter vor mir im Auge zu behalten, um Gullydeckel und Schlaglöcher zu umfahren, um diesen „Pateng!“-Effekt zu vermeiden: Mammut macht einen Hüpfer und der Plattenspieler hängt für eine Zehntelsekunde in der Luft, um dann von der Schwerkraft ergriffen auf den darunterliegenden Singlekoffer zu knallen.

Die Eierei klappt und ich stelle Mammut vor dem Adria ab. Das Eiscafé ist hinter einen überdimensionierten Stromkasten versteckt und macht aus der Ferne keinen eleganten Eindruck. Doch vom Nahen zeigt es reizvolle Details: die komplette Frontseite ist verglast, der Bereich des Eisverkaufes kann komplett geöffnet werden. Das ganze macht einen qualitätsvollen 80er-Jahre Eindruck von Aluminium und gealterten Messing. Die Spiegelflächen sind entsprechend verdunkelt, die Tische sind wirklich schwer und massiv (und die Tischflächen auch verspiegelt). Walter, der Besitzer, hat diesen Charme von lässigen Italienern. Er stellt mir einen älteren Herren vor, dessen Funktion oder Beziehung ich nicht erfasse. Er war einfach den ganzen Abend da, saß mal hier, mal dort, vertreibt sich die Zeit auf dem Gehweg.

Wir bauen den Laden etwas um, damit ich die Nische neben dem Eingang besetzen kann. Und tatsächlich bin ich 2 Minuten nach 8 mit dem Aufbau fertig und lege eine Vogelstimmenplatte auf. Walter fragt, wie viele Gäste ich erwarte, was ich natürlich nicht konrekt beantworten kann. Irgend etwas zwischen 2 und 20 vielleicht, was weiss ich? Mein Gefühl hat mich schon zu oft getäuscht bzw. die Realität mich überrascht. Ich nehme mir zwischenzeitlich einfach vor, das beste aus dem gegebenen zu machen.

Ein Mann und zwei Frauen besuchen das Café und haben offensichtlich keine Ahnung über den Abend. Sie scheinen Stammgäste zu sein und witzeln mit dem Walter herrum. Ich drücke ihnen die Listen in die Hand und sie blättern eher lustlos darin herum. Walter wünscht sich Kravitz „It aint over till it’s over“, da betreten 2 Damen das Adria, die ich Nachmittags in der Brunnenstraße sah. Aki von der Süßen Erinnerung verteilte meine Tourpostkarten dem Publikum. Ob sie deswegen kamen konnte ich nicht klären. Sie wünschten sich 6 Titel, die ich nach und nach abspielte.

Es tröpfelte erst, dann schwoll es zu einen Strom an. Bildlich gesprochen, klar. Egal, der Laden füllte sich bis auf den letzten Platz. Nun hatte ich alle Hände voll mit Zettel annehmen, Platten raussuchen und aufräumen zu tun. Die Grüppchen an den Tischen waren unterschiedlichst. Ein Paar erzählte, sie seien zu Besuch und kämen aus Worms und fänden das alles nur großartig. Eine Tischgruppe formierte sich um Olli, Kerstin und Marina. Thorsten kommt auch vorbei. Armin, Manfred und eine SMS meines Vermieters,  wo ich heute wäre. Irgendwie hätte ich mal zählen sollen: 40 – 50 Personen dürften es gewesen sein. Und keine Stammgäste, sondern alles Menschen, die konkret die Jukebox suchten. Ich freue mich innerlich, da ist eine kleine Sonne in meinen Bauch.

Ganz schwierig ist das mit dem Annehmen von weiteren Wünschen. Immer wieder überschlage ich, wie viele ich nun schon angenommen habe und wie lange sie anhalten. Ich komme immer wieder auf 23:30 raus, kann aber nicht einschätzen, wie viele Leute dann noch da sind. So mache ich gegen 22:30 die Durchsage, dass jede/r einen Wunsch anmelden kann, ich werde alle Platten abspielen. Das kann natürlich nach hinten losgehen und ich stehe noch um 1 Uhr hinter dem 1224er. Eifrig werden die Listen nochmals geblättert und Wünsche abgegeben. Und – Oh Wunder, ich greife vorweg – ich spielte den letzten Titel (der immer mein eigener Wunsch ist) um 3 Minuten nach Mitternacht ab.

Hinterköpfe. Oder: die Macht der Bilder.

An  einer Stelle des Abends wurde es… wie soll ich es ausdrücken? – schwierig. Wie es in Südeuropa gang und gäbe ist, lief ein großer Fernseher mit Stabhochsprung drauf. Ich finde das eigentlich nicht schlimm, aber wenn zwischenzeitlich alle gebannt in die Glotze glotzen und „Oooohhh! Aaaahhhh!“ beim Reissen der Stange machen, dann läuft meines Erachtens etwas falsch. Ich frage zwischen 2 Liedern, ob die Musik nicht beim Fernsehen störe und alle so „Nein, wir hören ja zu, kein Problem“. Da reitet mich ein Teufelchen und ich rufe, dass ich das ganze traurig fände. Sie sollten sich doch lieber unterhalten, statt gemeinsam mit offenen Mund die Hälse auszurenken. Glücklicherweise kommt einige Minuten später ein Interview im Fernsehen, was ohne Ton nun wirklich nicht spannend ist. Ich fordere Walter auf, die Kiste abzuschalten, was er tut. Niemand beklagt sich.

Die Stimmung ist super. Niemand springt zwar auf den Tisch und reisst sich die Kleider vom Leibe, aber es brummt regelrecht vor angeregten Gesprächen. Bei Dingern wie Residents „Satisfaction“ merken dann alle auf und leiden gemeinsam am vermeintlichen Krach. Mann will den Namen des Wünschers erfahren und jemand ruft, er würde 5 Euro zahlen, wenn ich das Lied abbrechen würde. Aber da muss man gemeinsam durch. Eine Jukebox hat da keine eigene Meinung und kann sich nicht beeinflussen lassen. Und dieses gemeinsame Durchleiden hat auch etwas verbindendes. Alle sind froh wie Sau, als das Lied dann zu Ende geht.

Schön war auch der extrem ungewöhnliche Wunsch nach der B-Seite von Kriss Kross „Jump“. Als das Lied ertönt, meldet sich die Wünscherin und offenbarte, sie dachte, es wäre Chrstopher Cross. Darauf hin drehe ich die Platte um und spiele die A-Seite. Okay, ich bin doch nicht unbestechlich wie eine Maschine.

Das Getränk des Abends war Skorpito oder so ähnlich: Zitroneneis, Sekt und noch irgendwas in Tumblern (heissen die kleinen, dicken Gläser so?). Macht einen verwegenen Eindruck und ist schön zu schlappern. Kurz nach Mitternacht wird der Abend beendet, alles erhebt sich. Während ich zusammenbaue, verabschieden sich alle und überall im Raume. Viele trafen sich nach langer Zeit wieder, es wurden Querverbindungen zwischen einzelnen Freundesgruppen geklärt und irgendwie scheint die Verbundenheit unter den Menschen größer als zu Anfang des Abends zu sein. Und genau darin liegt die eigentliche Bedeutung in der Magie von Musik: Gemeinsamkeiten statt Trennendes zu erspüren, sich zusammen an Liedern wie „Mein Name ist Nobody“ oder „Ain’t no Sunshine“ zu erfreuen.

Mein Freund Mammut und ich vor dem ehemaligen West-LB-Dingens

Heute Abend ist der linksrheinische Termin im Muggel. Ich wage keine Prognosen, doch es wird ganz sicher interessant. Und Natasa feiert ihren Geburtstag dort mit ihren Gästen. An dieser Stelle herzlichst alles Gute, liebe Natasa. Glück und Gesundheit für das nächste Jahr!

PS: es wurde einiges fotografiert und ich hoffe, ich kann später noch einige Bilder nachträglich einpflegen. Vielen Dank!

Nachtrag: 2 neue Bilder, beide von Thomas S., dafür vielen Dank. Und auf Facebook gibt es ein kleines Album dazu. Ach so, If you like it, then like it.

1224 HS 130

Ist er nicht süß?

Kurzer Zwischenbericht von der Plattenspielerfront. Nina bot mir ihr altes Schätzchen an. Heute holte ich es ab. Wie ich es sah, machte es gleich Boing. Auch ein 1224, aber… so langsam checke ich es, mit anderen Verstärker und kleineren Chasis.

Behutsam hüllte ich das Baby in eine Wolldecke, das ganze in einen Karton, mit einem frischgekauften Spanner fixierte ich es auf Mammut. Dann fuhr ich es wie ein rohes Ei nach Hause.

Als ich es dann genau studierte, fällt mir ein Cinchkabel auf, welches aus dem Chasis ragt. Egal, ich schließe die Boxen des großen 1224 an, die ja auch Weiß sind und lege die zwischenzeitlich amtliche Probesingle „Stoned to the Bone“ von James Brown auf. Komisch, beim Einschalten knackt nur ein Lautsprecher, als ich Volume aufdrehe, brummt nur der Linke. Kann es sein, dass der eingebaute Verstärker umgangen wurde und das Cinchkabel eine andere Anlage fütterte? Da werde ich wohl Yuki konsultieren müssen, wenn der mir nicht langsam den Kopf abreisst.

Quad. II !!!

Aber… bitte schau Dir die Einstellungsmöglichkeiten an. Stereo, klar. Volumeschalter ziehen: Mono. Und… Quadro, Mann! Ich habe hier 3 oder 4 Quadroscheiben rumfahren. Und was ist wohl Quadro II? Ein fremdartiges, exotisches Wunderding. HS 130: irgendwie musst Du in Gang gebracht werden.

Tag 9 – Levent

Ein eigenartiger Tag war der Donnerstag. A., ein alter Freund, kam zum Kaffee vorbei und wir zeigten uns in alter Manier unsere Wunden, die das Leben halt so schlägt, um aber gleich darauf über alles zu lachen. Wobei das Lachen gestern schwerer fiel.

Dann besuchte mich J. und wir besprachen ein wichtiges Projekt, welches seit Monaten in der Entstehung ist und nun schnell fertig werden muss. Der existierende Druck, der da nun auf mich während der Tourphase auf mich lastet, macht mich nicht gerade fröhlicher.

Doch dann geschah etwas wunderbares am Nachmittag. Ich mag es nicht erzählen, aber andeuten, um nicht den Eindruck zu machen, ich wäre gestern den ganzen Tag unglücklich durch die Gegend gestolpert.

Dual 1224, der eigentlich neue Star im Hause Haru Specks, kam nicht auf das Fahrrad Mammut gestern. Ich wollte für das Levent den Ball flach halten, eine Bauchentscheidung. Ich war wieder einmal spät dran, so dass ich eine der extrem ausgeleierten Gummiflitschen in der Wohnung vergaß. Ich wollte nicht den vollgepackten Mammut unbeaufsichtigt auf der Straße lassen, zurrte also alles mit der einen fest. Es war eine einzige Wackelei auf dem Weg und ich spürte jede kleinste Unebenheit wie ein Faustschlag. Mit der einen Hand versuchte ich den Kram am Rutschen zu hindern, mit der anderen lenkte ich Dank Diaprojektorständer quer aufgeschnallt alles durch die Lücken dieser Welt.

Das Levent hatten wir vor Jahren als „Bilk gewinnt“ in einen Hinterzimmer monatelang bespielt, doch irgendwie traute sich so gut wie niemand in den Laden. Ja, es ist eine Schwulenbar und auch noch nicht mal eine schicke. Ja, die Ausstattung ist eher fragwürdig. Ja, die Klosteine stinken durch den ganzen Laden. Aber man kann hier ohne Befürchtung aufdrehen und laute Musik machen, was eigentlich ausreichen sollte. Aber ich schweife ab. Nur noch so viel: in Hamburg oder Berlin hätte „Bilk gewinnt“ sicherlich eingeschlagen.

Als David Lynchs Location-Scout

Im Levent sitzen eine Hand voll Männer vorne an der Theke und diskutieren irgendwas. Ich bemerke wieder einmal, wie viele Vorurteile ich im Kopf habe. Schwule Männer sind nicht immer exotisch, kreativ und geschmackvoll, sondern mitunter einfach sehr spießig. Ich baue im hinteren Teil des Ladens, gegenüber den Sofas, alles auf, da erscheint auch schon Manfred, der jeden Abend dabei war. Es kam zum im vorherigen Artikel beschriebenen Achsenunglück mit dem 1210, der aber glücklicherweise schnell behoben war. Egal, ich schwitzte wie ein Affe im Anzug, aber die Schau muss weiter gehen.

Mit Listen, Wunschzetteln und Stiften gehe ich zu den Männern an der Theke und spreche sie laut und deutlich mit „meine Herren!“ an. Die meisten der Herren scheinen nicht richtig zu verstehen, was der Popanz soll, da doch der Computer an der Theke kostenfrei Eurotrash durch den Laden scheppert. Zwei der Männer scheinen doch Lust zu haben und füllen Zettel aus.

Manfred war schneller, so dass ich seine 5 Wünsche spielte. Da ist doch einer der Herren glatt etwas unzufrieden, wann denn end-lich sein OMD käme. Ich erläutere ihm, wie eine Warteschlange funktioniert und er geht zurück an seinen Platz.

David, die extrem junge Bedienung, bringt mir im 10-Minuten-Takt Wasser aus dem Hahn (nach der Zogel-Nacht fühlte ich mich etwas angeschlagen) und den einen oder anderen Wunschzettel. Der Kontakt mit dem Publikum war eigentlich keiner. David holte den Herren auch Zigaretten aus dem Automat, was ich seit den 80ern in alten Gasthäusern nicht mehr erlebte. Ich stellte mich mit Händen hinter dem Rücken und breitbeinig hinter den Plattenspieler und versuchte, gute Mine zum Spiel zu liefern.

Da hauchte 1210 in der Auslaufrille von „Zauberstab“ sein Leben aus. Ich ging auf die Herren zu und erläuterte das Problem: Auszahlen der fehlenden Lieder oder Ersatzplattenspieler holen. Scheinbar war ihnen alles egal, so dass mich ein doofer Ehrgeiz ritt: ich radelte schnell Heim, brachte 1210 nach oben und holte 1224 runter. Wieder zurück, aufgebaut und weiter gemacht. Doch der richtige Impuls, da ein junges, spanisches Pärchen erschien, welches schon im Ohme am Markt dabei war und eine Tourliste von mir in der Hand hielt. Ich dankte und gratulierte ihnen zu ihren Mut und erläuterte in einigen Sätzen, dass sie auf alle Fälle bei der Pechmarie dabei sein müssen. Sie wählten erstaunlich geschmackssicheres aus (endlich mal Robert Hawley!), nippten an ihren Alt und unterhielten sich auf spanisch. Das Leben ist mitunter doch ein David Lynch-Film.

Dann um 23 Uhr waren die Wünsche ausgespielt. Ich ging nochmals auf die Herren zu, die entweder schon wünschten, oder zu betrunken waren, mein Anliegen zu verstehen. Also baute ich alles ab, klaute dem Laden noch 2 Meter Boxenkabel, um alles auf Mammut festzuzurren, da radelt Mayo an. Wir quatschten noch eine Zigarette lang und er fuhr zum Galapagoz, der anderen Schwulenbar, die auf dem Tourzettel steht, aber irgendwie ein anderer Laden als das Levent ist. Ich drücke es so aus: ich freue mich sehr auf das Galapagoz.

Eine Erfahrung reicher. Ich danke dem Levent für die Gelegenheit und verweise auf das Eiscafé Adria heute Abend, das Hauke und ich vor einigen Jahren zur Lauschdiele machten. Das Eis und der Kaffee dort sind super, die Musik auch. Versprochen!

Ich verlor einen Kameraden – In Gedenken an Dual 1210

Kleiner, tapferer 1210

Wir trafen uns auf dem Flohmarkt Aachener Platz. Er lag unter dem Tisch eines nordafrikanischen Herren, der 30 Euro für seine Freilassung verlangte. Ich bot ihm alles an, was ich hatte: 22,35 Euro. Der Herr nahm das Geld an und ich 1210 mit.

Zu Hause stellte ich fest, dass 1210 im Koma lag. Ich übergab ihn Yuki, der heilende Hände besitzt. Er kümmerte sich um 1210 und brachte ihn mir 2 Wochen später wieder. An dieser Stelle meinen tiefen Dank an Yuki.

Ich ging nicht eben zimperlich mit 1210 um. Schon am ersten Tag brach die Armhalterung ab. Dann löste sich die silberne, runde Verkleidung um die Achse. Und eben jene Achse verlor ich einige Tage später. Der Elac, der die Vorpremiere schon nicht mehr erlebte, gab ihm seine. Am letzten Sonntag schien ich dann auch diese Achse verloren zu haben, so dass ich im Ohme am Markt mit einen Kaminstreichholz improvisierte, was 2 Abende lang funktionierte.

1210 im harten Jukebox-Einsatz | Foto: Orson G. Rich

Nachdem gestern der 1224 sich als etwas umständlich in der Feuertaufe erwies, griff ich heute wieder auf 1210 zurück. Vorsorglich nahm ich die Achse des 1224 mit. Beim Aufbau bemerkte ich dann, dass der Geschwindigkeitsregler (33/45) hakte. Ich öffnete den Leib von 1210 und fand die Achse des Elacs. Sie schien die ganze Zeit im 1210 verklemmt gewesen zu sein. Mit Mühe schlossen Manfred und ich 1210 wieder und ich legte wie gewohnt auf ihn auf. Nach einer Stunde dann, ausgerechnet bei Zazas „Zauberstab“ (Listennummer 250, also die letzte Single) vermisste ich in der Auslaufrille sein gewohntes Brummen. Ich dachte erst, das Lautsprecherkabel habe einen Wackler und ich wackelte und wackelte – doch 1210 gab keinen Laut mehr von sich.

Ich weiss nicht, ob Yuki nochmals 1210 wiederbeleben kann. Ich habe kaum Hoffnung. Vielen Dank für die vielen Stunden, die Du brav auf Mono Platten gespielt hast. Vielen Dank, dass Du all diese ruckeligen Fahrten mitgemacht hast. Wir hören uns in einer anderen Welt wieder.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Tag 8 – Bar Zogel

Aufbau Zogel
Man beachte: ZWEI Lautsprecher

Ich fuhr zum Anbieter des Dual 1224, um die Boxen  des Plattenspielers abzuholen. Er händigte mir beide aus, gab mir wegen des fehlenden Kanals die Hälfte des Kaufpreises zurück und merkte nebenbei an, dass bei einer Box ein Kabel fehlte. Das wäre wieder eine Gelegenheit gewesen, irgendwie sauer zu sein, egal.

Kurze Zwischenpause in der Süßen Erinnerung, in der ungewohnte Hektik herrscht: Aufbau und Fotoshooting. Da setzt sich Rolf B. neben mich, streicht mir kurz zärtlich über die Schulter und fragt, wie es mir ginge. Ich verweise auf meine letzten Abende, er weiß von nichts. Also berichte ich von der menschlichen Jukebox und er ist begeistert. Wir machen aus, dass die menschliche Jukebox im September in den neuen Räumen der Vaseline aufspielen wird.

Aufbruch zu Hifi Knopf. Wie geht es dem Dual 1224? Herr Knopf führt mich in die Werkstatt, da liegt der Patient geöffnet auf dem Tisch. Der Meister, der ihn verpflegt, meint, alles sei nun in Ordnung. Der Dual wird zusammengesetzt, ich lege die Testplatte auf (James Brown „Stoned to the bone“), eine Box wird angeschlossen und: ein Kanal fehlt. Wir schauen uns nervös an. Während der Meister den Dual weiter checkt, unterhalten Herr Knopf und ich uns über Udo Lindenberg, James Last und Ernst Mosch. Ich fühle mich pudelwohl in der Werkstatt. Es riecht nach Lötzinn und Männer sitzen hochkonzentriert an teuren Geräten. Mein Vater war Rundfunkmechaniker und ich saß viele Stunden in solchen Räumen und spielte Mäuschen.

Eine Stunde lang wurde das Problem eingekreist. Letzte Diagnose: das System muss ausgetauscht werden. Sämtliche Transistoren sind schon neu, alle Kabel durchgeklingelt. Herrje! Herr Knopf und ich stellen fest, dass wir beide ein schlechtes Gewissen haben. Er, weil es nicht funktioniert. Ich, weil ich einen Festpreis löhnte, der längst ein Minus in den Geschäftsbüchern des Ladens verzeichnen muss. Wir machen aus, dass wir beide sofort aufhören, ein schlechtes Gewissen zu haben. Ein freundlicher Mensch, der Herr Knopf. Der Meister will nach seinen Krankenhausaufenthalt ein neues System mitbringen und schließt die Kanäle auf Mono, damit beide Boxen ein Signal senden.

Foto: Octavia Schoplick

Und wieder zu spät dran. Ich esse hastig, checke, ob ich alles habe (der Dual 1224 ist schwerer und größer als der 1210er, zudem brauche ich nun 2 zusätzliche Boxen. Ich nehme die des Elacs, die kleiner sind als die Originalboxen des 1224), wähle zur Wand des Zogels den roten Anzug und packe alles auf mein Fahrrad namens Mammut. Da es gerade regnet, fitzele ich eine große, aufgerissene Plastiktüte über alles.

Bei all den Hindernissen erscheint mir der Regen folgerichtig. Ich komme an und dort sitzen Nina und Karl und ihr Baby Johan. Ein schöner Anblick, der mich innerlich sofort etwas aufrichtet. Petra, die im Zogel arbeitet, hat heute frei und ist als Gast da. Weitere Gesichter kenne ich vom Sehen.

Mit der netten Bedienung baue ich das Zogel um, um die schöne Wand beim Auflegen hinter mir zu wissen. Es war alles ein wenig mühselig und umständlich. In der Hektik habe ich einiges nicht bedacht. Dass der 1224 eben viel schwerer ist und den Diaprojektorständer gefährlich ins Schwanken bringt. Dass ich nun zusätzliche Stellfläche für die 2 Boxen brauche. Und überhaupt war ich ein wenig aufgeregt.

Wunderbares Zogel (Foto Octavia Schoplick)

Ein Herr an der Theke deutet an, er müsse bald gehen und füllt als erstes einen Wunschzettel aus (er blieb bis 23 Uhr, haha). Karl und Nina und Johan setzen sich ans Fenster mir gegenüber, was mich sehr freut. Ich fühle mich gut aufgehoben. Die zweite Single jedoch (Grauzones „Eisbär“) springt und hängt und macht schreckliche Sachen. Ich habe die Befürchtung, dass der 1224 nicht fit ist, zu sensibel für die schon derbe gerockten Singles. Also fingere ich am Antiskating und dem Gewicht rum, doch Eisbär will nicht. Herrje, ich habe eine Horrorvision, die sich jedoch nicht als wahr herausstellt. Es ist nur die Eisbär-Single die offensichtlich hinüber ist.

Dann überschlagen sich die Ereignisse. Octavia, ihres Zeichens Fotografin, kommt mit ihrer Kamera. Sie liest eifrig diesen Blog und wusste von meinen Wunsch, hier Fotos zu machen. Und wie sie Fotos machte. Mich eitlen Sack störte nur, dass durch den Regen und der Hektik meine Haare diese blöde Stirnlocke machen.

Thorsten kommt, wie auch Katja, Franz, Manfred und Armin. Zudem viele, die ich vom Sehen kannte. Ein Zettel nach dem anderen wird ausgefüllt. Die Leute sitzen um mich herum und feiern immer mehr. Ab ca. 23 Uhr dann Tanz, wiederholter Jubel nach der einen oder anderen Single (Heldin des Abends: Shannons „Let the music play“. Danach gab es tatsächlich Applaus). Ab Mitternacht vergessen wir die Wunschzettel und ich lege tanzbares auf. Alle scheinen besoffen vor lauter Freude und Drinks zu sein.

Foto: Octavia Schoplick

Gegen Halbeins ist dann alles am Gehen, ich baue meinen Kram ab und räume mit der Bedienung den Laden wieder auf. Wir trinken noch einen Absacker, hören Tom Jobim und ich radele dann gegen 1:30 ganz schön angeschickert, aber extrem vorsichtig, Mammut Richtung Bilk. Die Polizeistreife, die Autos anhält, grüße ich etwas zu herzlich, die will aber zum Glück nichts von mir wissen. Und dann passiert es vor der Haustüre, als ich Mammut abstellen wollte: das gute Fahrrad ist halt doch zu schwer, ich kann nicht anders, als es langsam und kontrolliert umfallen zu lassen. Ein wenig wundere ich mich über die betrunkenen Passanten, die einfach vorbei laufen. Warum kein Interesse an anderen Menschen? Ich würde Hilfe anbieten.

Also trage ich alles rein und hoch in den zweiten Stock. Was-für-ein-Abend! Der erste außerhalb Bilks und solch eine wunderbare Stimmung. Ich bin auf das Levent heute gespannt. Das wird sicherlich hart, aber herzlich.

PS: Gerade kommen die Fotos von Octavia rein. Eine Auswahl werde ich gleich bei Facebook einstellen.

Tag 7 – Concorde

Im Anzug zum Concorde auf der Konkordiastraße, den Ärger mit strammen Tritte in die Pedale Mammuts abzustrampeln zu versuchen, ohne die wertvolle Last allzusehr zu beanspruchen. Hey, der Satz war nicht einfach zu schreiben.

Vor dem Concorde einige Gäste, im Concorde schreckliche Leere. Leere? Ich meinte ein Vakuum, das nur durch die Bedienung durchbrochen wurde. Ein Herr, der wohl zumindest Mitbesitzer ist, sitzt am Laptop und hackt vor sich hin. Ich stelle mich beiläufig vor, man gibt mir alle Freiheit, ich baue auf. Neben dem Eingang, um zur Not schnell rauszuhüpfen, um eine Kippe zu rauchen.

Zum ersten Male: Straßenmarketing

Kurz nach 20 Uhr erscheint Manfred. Der jeden Abend schaffte. Er macht mir ein etwas schlüpfriges Angebot. Ich solle 4 Lieder auswählen, als letztes wolle er Les Rita Mitsouko mit dem Burner „C’est comme ca“. ich wähle unter anderem die Nummer 001 (Your smile is a diamond von irgendwas mit „A“) aus. Die Platten spielen durch, der Besitzer wünscht sich die B-Seite von der Gainsbourg und legt 1 Euro hin. 50 Cent zu viel. Nachdem die Songs rum sind, wähle ich eigenmächtig die Pretenders mit „Don’t get me wrong“, dann Vögelgezwitscher. Manfred meint, er wolle mich nicht hängen lassen und wählt nochmals 5 Songs aus, die er auch bezahlt. Ich lege sie auf. Da kommt Christian gewohnt locker, um auch gleich ein Zettelchen auszufüllen. Es liegt ein wenig ein Hauch von „kommen nicht mehr?“ in der Luft. Ich will es nicht so spannend machen: Mayo traf ein, wir bauten dann die Schießbude vor dem Fenster neu auf und öffneten jenes, um den Sound auch vor die Türe zu tragen. Ich komme auf so etwas gar nicht, es war der Vorschlag des Besitzers.

Hervorragender Jubelfake

2 junge Damen essen vor dem Lokal und studieren dabei die Liste. Armin schaut vorbei, wie auch Claudi und Andreas. Irgendwie haben wir nun eine kleine Party am Laufen. Claudi und Andreas schunkeln hier und da gekonnt, Füße wippen, Finger schnalzen. Auch Marina lässt sich blicken, aber es fehlt irgendwie an Schwungmasse. Zuerst kommt der Besitzer und fordert mich auf, das Fenster zu schließen. Nachbarn. Eigentlich ahnte ich es. Dann sind um 23 Uhr alle weg. Ich packe zusammen und freue mich über treue Freunde. Und hoffe auf mehr Fremde. Heute Abend. In der Bar Zogel.

Drama, Baby!

Aus dem Ruhestand zurückgeholt: der brave 1210er

Okay, ich fuhr durch Düsseldorf, um den Dual 1224 abzuholen. Der gute Mann vergaß leider die Boxen bzw ich deutete gestern an, sie nicht zu brauchen, ahnte aber nicht, dass ich den Dual bei seiner Arbeitstelle abhole. Also morgen nochmals hin.

Ich rase also so schnell es mit dem Dual vorne auf Mammut geht nach Hause und schließe erwartungsvoll 2 andere Boxen an. Ein Kanal geht nicht im Stereo-Modus, Mono klingt es auch nicht berauschend. Meine Halsschlagader pochte wild. Ich nehme das gute Ding also mit zu Hifi-Knopf um die Ecke und beknie Herrn Knopf, heilende Hände auf das Gerät zu legen. Wir gehen zur Werkstatt, der Azubi macht den 1224 auf, klingelt (misst) die Sicherungen durch. Eine ist kaputt. Austauschen und testen: immer noch fehlt ein Kanal. Der Chef persönlich geht ran, klingelt das Teil durch. Diagnose: das Teil wurde mal überlastet und so. Da macht es „Fatz!“ und Herr Knopf zum Azubi: „war das Teil am Netz?“ Azubi: „Öh, ja.“ Ich ahne Schlimmes: Kurzschluss, Endstufe voll hinüber, richtig geahnt.

Herr Knopf bietet mir an, kostenlos das Teil wieder soweit herzustellen, wie es vorher war. Also mit einem Kanal. Ich so: „Wie lange und wieviel, damit das Baby komplett in Ordnung ist?“ Er so: „Morgen Nachmittag, 100 Euro“. Hier bitte irgend einen extrem schlimmen Fluch vorstellen. Ich kann das nicht schreiben, vielleicht lesen ja Kinder mit.

Nun gut. Zwar habe ich momentan keinen Plan, wie ich die 100 Euro bis Morgen zusammentragen soll, aber ich gab Herrn Knopf grünes Licht, den 1224 fit zu machen. Ich brauche das Teil, ich will das Teil, Herrje!

Insofern bitte keinen doofen Spruch heute Abend, wenn ich wieder mit meinen eigentlich schon ausrangierten 1210er da stehe. Wollen wir es wie Lee Scratch Perry sehen: „Mono, cause only one Jah“ oder so.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Tag 6 – Ohme am Markt

Aufbau Ohme am Markt. Goodbye, Dual 1210!

Mission Plattenspieler. Den Vormittag fuhr ich kreuz und quer durch Düsseldorf, um einen zu finden. Ich fand ja so einiges obskures, aber nicht das gewünschte. So dehnte ich meine Suche auf das Internet aus und tatsächlich: auf einer Seite finde ich ihn. Dual 1224. Ich telefoniere mit dem Anbieter und mache mit ihm aus, die Maschine am Dienstag abzuholen.

Apropos abholen: ich holte die Postkarten mit den Tourdaten bei der Druckerei ab. Den Leuten immerzu Plakate aufzunötigen hat seinen Reiz, doch der ist irgendwann abgebaut bzw. die Plakate verteilt. Einige der Exemplare lege ich in den Geschäften von Freunden aus. Ach, neue Wunschzettel ließ ich auch drucken und schneiden. Die eigenen sahen ja wie mit der Nagelschere geschnitten aus.

Um 19:30 fuhr ich also Mammut zum Ohme am Markt. Bisher die weiteste Strecke und das Gepäck schaukelte gefährlich in und her. Größtes Handicap ist dabei der Diaprojektorständer, der mich fast 2 Meter breit macht. Scheinbar geht man stillschweigend davon aus, Fahrräder dürften nicht breiter als eine Postkarte sein. Zumindest parken viele Autos entsprechend. Ach, da muss sich noch einiges ändern.

Im Ohme am Markt fällt mir auf, dass ich die letzten Tage falsche Infos verbreitete. Es gibt dort nicht Füchsen vom Fass, sondern Uerige. Und Tannenzäpfchen aus der Flasche. Was mir als Badener wichtig ist.
Das Ohme ist groß und hat 2 Räume. Der vordere Bereich ist für Raucher und die Tische sind fast alle gut besetzt. In der Mitte des Raumes ist eine leider störende Säule, die Sicht und Sound schluckt. Mit Cornelia, der Besitzerin, mache ich aus, dass ich die Schießbude neben der Theke aufbaue. Und beim Aufbau bleibt mir dann fast das Herz stehen: Durch die rumpelnde Fahrerei löst sich der Plattenspieler langsam auf und verliert immer mehr an Teilen. Die Armhalterung ist nicht mehr existent und zum zweiten Male verlor ich die Achse, diesen Stift in der Mitte. Aber ohne Stift keine Zentrierung, was das Auflegen nicht nur extrem verlangsamt, sondern die meisten Platten auch fürchterlich eiern lässt.
Getoppt wird das ganze dadurch, dass es scheinbar kein einziges Verlängerungskabel im Ohme gibt. Cornelia erläutert, dass vor kurzen renoviert worden sei und die Handwerker scheinbar alles mitnahmen. So telefonierte Cornelia nach einer Kabeltrommel, während ich die Theke nach einem Stiftersatz untersuche.

Ein Kaminstreichholz rettete den Abend.

Kugelschreiber und Bleistifte sind ein klein wenig zu dick. Selbst wenn man einen Bleistift in den Teller rammt kann man den Puck nur noch mühsam rausfitzeln. Und ca. 10% der Singles haben ein kleines Loch, brauchen also keinen Puck. Ich finde Kaminstreichhölzer, die ich eigentlich immer extrem affig fand, mir aber jetzt die Rettung bringen. Die Lösung siehe Foto. Ein Stift muss nicht rund sein.

Cornelia drückt mir eine Kabeltrommel in die Hand und ich lege den Plattenspieler an das Stromnetz. Der Plattenspieler gibt keinen Mucks von sich. Andere Steckdose: auch nichts. Der Kellner verweist mich auf eine dritte Steckdose. Funktioniert. Uff, was kann schon noch passieren?

Das gestellte Jubelbild des Abends. Sorry, meine Gäste sind in echt viel schöner und eloquenter.

An einen Tisch sitzen 3 junge Damen und ein junger Herr, die offensichtlich nicht zu den Stammgästen zählen. Ich verteile Listen an sie und nach und nach kommen weitere Leute auf mich zu, um Wünsche auszuwählen. Man erkennt sie daran, dass sie noch keine weiße Haare haben. Cornelia gibt den ersten Wunschzettel ab. Ich bin etwas irritiert, da es sich nur um B-Seiten handelt und frage bei  ihr nach, aber es habe seine Richtigkeit.

Tisch 4 macht schon nach 2 Liedern Schwierigkeiten. Einer der Herren kommt auf mich zu und meint, die Musik wäre kaum bei ihnen zu hören. Naja, da liegt halt die Säule dazwischen. Ich justiere den Lautsprecher in ihre Richtung und mache lauter. Da kommt dann die Cornelia und meint, ich möge leiser machen, da es Tisch 4 zu laut sei. Und überhaupt wären das halt alte Menschen, die das nicht abkönnten. Ich ziehe meine inneren Augenbrauen hoch und mache etwas leiser, justiere den Lautsprecher in eine andere Richtung. Aber was soll ich machen? Die Hives in 3,5 Watt reichen aus, um ältere Herren in den Wahnsinn zu treiben. Die Herren von Tisch 4 gehen einer nach dem anderen mit bösen Blick in meine Richtung nach Hause.Ich muss an die 60er denken. So war das damals, als die Jugend und das Establishment aufeinander prallten. Ahhh… süßer Duft der Geschichte!

Olli ist ein Mann von Welt. Und seine nette Freundin heisst Kerstin. Tschulle!

Es kommen immer mehr, um der Jukebox zu lauschen. Mitunter waren 5 oder 6 Tische mit Wünschenden besetzt. Die Lieder, die ich auflegte, scheinen alle extrem kurz zu sein und ich kann ständig meine vorweg ausgegebenen Annahmestopp widerrufen.

Und so hielt mein kleiner Dual-Kamerad doch noch tapfer durch. Heute hole ich seinen großen Bruder. Aber der 1210 wird immer einen Platz in meinen Herzen haben. Heute lege ich übrigens ab 20 Uhr im Concorde in Unterbilk auf. Wahrscheinlich in Stereo und mit glasklaren Sound. Hören wir uns?