Tag 27 – Bar Chérie

Aufbau Bar Chérie

Schöner Gedanke am Montag: ich habe eine 5-Tage-Woche vor mir. Ich beobachte an mir, dass ich das Touren viellecht bald vermissen könnte. Verrückte Welt.

Ich muss mir mal selbst wieder etwas kochen. Als Nachkriegskind habe ich etwas Vorratshaltung von Muttern gelernt und suche den Schrank ab. Olivenöl, Hartweizennudeln, gestoßener Chillie, frischer Knoblauch, Oregano, Sardellen, eine Flasche Tomatenpaste und eine Dose ganze Tomaten, Kapern, ein Glas Oliven, etwas Parmesan und Balsamessig ergibt? Putanesca, die Königin unter den Saucen. Es fehlt zwar strenggenommen breitblättrige Petersilie, aber heute nehme ich es nicht so genau.

Diese Art des Kochens schaffe ich zwischenzeitlich nebenbei. Wenn erst mal alles geschnippelt und in der Pfanne ist, muss man nur noch ab und an das ganze wenden und gut ist. Geduld ist dabei eigentlich das wichtigste.

Wie geplant sind es rund 4 Portionen. Eine Portion wird sofort gegessen, der Rest kommt in den Kühlschrank. In 5 Minuten hat man so ein feuriges, leckeres Essen zubereitet. Putanesca macht mich glücklich.

Aufräumen ist endlich mal  angesagt. Und das nachtragen der Wunschzettel der letzten 5 Tage. Und Wäsche waschen und Bett abziehen und Haushaltsdingers halt, wie das jeder Mensch ab und an zu tun hat. Aufgrund der Schmerzen im Rücken bewege ich mich eher langsam durch meine Wohnung. Jetzt noch einen Bandscheibenvorfalldingens fehlt mir gerade noch.

So tropft der Nachmittag dahin. Um 19 Uhr packe ich Mammut und fahre kurz in der Brunnenstraße vorbei. In der Süßen Erinnerung sind Aki und Raphael zugegen und ich gönne mir einen Apfelkuchen mit Nüssen. Sehr zu empfehlen. In der Videotheke ärgere ich mich ein wenig, weil ich zwar die Hülle, aber nicht den DVD dabei habe. Okay, dann halt mi Überziehungsgebühren am nächsten Tag regeln.

Super Bild in der Bar Chérie

Und dann geht es auch schon in die Altstadt. Mammut und ich fahren ungern durch dieses Gebiet. Der Boden ist holperig, die Menschen schwanken gefährlich hin und her. Es ist ein Geduldsspiel mit all dem Gepäck sich durch die Massen zu zwängen.

Mumpi schmeisst die Bar Chérie. Er ist ein schlaksiger Kerl mit rapselkurzen Haaren und einigen Bildern auf der Haut. Man könnte sich ein wenig vor ihm fürchten, wenn man mit diesen Symbolen sofort Gewalt assoziiert. Doch Mumpi ist ein ganz netter, lieber und aufmerksamer Mensch.

Vor der Bar ist es gut gefüllt, in der Bar leer. Mumpi gibt mir freie Hand beim Aufbau und ich räume Tische und Stühle um und werfe die Kabel quer durch den Raum. Draussen sitzen einige Menschen, die ich von facebook, der Kassette oder einfach vom Ausgehen her kenne. Ich verweise auf eine relativ kurze Aufbauphase und werkel weiter.

In der Bar setzen sich 4 Herren in die Ecke und feixen erwartungsvoll. Ihnen reiche ich zuerst die Listen und Wunschzettel und sie berichten, dass sie die Jukebox seit dem RP-Artikel beobachten und nun endlich mal kommen können. So etwas freut mich natürlich sehr zu hören. Sie diskutieren, wie eine coole Wunschliste zu gestalten ist und ich verteile vor der Bar weitere Listen.

Kleiner Freundeskreis

Nummern der Wunschzettel aus dem Koffer ziehen, die Singles in der richtigen Reihenfolge stapeln, Platten wechseln, Ingwer-Tee trinken, kurz vor die Türe zum Rauchen: Jukebox-Alltag ein wenig. Aber immer mit Variationen. Vor die Jukebox setzt sich eine Frau mit ihrer Tochter. Sie erblickt 1224 und hält sich die Fäuste vor den Mund. Sie scheint total gerührt zu sein, was sie da sieht. Sie sagt zu ihrer Tochter: „Hast Du sowas schon mal gesehen? Das ist ein Plattenspieler!“ Ich bin tatsächlich geschockt und kann es gar nicht glauben, dass es Menschen über 10 Jahre gibt, die noch nie einen Dual erblickten. Die Dame sucht sich 3 Titel aus: Kate Bushs „The man with the child in his eyes“, Led Zepelins „Black dog“ und Dickies „Nights in white satin“. Ich mache sie darauf aufmerksam, dass es sich bei den Dickies um eine Punkband handelt und das bearbeitete Lied nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem Original hat. Aber das ist ihr egal. So ist es recht!

Thomas, der fleißige Fotograf, kommt mit seinem Freundeskreis an und der kränkelnde Mayo gesellt sich dazu. Sie stehen in der Mitte des Raumes und basteln Listen bzw. feiern Lieder ab. Ähnlich wie in der Sennhütte am Sonntag ist es gemütlich-familiär: man ruft sich durch den Laden zu und skandiert „Bra-vo! Bra—Vo!“ zu besonderen Singles.

Besagte Mutter kommt dann 20 Minuten vor Mitternacht zu mir und flüstert mir zu, dass ihre Tochter Punkt 12 Geburtstag habe. Ob ich nicht 2 vor 12 „Black dog“ auflegen könne. Ihre Tochter hasse das Lied zwar, aber das sei ihr egal. Ich finde, das ist eine prima Erziehungseinstellung und stimme eifrig zu.

Karla tanzt mit ihrer Mutter in den 23. Geburtstag

Kurz vor 12 rufe ich dann in den Raum, dass wir ein Geburtstagskind anwesend haben und fordere alle auf, ein Geburtstagslied zu singen. Das tun wir auch lauthals. Dann lege ich „Black dog“ auf und Mutter und Tochter tanzen dazu. Ein wunderbar obskurer Moment war das und wir grinsen uns alle gegenseitig an.

Ich will mein 60-Lieder-Programm auf alle Fälle voll bekommen und läute eine weitere Wunschrunde ein, da ich vorher alle auf 3 Lieder beschränkte. Und – Zackzack – lagen die Wünsche vor mir. Die 4 Herren am Ende des Raumes haben den ganzen Abend gefeiert und sind vorzüglich drauf. Als sie dann gehen, erhalte ich ein wahrlich fürstliches Trinkgeld von ihnen. Bedankt, die Herren!

Am Ende hilft man mir noch dankenswerterweise beim Abbau, nach 10 Minuten ist alles eingeholt und verpackt auf Mammut. Thomas versucht sich im Fotografieren beim Start, ich kehre aber um, um mit den noch Anwesenden zu plaudern. Herrje, Gastronomie-Volk ist ein trinkfreudiges Volk und so gegen 1:30 Uhr erst kann ich mich losreissen und nach Hause mit Mammut fahren. Der Dienstag findet in der Bar Alexandra statt. Ich muss nur die Treppen runterstolpern und die nächste Türe nehmen. Mammut kann sich ausruhen. Ich nicht 😉

Die letzte Tourwoche der menschlichen Jukebox

Die letzte Tourwoche der menschlichen Jukebox

Es ist Montag und ich habe noch 5 Abende vor mir. 5 Abende, eine richtig normale Arbeitswoche also.

Ich mobilisiere nochmals alles an Kraft und Saft in mir und möchte die folgenden Abende zutiefst genießen. Sollen viele Menschen zusammen kommen und Musik und vielleicht ein Stück ihres Lebens teilen. Ist gar nicht so schwer.

Hier noch einige Details zu den anstehenden Terminen.

Bar Chérie heute Abend von 20 Uhr bis Mitternacht. Die Bar hat auch leckeres wie Flammkuchen zum Essen, der Laden selbst ist überschaubar gemütlich. Mal schauen, ob wieder alle vor der Türe wegen der Hitze stehen werden.

Morgen, am  Dienstag zur selben Uhrzeit die Bar Alexandra. Leicht mondäne Einrichtung, ein großes Arsenal an Cocktails. Hier könnte man einen Tuxedo tragen, wenn man einen hätte. Mal schauen, was die Garderobe für mich bereit hält. Da die Bar unmittelbar an meine Wohnung grenzt, ist es quasi ein Heimspiel für mich. Vorfreude!

Das Shabby Chic am Mittwoch in der Nähe des Medienhafens ist ein großes Hinterhof-Restaurant. Ich habe selbst noch keine Vorstellung vom Abend und freue mich gerade über diesen Blackbox-Termin.

Zum Ugly deluxe am Donnerstag verabredeten sich scheinbar schon einige Dutzend Menschen. Es droht voll zu werden. Also früh kommen und wünschen, bevor Tränen kullern.

Das Damen + Herren am Freitag bildet den Abschluss und somit auch eine Klammer um die Tour, weil hier alles begann. Spielte ich am ersten Tag noch auf dem 1210er Kofferplattenspieler, ist es nun ein 1224er mit 4 Boxen. Möge der 1224er also die Woche gut überstehen, dann gibt es am Freitag einen guten Raumklang.

Wer eine Kamera besitzt und gerne Bilder macht und diese gerne mit Nennung des Namens teilt, sei herzlich eingeladen, diese mitzubringen und zu nutzen. Vielen Dank bis hierhin an alle Geschäftsführer und Angestellte, Gäste und Wünschende. Und bis bald!

Tag 26 – Sennhütte

Aufbau Sennhütte

Ich schlief ja am Samstag bei „The Grey“ mit Liam Neeson ein. Seit Wochen freute ich mich auf den Film. Offensichtlich eine Jack-London-Geschichte. Männer in der Wildniss kämpfen um das nackte Überleben. Der alte Mann, der eigentlich sterben wollte, versucht alle aus der Kacke zu ziehen. Sowas kann ich gerade gut zur Erbauung gebrauchen. Ich will zwar nicht sterben, ich befinde mich nicht in der Wildnis, ich muss keine Gruppe anführen, aber das mit dem alten Mann und kämpfen sprach mich sehr an. So setzte ich mich gleich nach dem Aufstehen hin und sah mir die zweite Hälfte an. Ein guter Streifen, keine Frage. Neeson ist klasse, der Rest auch. Drehbuch, Kamera, alles Bingo. Es gab leider nur nicht das typische Happy End, nach dem mir heute Morgen eigentlich war. Trotzdem meine Empfehlung für alle, die geglückte Wiederbelebungen uralter Geschichten mögen.

Es tritt langsam etwas Routine in mein Tourleben. Der Dual läuft wie eine 1, mit Mammut habe ich mich arrangiert, in meinen Taschen schleppe ich Folie für schlechtes Wetter, mehrere Mehrfachsteckdosen, ein langes Verlängerungskabel und andere Utensilien für den Notfall mit. Die Erkältung scheint größtenteils überwunden. Die letzten beiden Tage war ich auch im Alkoholkonsum sehr brav. Was bleibt, ist eine bleierne Müdigkeit. Meine Fahrt zur Sennhütte schien nie mehr enden zu wollen. Jeder Tritt in die Pedale war mühsam und Düsseldorf schien nur noch aus Anhöhen zu bestehen. Im Lendenbereich habe ich durch die Schlepperei die letzten Tage derbe Verspannungen eingefangen. Alles zieht und schmerzt. Dadurch fehlt mir mitunter die Kraft, wirklich Freude bei meinen Unternehmungen zu entwickeln. Dies waren meine Gedanken heute bei meiner Meditationsrunde. Ich beschloss, trotz Müdigkeit Genuss zu empfinden. Ein hohles Abspulen bringt niemanden etwas. Mein Entschluss wurde auch schnell auf die Probe gestellt.

Das Wetter war schon auf der Fahrt leicht bäbäh. Ich spannte eine Folie über das Material, um es vor Feuchtigkeit zu schützen. In der Sennhütte angekommen besprachen wir gleich den Aufbau. Unten soll er stattfinden. Stefan hilft mir beim Schleppen der Sachen auf die Terrasse. Ich überlegte mir einen 4-eckigen Aufbau der Boxen und begann Tische rumzuräumen und Kabel auszulegen. Da begann es zu regnen. Dann zu gießen. Dann zu schütten. Also wieder alles eingepackt und hochgetragen.

Jamaikanische Hängung. Das ist übrigens nullstens Abwertend gemeint.

Oben überlege ich mir eine jamaikanische Hängung. Mit Band sicherte ich die Canton-Boxen und hängte sie an die Riegel der Fenster. Dabei musste ich leider hier und da Gäste umherscheuchen. Die Kabel versuchte ich dann über Lampen und einen einsamen Haken an der Theke entlang zu führen. Als ich endlich fertig war, war tatsächlich schon 17 Uhr. Ich verteilte die Listen schnell und kam mit einem Herren ins Gespräch, der auf meiner Straße ein Lokal führte. Er war vom Golden Brown Quartett und deren „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ begeistert war. Die fehlte in seiner Obskuritätensammlung. Ich bot ihm an, sie vielleicht nach der Tour gegen eine Single von ihm einzutauschen, da mein Herz nicht soooo daran hängt. Er wollte sich darüber Gedanken machen und wünschte sich also das Lied, welches zum ersten Male gespielt wurde.

Übrigens habe ich die Nadel von 2024 umgedreht und es herrschte ein exzellenter Klang. Das meist junge Volk experimentierte frei bei ihrer Auswahl und barg dadurch manch obskures zu Tage. Wie zB die B-Seite von Bennys „Bin wieder frei“ namens „Ich sitz auf einer Kokosnuss“, was offensichtlich ein Rip-Off von „Love is in the air“ ist, welches ich ihnen danach zum Vergleich vorspielen konnte.

Wie oft spielte sich aber das eigentliche Leben vor der Türe ab. Eine der Besitzerinnen hatte ihr junges Kleinkind dabei und ich durfte es auf den Arm nehmen. Sorry, da  werde ich halt sentimental, wenn ich ein Baby trage, welches noch im tiefen Flaschenalter ist. Später machten wir auf meinen Wunsch ein paar Fotos, wie ich mit dem Mädchen hinter dem Plattenspieler posiere. So familiär war heute die Stimmung.

Alle wünschten drauf los. Ich beschloss, 60 Titel anzunehmen. 59 waren schnell zusammen, der letzte kam erst, als ich mit dem Wunschstapel fast durch war. Es war Malcolm McLaren, eine schön aufgeblasene Klassik-Pop-Nummer.

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Als  meinen Wunsch legte ich den Marquis of Kensington auf, dann half mir Andreas beim zusammen packen. Caroline bot mir an, das Equipment mit dem Auto zu fahren, was ich dankbar annahm. Eine Pizza wurde gemeinsam gegessen und etwas geplaudert. Dann schnell der Blog geschrieben.

Die Sennhütte ist eine großartige Beize, wie man das in meiner Heimat nennen würde. Gute Getränkeauswahl, super kernige Küche, entspannte Preise. Der Laden ist klein und somit schnell voll. Hier geht Tuchfühlung ab. Der Ton ist direkt, aber herzlich. Ich habe mich sofort in die Sennhütte verknallt und wohl gefühlt.

Morgen die Bar Cherie gegenüber dem Q-Stall. Ich hatte beim Vorgespräch das Gefühl, es könnte ein interessanter Abend werden. Aber ich will nicht schon wieder die Realität mit meinen Vorstellungen versauen. Ich lasse mich überraschen und bin offen für alles, was da kommen mag. Bis morgen!

Tag 25 – Café St. Martin

Aufbau am Fenster

Thorsten und ich fuhren zu Mario ins Enuma, um eine Portion Nudeln zum Frühstück zu essen. Mario ist bester Dinge, doch Antonio, sein Koch, hat Samstags frei. Wir trinken eine Tasse Kaffee und Mario und Thorsten sind gleich in einen Fußball-Fachgespräch. Doch da der Hunger groß ist, ziehen wir weiter. Zum Olio.

Wir sind ziemlich  früh dran und wählen einen Tisch im freien aus. Annette und ich tauschen einige Worte aus, sie plant dann mit den beiden anderen Jungs an ihren Tisch weiter. Thorsten und ich bestellen uns je eine Portion Spaghetti Vongole und plaudern verschlafen vor uns her. Der Himmel zieht sich immer mehr zu, es beginnt zu tröpfeln, die rießigen Sonnenschirme werden entfaltet. Das war eine schöne Szene: wie auf einen Segelschiff kurbeln 3 Mitarbeiter des Olios an jeweils einen Schirm im Wettstreit und es knatterte leicht im Wind, als ob es sich um Segeltuch handeln würde (könnte ja glatt sein).
Es regnet ein wenig, dann scheint wieder die Sonne. Wir malen uns aus, dass ein Sensor die Schirme zum Auf- und Zuklappen bestimmt und bei einen unbeständigen Wetter wie jetzt es nur noch „Flapp-Flapp!“ macht. Durch den Sog zieht es Menschen in die Schirme, die nie wiedergesehen werden. Tati hätte seinen Spaß an diesen Gedanken gehabt.

Familiärer Jubel-Fake

Thorsten hat Nachmittags viel zu tun. Das erste Fortuna-Spiel steht an und dann ist er auf eine Feier eingeladen. Ich fahre zur Kassette, um meine Schießbude für das Café St. Martin abzuholen. Tobias und Kim wirbeln schon fleißig in ihrem Laden, ich frage, ob sie eine Plane für mich hätten, da es geradezu nach Regen riecht. Tobias findet vom Streichen noch eine Packung Abdeckfolie, die ich über die Transportlast Mammuts befestige. Ich verabschiede mich und fahre los.

Irgendwie habe ich die Entfernung zwischen Kassette und Café St. Martin völlig unterschätzt. Ich brauchte fast eine halbe Stunde nach Unterbilk. Michael, der Besitzer des Cafés, steht in der Türe und begrüßt mich. Wir sprechen den Aufbau durch: neben der Türe der Dual samt Singles, in den Ecken der kleinen Terrasse die Boxen. Wir befestigen die Kabel an der Markise und ich lege die erste Platte auf. Doch die Windböen sind so heftig,  dass es mir die Nadel von der Platte reisst. Also nochmals abbauen und den Plattenspieler im Laden aufbauen. Ich stehe direkt an der Frontscheibe und sehe so die Gäste, die sich draussen unterhalten. Fast hat es etwas von einer Versuchsanordnung, die ich durch die große Scheibe beobachte.

Roberts E-Bike

Es ist eine gemütliche Runde und die Gäste haben großen Spaß, sich ihre Lieder auszuwählen und zu lauschen. Im Café selbst sitzt eine Dame den ganzen Nachmittag lang. Sie meinte, sie wollte längst gehen, aber die Musik würde sie festhalten. Robert, der Henkelmann, ist mit seinem Show-Bike da, Armin bringt sein neu erworbenes  Fahrrad  mit und zeigt es stolz. Susanne kommt, um ihren Mann zu treffen. Andreas setzt sich auch dazu. Michael, der Besitzer, macht mir einen fantastischen Salat, der die Lebensgeister in mir neu entfacht. Eine Mutter mit ihren Kindern freut sich auf Michael Jackson, eine Dame wünscht sich „Wouldn’t it be nice“ der Beach Boys, um lauthals mitzusingen.

Michaels Café St. Martin geht fast ein wenig in der Kurve an der Kirche unter, so klein und süß ist sein Lokal. Hier existiert nicht diese Hochdampf-Express-Bedienungs-Einstellung. Es wird in aller Ruhe guter Kaffee und nahrhaftes zum Essen angeboten. Eile tut hier keinesfalls gut. Michael ist ein Meister der Entschleunigung, von dem man einiges lernen kann.

Armin hat auch endlich ein Fahrrad

Zum Schluss darf sich jeder noch einen Titel wünschen. Nun ist es fast 20 Uhr und Andreas und ich bauen gemeinsam ab, fahren alles zu mir und tragen es rein. Ich nahm mir zum Ziel, den Blog für die Kassette noch zu schreiben. Da ich sehr müde war, motivierte ich mich, indem ich mir einen Video zur Belohnung holte, um jenen zu sehen, wenn der Blog fertig geschrieben ist: „The Grey“ mit Liam Neeson. Doch beim Anschauen schlafe ich mitten drinn erschöpft ein. Aber es gibt ja noch einen Sonntag. Ab 16 Uhr in der Sennhütte.

Tag 24 – Kassette

Aufbau am offenen Fenster

Katja verordnete mir in der Pechmarie eine strenge Wodka-Kur, um die Erkältung endlich in den Griff zu bekommen. Vorsorglich stellte ich den Wecker ab, um auszuschlafen. Und tatsächlich wachte ich am Freitag beschwerdefrei auf, nur geringe Kopfschmerzen. Die Uhr zeigte 12:30. Verdammt, ich hatte doch einen Friseurtermin um 12:00 Uhr. Ich rufe Pascal an und entschuldige mich. Dann setzte ich mich an den Rechner und tippte meine Pechmarie-Beichte.

Kühles Shirt eines Bekannten, den ich vor der Süßen Erinnerung traf.

Ich kaufte eine Sonnenblume im Topf und brachte sie Pascal vorbei, dann ging ich kurz zur Süßen Erinnerung. Werner von „natürlich natürlich“ erinnerte mich zum Glück daran, dass ich ein Brot bestellte. Rein in die Tasche und nach Unterbilk geradelt, um Petra und danach Robert zu besuchen. Robert machte mir eine Portion „armer Ritter“, die ich gierig verschlang. Danach ritt ich zurück nach Hause, um ein wenig mehr zu meditieren, wie die Tage zuvor. Durch meinen Kopf wirrten hunderter kleiner Eindrücke der letzten Woche. Für September gibt es genug zu reflektieren…

Mammut bepackt und zur Flügelstraße gefahren. Kim und Tobias werkelten in der Kassette umher. Wir besprachen den Aufbau und die beiden halfen auch fleissig mit. Relativ pünktlich waren wir fertig und die ersten Gäste tröpfelten herein. Das Tropfen verdichtete sich und ziemlich schnell war die Kassette sowohl innen, wie auch vor der Türe gut besucht. Ich stand an den großen, geöffneten Fenstern, so dass ich mich hinaus lehnen und ab und an ein paar Züge gönnen konnte, da die Kassette rauchfrei ist. Die Gästeschar war sehr interessant und bunt zusammen gewürfelt und ähnlich verhielt es sich mit den Wünschen. Die Luft war schwül und warm drinnen, weshalb die Leute draussen gar nicht daran dachten, herein zu kommen. Da goß es endlich und die Kassette füllte sich nun wirklich und richtig. Alle Plätze besetzt und viele standen in Gruppen umher. Eine regelrechte Wohnzimmer-Athmosphäre herrschte. Ich musste den Dual ganz schön aufdrehen, um gegen die Gesprächskulisse anzukommen.

Gut ein Drittel der Anwesenden waren wiederholt Gäste der Jukebox und die einzelnen Gruppen lernen sich scheinbar immer besser kennen. Thomas brachte wieder seine Kamera mit und machte unentwegt Bilder und kurze Filmchen. Ich hatte auch meinen Spaß, das Fetenvolk in der Kassette zu knipsen. Es  wurde getrunken, geplaudert und gelacht. Manche aufgelegte Scheibe rief Reaktionen hervor. Bei „Everybody got to learn sometimes“ tanzten 2 Paare mit Körperkontakt, der eine oder andere Titel wurde gar beklatscht. Jemand wünschte sich Ultravox! und „Young Savages“, ein roher, großartiger Punktrack, welcher einige Leute begeisterte. Was das sei, wurde gefragt. Ich rief „Das waren Ultravox! in den 70ern, bevor sie Midge Ure kaputt gemacht hat“. Verwunderte Begeisterung bei manchen, andere sind empört ob meiner Midge Ure-Behauptung.

Der brennende Dornbusch

Bei Brian Eno und „Backwater“ hüpfe ich freudig umher. Einfach ein prima Stück gute Laune, das mich bewegt, wenn ich es höre. Ich drehe mich um und erblicke auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Auto mit dem Nummernschild „E-NO XXX“. Ich sehe einen brennenden Dornbusch! Sofort schnappe ich mir die Knipse und fotografiere.

Ich nuckelte Wodka-Lemon, um die letzten Reste Erkältung zu behandeln und machte so  meine kleinen Moves zur Musik, die zum großen Teil flott gewählt ist. Dann fordere ich die Gäste zu einem Jubel-Fake-Foto auf und alle machten sofort mit. Ein wunderbarer Moment. Thomas steht mit seiner Kamera neben mir und strahlt: „Ich habe das alles gefilmt“. Wir grinsen uns beide glücklich an und freuen uns ob des Augenblicks, der sich wie eine glückliche Familienzusammenknuft anfühlt.

Jubel-Fake

Und wie ich wieder mal kurz auf die Straße blicke, kommt von links ein blaues Fahrzeug des Ordnungsamtes daher. Tobias sagte vor einigen Minuten zu mir, ich solle die Fenster schließen. Wir machten aus, dass ich noch kurz die Zigarette zu Ende rauche. Doch ich schaffte keine 3 Züge. Sofort drehte ich mich um und halbierte die Lautstärke dann machte ich seelenruhig die Fenster zu. Der Wagen hält an und heraus kommen zwei durch ihre schützende Kleidung und sonstige Ausrüstung etwas bullig wirkende Personen. Sie schreiten Richtung Eingangstüre der Kassette, bleiben stehen, wechseln ein paar Worte und gehen zurück zu ihren Wagen und fahren wieder fort. Das war knapp.

Olli tanzt nur für mich

Wie war das? Ich spielte sämtliche Scheiben und achtete nicht so genau auf die Uhr. Ich war zwar hundemüde, aber auch angesteckt von den Menschen hier, die eine gute Zeit verbrachten und dabei Musik hörten, die sie sich aussuchten. Irgendwann, längst nach Mitternacht, spielte ich meinen eigenen Wunsch und somit letzte Single des Abends dann die Titelmelodie von Raumschiff Orion, die bisher auf der Tour ungehört blieb.

Es waren so viel bekannte und befreundete Gesichter hier, ich fange erst gar nicht an aufzuzählen, um niemanden bei der Aufzählung zu vergessen. Beim Abbau wurde kräftig mit angepackt und relativ schnell war alles auf einen Haufen. Tobias lud mich und Thorsten zu einen Wodka-Absager ein, der dann noch wiederholt wurde. Wir plauderten mit Tobias und Kim über den gelungenen Abend.

Die Kassette ist ein prima persönlicher Laden, der geradezu geeignet ist, Menschen kennen zu lernen. Alles ist bequem, der Laden ist liebevoll eingerichet , mit einem Hang zur Willkür. Das nimmt der Kassette widerum das perfekt-langweilige gestylte Innere so vieler Lokale heutzutage.

Regen vor der Kassette

Heute Abend konnte ich endlich mal die Anlage stehen lassen. Die Kassette sei ab 13:30 Uhr wegen des Fortuna-Spieles besetzt. Ein bequemes Zeitfenster, um alles abzuholen. Es geht nach Hause, ich falle todmüde ins Bett.

Tag 23 – Pechmarie

Der Aufbau in der Pechmarie. Kein Fall für Klaustrophobiker.

Der Abend in der Pechmarie war ein voller Erfolg. Und trotzdem: ich habe ganz schön gegen meine eigenen Regeln verstoßen. Wenn man es wohlwollend ausdrücken wollte, dann würde man sagen, ich habe geschummelt. Hart ausgedrückt kann man auch behaupten, ich habe beschissen. Aber der Reihe nach.

Wie immer die erste Tat am Tage: Espresso aufstelle, selbigen trinken und den Blog schreiben. Dann sammelte ich das Kleinpfand auf dem Balkon zusammen, welches von XXX übrig blieb und trug es zu Kaisers. Vom Erlös kaufte ich mir ein Baguette und einen Camenbert, was in der Süßen Erinnerung mein Frühstück bildete. Zum Milchkaffee plauderte ich mit den dort Anwesenden, vor allem mit Susanne, die den Käsegeruch tapfer ertrug.

Ein Care-Paket aus Berlin. Danke Dir, Pat!

Im Briefkasten steckte ein kleines Päckchen von meinen langjährigen Freund Patrick, der seit Jahren in Berlin lebt. Die Form ließ auf Singles vermuten und tatsächlich waren 6 unterschiedlichste Platten und eine wunderbare Postkarte der B 52’s mit einigen herzlichen Worten drinn. Ich freute mich wie an Weihnachten!

Um 15 Uhr traf ich Jens, mit dem ich ein Projekt besprach, was ich endlich vollenden muss. Wir machten aus, dass ich zuerst die Tour beende, um mich dann endlich um die Vollendung einer Homepage zu kümmern. Ich bin sehr froh, dass Jens Verständnis hat.

Und dann war schon wieder Zeit, um Mammut zu packen und durch die Stadt zu radeln. Der neue Gepäckträger ist zwar stabil, aber zu klein und im falschen Winkel. Wenn ich beide Canton-Boxen hinten drauf schnalle, bilden sie einen schrägen Turm, der mir im Rücken hängt und mich vom Sattel drängt. Also versuchte ich, einen der beiden Boxen ganz vorne auf Mammut zu platzieren, was optisch wie ein Rammbock wirkte, aber den Schwerpunkt niedrig hält, was beim zu transportierenden Gewicht extrem wichtig ist.

Die Fahrt zur Pechmarie führt einem quer durch Düsseldorf. Ich hatte schon Befürchtungen, durch die längere Packzeit zu spät zu kommen, doch Katja begrüßte mich mit den Worten „Du bist ja pünktlich!“. Ich: „Echt?“. Sie: „Höchstens ein paar Minuten verspätet.“

Zuerst besprach ich den Aufbau mit Katja, dann mit Franz. Meine Vorstellung vom quadratischen Boxenaufbau konnte nicht realisiert werden, so dass ich die Boxen mit Franz auf der Theke verteilte. Das ging recht flugs, so dass ich dann auch schnell die Listen an die schon Anwesenden verteilte.

Katja, das tanzende Thekenwunder

Katja trommelte seit Tagen für diesen Abend und stimmte alle auf das Thema „Tanzen“ ein. Auch ich habe auf meiner Pinnwand darauf hingewiesen, dass jeder 1 Tanzwunsch abgeben möge. Auch vor Ort beschwor ich jeden, den ich sprechen konnte. Doch die Listen nahmen ihren eigenen Weg und auf meinen Tisch landeten leider recht viele Wünsche in Richtung Nick Cave, Kate Bush und Bob Dylan (und: Residents!). Wo es ging, sprach ich die Wünschenden darauf an und eigentlich alle zeigten mehr oder weniger Verständnis und änderten ihre Wunschlisten. Schon mal suboptimal.

Einige der Gäste scharrten erwartungsvoll mit ihren Tanzfüßen, doch der Abend war noch zu jung. Sehr viele gute Bekannte und Freunde schlugen auf: Carina und Heribert und Michael und Thorsten und Manfred und Armin und Raphael und Nele und, und, und… Ein intensiver Austausch ist mir beim Auflegen leider nicht möglich, aber wo es ging, versuchte ich einige Worte zu wechseln.

Tanz

Vor mir lag ein Haufen Wünsche und immer mehr Tanzunfreudiges kam zutage, während nun in der Pechmarie das Tanzen zaghaft begann. Was tun, was tun, was tun? Ich konnte nicht die ganze Zeit durch den Laden laufen und rausbekommen, wer sich nun Neil Youngs „Heart of Gold“ wünschte und ich fasste einen Entschluss: ich überspringe die langsamen Titel, um bei Beschwerden entweder das Jukeboxgeld zurück zu erstatten oder eine Tanzalternative anzunehmen. Wohl fühlte ich mich dabei tatsächlich nicht. Verdammt, jede Entscheidung hat Nachteile: entweder die große Tanzbande auflaufen lassen oder die Untanzwilligen enttäuschen. Weisst Du was? Ich hasse Dilemmas (auch wenn ich in einer Band gleichen Namens in den 80ern mitspielte). Egal wie, ich musste jemanden enttäuschen.

Ein wahrer Glamshot von Johannes

Und tatsächlich begannen Diskussionen mit manchem. Warum ich denn nicht die Listen geändert hätte (weil der Aufwand für einen Abend viel zu groß gewesen wäre)? Man könnte doch auf alles tanzen (aber nicht alle können auf alles tanzen), etc. Ich verwies darauf, dass dies ein Prozess sei und ich es das nächste Mal cleverer angehen würde. Trotz allem konnte ich leider nicht jeden zufrieden stellen.

Freunde und gute Bekannte

Doch ich ging tatsächlich noch einen Schritt weiter: als gegen Mitternacht alle Wünsche gespielt waren, legte ich keine Vogelstimmen, sondern nach eigenen Gusto auf. Eigentlich hätte ich alle Anwesenden auffordern müssen, nun weiter zu wünschen. Doch der Alkoholpegel war bei manchen schon recht hoch und ich wollte Diskussionen vermeiden. Franz bemerkte meinen Schwindel und rief gerade bei erfolgreichen Stücken mir immer wieder „Wahnsinn, was sich die Leute alles tolles wünschen“ zu. Es war sicherlich nett gemeint, doch ich empfand es ein wenig wie das Bohren in einer offenen Wunde.

Vor mir selbst rechtfertigte ich mich etwas hilflos mit Paracelsus: wer heilt, hat Recht. Jemand schlug vor, die Liste zukünftig in grobe Genres wie „Tanzbar, Langsam“ etc. aufzuteilen, was eine gute Idee ist. Mal schauen.

Die meisten bekamen von diesen moralischen Kampf nichts mit und ab spätestens Mitternacht wurde ausgiebig getanzt. Als Schallplattenaufleger genoß ich die Grobheit des Events: keine Übergänge, kein tightes Mixen, sondern so schnell wie möglich die nächste Single aufgeworfen und gestartet. Und trotzdem gibt es durch die Wahl der Songs Möglichkeiten der Dramaturgie. War die Stimmung bei Specials‘ „Gangsters“ schon großartig, flippten die Leute beim nachkommenden „Walls are tumbling down“ von Style Council förmlich aus.

Um 1 Uhr beschloss ich den Abend mit meinen Wunsch „Night Time“ der Nomads. Ein Drecksstück von einem 80er-Jahre Garagetrack. Hannes hat ein nettes Bild meiner eigenen Reaktion geschossen.

Anschließend Gespräche mit einigen Anwesenden. Manche gingen unerwartet tief und ich bedauere dann die meist späte Stunde, da mir jedes Mal noch der Abbau, das Packen von Mammut und die Heimfahrt bevorsteht. Thorsten half mir bei allem und um 1:45 Uhr standen wir vor der Pechmarie und quatschten in einer lockeren Runde weiter. Irgendwie wollte niemand nach Hause. Die Nacht war lau und die Stimmung hoch.

Ich verabschiedete mich bei Farit, Franz und Katja, die mir zum Abschied eine Beteiligung in die Hand drückte, was mich sehr, sehr, sehr freute. Dies war das zweite Mal während der Tour, was ich Katja erzählte, die es nicht glauben konnte.

Mammut nimmt Fahrt auf

Endlich bestiegen Thorsten und ich unsere Räder. Hannes wollte ein Abschlussfoto von mir auf Mammut machen und ich holte mit Mammut aus, um so schnell wie möglich an der Pechmarie die Anhöhe zu nehmen. Wir riefen allen ein „Tschüss!“ zu und glitten über die nächtlichen Straßen. Mammut ist ein 40-Tonner und wenn er einmal in Fahrt ist, ist er fast nicht mehr zu stoppen.

Thorsten half mir noch beim Hereintragen des Materials und verabschiedete sich dann. Ich saß noch lange aufgewühlt da.

Heute lege ich in der Kassette auf. Ich nehme mir vor, ab sofort ohne Erwartungen die menschliche Jukebox zu geben. John Cage starb vor hundert Jahren. Was geschieht, geschieht. Und ist auch gut so. Egal, ob getanzt wird, oder nicht.

Die Herren Polizei auf der Brunnenstraße

He fought the law. But the law won.

Das Teilstück Brunnenstraße vor dem Bilker Bahnhof ist etwas besonderes. Vor Jahren nannte man sie „die Kö Bilks“. Zwischenzeitlich ist es ein Sammelsurium an kleinen Läden mit Nischencharakter. Hier gibt es Dim Sun, erstklassige Videos, Werner mit seinem Bioladen, das Kino Metropol, Costas Kiosk, eine Schneiderei, zwei Galerien, undundund.

Bisher kann sich die Straße gut der Gentrifizierung wehren: es ist eine Einbahnstraße und die Straßenbahn verläuft in beiden Richtungen. Ein Problem haben die Fahradfahrer: Richtung Uni müssen sie entweder schieben, oder die  Merowinger Straße nehmen, was für die meisten normal tickenden Menschen dem Jonglieren mit Handgranaten gleich kommt. So breitet sich in der Straße etwas Anarchie aus: viele fahren die Einbahnstraße entgegen der Legalität. Noch viel mehr fahren auf dem Gehweg – in beide Richtungen. Was mitunter nervt und gar gefährlich ist.

Was also tun? Die Stadt denkt nicht daran, sich eine Lösung zu überlegen (zB die Straße in beide Richtungen für Radfahrer frei geben). Sie setzt aber ab und an gerne Ordnungskräfte ein, um Strafzettel zu verteilen.

Ich kam gerade vom Karolinger Platz, also die legale Richtung nehmend. Auf der Höhe des Polizisten auf meiner Seite spreche ich jenen an: „Wäre ein Radweg nicht sinnvoller, als Knöllchen verteilen?“ Natürlich weiss ich, dass der gute Mann an der Sache nichts ändern kann. Er antwortet: „Klar wäre das besser!“ Doch da kommt schon wieder ein Radfahrer die falsche Richtung nehmend. um den er sich kümmern muss.

Ich ärgere mich zuerst über die Kontrollen, doch wie ich das ganze beobachte, ändere ich mein Gefühl. Arglos fahren die Leute an den Polizisten vorbei, die denen hinterher rufen. Ich meine: die sind in grünen Lederkombis gehüllt. Sollen sie zur Warnung noch eine Sirene auf dem Kopf tragen?

Da kann der zweite Fahrradfahrer zugucken, wie der vor ihm angehalten wird. Doch statt  vielleicht abzuspringen und zu schieben, fahren sie einfach weiter. Ich denke an Lämmer, die zur Schlachtbank trotten.

Höhepunkt ist ein junger Mann, der an den Polizisten vorbei fährt, der gerade einen Strafzettel ausfüllt. Der Polizist ruft ihm „Halt!“ hinterher. Der junge Mann spreizt seine Beine und bremst mit den Flip-Flops, der Polizist aufrichtig entsetzt „Haben Sie denn keine Bremse?“ Der junge Mann „Doch, doch!“

Ich schiebe meinen Mammut die Straße entlang und schüttele mein Haupt. Darwin schickte die Polizisten, um die dümmsten Radfahrer zu bestrafen. Würde man Autofahrern, die auf Radwegen parken, ähnlich rigoros entgegen treten…

Tag 22 – KIT Bar

Angenehmer Aufbau in der KIT Bar

Am Mittwoch ging es mir gar nicht gut. Nach dem Salon des Amateurs wollte ich unbedingt Ausschlafen und stellte keinen Wecker. 10 Stunden traumloser Tiefschlaf, ich  wachte schweissgebadet auf. Mein Kopf fühlte sich an, als ob ich im Astronautenschlaf 15.000 Lichtjahre zurück gelegt hätte und jedes Gelenk meines Körpers saß schief. Vielleicht einfach nur Erschöpfung, doch andererseits schmerzte meine Lunge und das Atmen fiel mir den ganzen Tag schwer. Die Erkältung scheint ein kleine Comeback feiern zu wollen. Tja, Zähne zusammenbeissen und durch.

Seit Tagen fand ich keine Muße zum Einkaufen, so dass ich mir wieder schwarzen Espresso mit Zucker angewöhnte. Im Kühlschrank fand sich immerhin noch ein Ei, welches ich mittels Pfanne zum Spiegelei verwandelte. Dazu das letzte Stück Brot, welches ich vor rund 10 Tagen kaufte. Man wird bescheiden.

Dann zwang ich mich etwas zum Blog, da die Sonne ihren Zenit schon erreichte. Bloggen macht mir ja auch Spaß, aber am Mittwoch war jede Bewegung ein Akt.

Nebenbei füllte ich die Waschmaschine und sortierte die mannigfaltig übrig gebliebenen Getränke von XXX. Ein voller und zwei leere Kästen Astra und 2 Zinkwannen wollte ich zumindest wieder dem Getränketempel zuführen. Etwas kunstvoll sicherte ich alles auf Mammut und radelte durch Bilk. Die Zinkwannen klapperten fröhlich vor sich her. Es ist mir längst egal, wie die Leute bei meinen Transportaufbauten sich verwundert am Kopf kratzen – jede Fahrt ohne Auto ist eine gute Fahrt. Ich bin ja selbst immer wieder verwundert, was man durch ein wenig Kreativität mit Mammut transportieren kann.

Geht doch.

Ich liefere alles beim Getränke-Tempel ab und will gerade losfahren, da fährt ein Kombi auf den Parkplatz. Ein typischer Familienvater steigt aus und trägt einen halbleeren, kleinen Kasten Bier. Herrje, den hätte man auch auf einen Skateboard mitnehmen und dabei noch La Paloma pfeifen können. Die Autos sind von heute, das Denken sitzt immer noch tief in den 60ern. Als ob es  nie eine Ölkrise gegeben hätte. Als ob wir keine Umweltverschmutzung hätten. Ich kriege meinen moralischen. Schnell weg.

Schwarzer Espresso ist ja nur eine Notlösung. Mich giert es nach einen Milchkaffee. Im Büdchen hole ich mir ein Croissant und setze mich vor die Süße Erinnerung, da kommt Kreidler-Thomas an (Bei so vielen Thomasen bitte ich diese Benennung zur Konretisierung zu verzeihen). Ich überrede ihn zu einen kleinen Halt und wir unterhalten uns in alter Bohemian-Manier. Alles ist ja irgendwie miteinander verknüpft. Über Thomas und seine Partnerin Petra fand ich meine jetzige Wohnung, meine Traumstätte, meine Altbau-Höhle. Ich berichte ihm vom Abend im Salon, er erzählt  etwas von seinen Musikerplänen in der Zukunft. Das olle Croissant ist in Milchkaffee getunkt einigermaßen erträglich. Nach dem kurzen Austausch steigen wir auf die Räder. Er zum Getränkemarkt (auf seinen Rad 2 Kisten Wasser geschnallt. So ist gut!), ich nach Hause, um dann gleich weiter in den Salon zu fahren, um meine Schießbude abzuholen.

Glücklicherweise wird mir geholfen und Mammut ist ziemlich schnell gepackt. Auf den Stufen vor dem Salon sitzen einige Kids mit Bierflaschen und beobachten mich belustigt. Wie ich dann Mammut besteige und lostrete, rufe ich ihnen „Wünscht mir Glück!“ zu. „Viel  Erfolg!“ ruft einer.

Der Salon und die KIT Bar sind nicht weit voneinander entfernt. Doof ist etwas der Burgplatz mit seinem derben Kopfsteinpflaster, welches eine Tortur für den vollgeladenen Mammut darstellt. Ich schiebe ihn vorsichtig, um dann auf der Rheinpromenade wieder aufzusitzen. Herrlich, wie hörresistent Menschen auf dem Radweg extra langsam den Weg frei machen. Im Ärger stelle ich mir vor, dass sind die BMW-Fahrer, die mich nachts anhupen, weil ich es wage, auf der Straße zu fahren.

Verwackelte Abendstimmung

Punkt halb acht komme ich an der Bar an. Endlich wieder mal richtig pünktlich. Achim ist da und wir besprechen den Aufbau. Die Terrasse des KITs ist viel, viel größer, als ich es in Erinnerung habe. Ich beschließe, nur das rechte Drittel der Terrasse zu beschallen. Die typische Laufkundschaft des KITs ist auch eher am Sonnenuntergang statt an Nummer 222 der Wunschliste interessiert. Ich reisse mich sehr zusammen, irgendwie ist heute so gar nicht mein Tag. Wie ich die Lautsprecherkabel verlege, werde ich von 2 Pärchen um die 70 gefragt, ob ich Musik auflegen werde. Ich bejahe. Eine Dame fragt, ob ich Rock n Roll dabei habe. Ich erwidere: eher weniger. Sie: Na dann haben Sie ja keine Ahnung. Mein geschwächter Zustand scheint keine Souveränität mehr aufzubringen und ich sage, dass R’n’R die letzten 30 Jahre an Relevanz etwas verloren habe. Sie: bei uns im Neandertal aber wird jedes Wochenende R’n’R getanzt. Ich schlage mir imaginär mit einen Hammer auf den Kopf, weil ich ahne, dass dieses Gespräch nur Ärger bringt. Ich sage ihr also, dass  dies sicher der Fall ist. Wie es auch Swing- und Tangotänzer gibt, aber im gesamten doch eher Nischen darstellen. Da meint einer der Herren, dass ich halt zu jung sei und es in 30 Jahren sicher verstehen würde. Ich breche diesen Dialog verärgert ab und denke mir: „Jaja, mit 80 Jahren werde ich feststellen, dass ich auf dem falschen Weg war und Elvis doch der König ist“. Verärgert baue ich stumm weiter auf.

Achim fragt mich, warum ich so mürrisch dreinschauen würde. Ich erwidere, dass es mir nicht sonderlich gut ginge. Er fragt, ob ich etwas gegessen habe und bietet mir an, etwas auszusuchen. Ach, der Achim ist ein aufmerksamer und lieber Mensch und ich wähle die Ingwer-Karotten-Suppe mit extra viel Ingwer. Und schon erhalte ich eine Terrine, in der sich der frisch geraspelte Ingwer häuft. Da kommt schon der erste Gast und wir unterhalten uns, während ich heisshungrig die Suppe löffele. Sie kündigt die Ankunft ihrer kleinen Gang an, die schon einige Male bei der Jukebox dabei war. Ich freue mich, vor liebgewonnenen, neuen Bekannten auflegen zu können.

Der Aufbau ist fertig und ich sehe 3 Tische mit Menschen, die wissen, worum es geht. Ihnen lege ich die Wunschlisten und -zettel auf die Tische, den anderen erkläre ich das Spiel. Die meisten machen mit. Ich beschränke erst mal auf 3 Wünsche und lege mit dem Auflegen los. Die Anlage steht auf einen großen Hochtisch und zum ersten Male lege ich im Sitzen auf. An Tanzen oder nur etwas Rumhüpfen ist nicht mal zu denken. Das Drittel der Terrasse ist gut gewählt und alle, die hier sitzen, sind dem Ruf der Jukebox gefolgt. Hier geht die Sonne unter, da unterhalten sich Menschen angeregt. Die Musik liefert eher einen angenehmen Hintergrund. Ich kann damit gut leben und suche die Wünsche aus dem Koffer, um die Singles auf einen Stapel zu setzen und von oben nach unten aufzulegen. Foto-Thomas ist wieder da und hält im Hintergrund so einiges fest. Manfred zeigt sich kurz, um auch diesen Abend dabeigewesen zu sein. Mayo, Marina und Käthe bilden einen Tisch mit Susanne und Mann. Da kommt Christoph vom XXX-Abend, ich stelle ihm diesen Tisch einfach vor. Hier muss niemand alleine rumsitzen.

Ich trinke Leitungswasser literweise. Der Barkeeper macht schon Witze darüber. Da erwidere ich ein wenig beleidigt, dass ich halt kränkele. Er meint, er könne mir auch einen Tee machen. Gute Idee! Ingwertee, extra stark. Ich schütte 3 in Folge in mich rein und es geht mir tatsächlich besser. Die Husterei ist nicht mehr so trocken. Ingwer ist toll.

Thorsten, mein Freund, kommt vorbei. Wie jedes Mal freue ich mir ein Loch in den Bauch. Wir umarmen uns herzlichst und er setzt sich an Horsts Weihnachtsgästetisch. Zur Erläuterung: im Adria traf er diese Clique, die er nur auf den Weihnachtsfesten von Horst her kennt, wieder. Die Jukebox scheint einige Menschen neu zu verknüpfen. Foto-Thomas leistet mir etwas Gesellschaft und er erzählt vom Din-A-0 und anderen Orten des Düsseldorfer Untergroundlebens in der Vergangenheit. Ich lausche gerne solchen Geschichten und genieße es, nicht ganz alleine hinter dem großen Stehtisch zu sitzen.

Mein Arbeitsplatz aus der Perspektive der menschlichen Jukebox

Ab 23 Uhr leert sich die Terrasse langsam. Vor mir noch ein großer Stapel Platten, die sicherlich bis 0:30 reichen. Ich lege die Specials auf und springe zur Toilette, da der Ingwertee wieder raus will. Vor meiner Nase schließt sich die Aufzugstür zu den Hygieneräumen und verärgert drücke ich den Knopf. Der Aufzug kommt wieder und ich ahne, dass mir das gleiche auf dem Rückweg wieder passieren wird. Richtig gedacht. Als ich oben wieder ankomme, läuft die Nadel in der Auslaufrille. Kein wirkliches Unglück, doch ich bin halt etwas unsouverän und kniddelig heute und ärgere mich glatt ein wenig. Ich lege die Selecters auf und laufe schnell zum Spielplatz gegenüber, um mich an den Geräten etwas zu dehnen (ich machte schon im Aufzug einige Dehnübungen, da mir der Rücken und alles anhängende schmerzt). Der Horst-Weihnachtstisch ist amüsiert darüber. Wäre ich sicherlich auch an deren Stelle gewesen.

Nun sind nur noch 2 Tische besetzt und ich frage nach den verbliebenen Wünscher. So kann ich gut 10 Singles wieder einpacken und das Set verkürzen. Als letztes Stück wähle ich Kate Bushs „The man with the child in his eyes“, bis auf Thorsten sind alle gegangen. Er hilft mir dankenswerterweise beim Abbau, ich verabschiede mich beim Team. Der Barchef fragt, was ich bekommen würde. Ich sagte: nichts. Aber ich komme gerne mal zu einen Kuchen vorbei.  Er sagt, er würde sich mein Gesicht merken. In diesen Zusammenhang mag ich den ansonsten unheilvollen Satz.

Es war ein ruhiger, schöner Abend. Ich fragte 2 x an, ob getanzt werden soll, doch alle wollten eher plaudern. Was mir streng genommen sehr entgegen kam. Schön, wie die Stimmung jeden Abend wechselt. Alles geht, nichts muss.

Thorsten und ich fahren langsam durch Bilk. Es ist 1 Uhr und am Bilker Bahnhof überholen wir einige Kids auf Fahrrädern. Einer von ihnen trägt einen rießigen Rucksack, aus dem überraschend laut Reggae ertönt. Wie Thorsten und ich vor meinen Haus absitzen, rufe ich den Jungen mit dem Rucksack, er möge doch kurz halten. Macht er auch und wie er vor mir hält, verstummt die Musik. Ich sage ihm, dass ich hier wohne und es manchmal nervt, mitten in der Nacht so laute Musik zu hören. In der Straße werden durch solche Aktionen dutzende kleiner Kinder aufgeweckt. Der Junge schaut mich an und ruft: „Du bist doch die Jukebox! Mann, die Musik ging ganz von alleine aus. Das ist gutes Karma!“ Ich unterlasse eine Diskussion über die Bedeutung des Wortes Karma  und freue mich insgeheim, dass meine Popularität vielleicht einigen Leuten in der Straße die Nacht rettet. Ich grinse ihn an, schüttle seine Hand und bitte ihn, sein Soundsystem erst wieder im Park oder so zu starten. Er nickt begeistert und fährt ab.

Thorsten trägt mir die Singles hoch, wir plaudern noch ein wenig in der unaufgeräumten Küche, dann umarmen und verabschieden wir uns und er geht nach Hause. Ich plumpse ins Bett in einen traumlosen, tiefen Schlaf.

Heute scheint es mir etwas besser als gestern zu gehen. Was auch unbedingt nötig scheint. Heute ist die Pechmarie drann und ich ahne, dass es wild und spät wird. Ich brauche alle meine Kräfte und weder Ärger, noch Erschöpfung. Aber vielleicht sollte ich mir einfach mal Milch und Brot kaufen…

Tag 21 – Salon des Amateurs

Say no more!

Das Aufstehen fiel mir am Dienstag nicht leicht. Der Montag war mit seiner XXX-Action anstrengend und auch die vorherigen Tage und Wochen stecken mir etwas in den Knochen. Aber der Blog will geschrieben sein und die Leihgaben von Tontaxi müssen zurückgebracht werden. So setze ich mich gleich an den Rechner und schreibe meinen Erlebnisaufsatz über den Apolloplatz. Ein Anruf unterbricht mich nicht nur, sondern wühlt mich sehr auf. Offensichtlich komme ich momentan nicht sehr zum Reflektieren. Mit einen Batzen Gedanken und Gefühle radel ich zu Petras IOUNA, wo das Stativ, der Scheinwerfer und der Generator gelagert sind. Ich muss mich glatt beeilen, da das Tontaxi nur bis 13 Uhr geöffnet hat. Kimos selbst ist nicht anwesend. Ich gebe alles ab und beschließe, etwas für mein Wohlbefinden zu tun. Ich muss etwas essen. Etwas gutes. Mario lud mich den Abend zuvor zu sich in das Enuma zu einem Teller Nudeln ein. Ich wecke Aaron und verabrede mich mit ihm dort.

Beim Speisen

Mario empfängt mich gewohnt freundlich und ruft mir entgegen, dass sofort Nudeln für mich kommen würden. Ich verwies darauf, dass ich auf Aaron warte und wir setzten uns auf sein Brett vor dem Fenster und ließen den gestrigen Abend nochmals Revue passieren. Dabei beschlossen wir erneut, für den Herbst einen Tanztee bei ihm zu veranstalten.

Dann komme ich mit einen weiteren Gast ins Gespräch. Ein netter Mann aus Köln, der um die Ecke arbeitet. Eher ungewöhnlich, also hochinteressant. Bei weiteren Fragen stellt sich heraus, dass er PR für den Krankenkassenverband mache. Ich frage unumwunden: ein klassischer Lobbyarbeiter also? Er bejaht. Nun erlebe ich also auch noch einen hochsympathischen Lobbyisten. Ich bin aber nicht aufgeweckt genug, um die Situation durch gezielte Fragen auszunutzen. Ist im Nachhinein auch sicher besser so.

Glück ist ein Teller warmer Nudeln

Aaron kommt an und wir setzen uns an den großen Tisch am Fenster. Antonio, der Koch Enumas, nimmt unsere Bestellung entgegen: er zählt die köstlichen Varianten seiner Nudeln auf. Wir entschließen uns zu Nudeln mit Thunfisch und Antonio kehrt in seine Küche zurück. Nach wenigen Minuten bringt er uns 2 große Teller. Er fragt noch, ob wir Parmesan wollen. Ich antworte, es handele sich hier doch um Fisch. Er dann lakonisch: viele wollen es halt so.

Optischer Eindruck: sehr gut. Keine Effekthascherei, ein schöner Haufen Essen einfach. Die Tomaten bilden nur die Grundlage, der Thunfisch behält die Oberhand. Geruch: einfach saugut. Die Magensäurenpumpe arbeitet auf Hochtouren. Ich puste auf die Nudeln auf meiner Gabel und koste. Da explodieren kleine Sonnen auf meiner Zunge. Sollte es ein Glückszentrum im Hirn geben, arbeitet es nun auf volle Leistung. Ungewollt grinse ich wie ein kleines Kind. Es schmeckt sahnig. Der Thunfisch kann sich darauf sehr gut entfalten. Die Tomaten liefern eine fruchtige Beinote. Die Petersiele bringt diesen trockenen, strengen Akzent. Eine leichte Schärfe von Chillie, dies leicht säuerliche der Kapern, schwarze Oliven… und irgendwas ungemein raffiniertes. Antonio beobachtet unsere Reaktionen. Ich hebe die Augenbrauen bis zur Zimmerdecke und frage ungläubig: Safran? Da ist doch irgendwas drinn, was ich eher bei Kuchen vermute. Antonio lächelt wisserisch. Ja, da ist etwas besonderes drinn. Ich höre auf zu bohren. Geheimnisse können so schön sein.

Ich esse vorsichtig und langsam mit dem unerfüllbaren Wunsch, der Teller möge niemals leer werden. Aaron ist auch hin und weg und wir schweigen im Genuss. Aber bei aller Langsamkeit ist der Teller irgendwann doch leer. Ich unterdrücke mit Mühe den Impuls, den Teller abzulecken. Ich freue mich jetzt schon auf die anderen Variationen von Antonio, der offensichtlich ein Großmeister ist. Zufriedenst gesättigt bedanke ich mich bei ihm.

Die Terrasse des Salons bei Nacht | Foto: Armin

Wir sitzen vor dem Laden und beobachten die Menschen. Mario lässt hier und da eine Bemerkung fallen, irgend jemand antwortet vielleicht etwas darauf. Das Leben ist leicht und interessant. Aaron verabschiedet sich und nimmt den Zug nach Hause. Ich bleibe noch ein wenig sitzen und beschließe, diesen Tag zur Erholung zu nutzen. Als nicht nur mein Magen, sondern auch meine Augen satt sind, bedanke ich mich nochmals bei Mario und Antonio für deren Beitrag zum Weltglück und fahre zur Süßen Erinnerung zum Kaffee.

Die üblichen Verdächtigen sind anwesend und es wird auch hier leicht und angenehm geplaudert. Mit Alex unterhalte ich mich über unseren gemeinsamen Lieblingsfilm „Things to do in Denver (when you are dead)“, da kommt Tanja vorbei. Sie setzt sich und wir unterhalten uns über Götter und Welten. Das dolce Vita lässt den Nachmittag erfrischend dahin plätschern, da erinnere ich mich, dass der Blog noch nicht veröffentlicht ist. Schnell nach Hause und den Bericht vervollständigt, einige Bilder dazu ausgewählt und hochgeladen. Mails und Nachrichten checken und ab zu Petra, um die zwischengelagerte Schießbude abzuholen. Dann weiter zum Salon des Amateurs. Ich würde so gerne im freien Auflegen, da die Luft satt-warm bis schwül ist.

Das Geheimnis der Wandlung von Vinyl in Schall | Foto: Raphael

Die Treppen vor dem SdA haben bestimmt schon einige Bands zum fluchen gebracht. Auch für mich ist es ein wenig doof, Mammut alleine am Fuße der Treppen zu parken und die Teile einzeln hoch zu tragen. Detlef und eine Thekenkraft sind da und Detlef meint sogleich, er denke darüber nach, ob man nicht das ganze auf der Terrasse machen könne. Zum ersten Male in der Geschichte des SdA. Ich freue mich ganz doll und trage alles schnell hoch. Dann zeigt mir Detlef einen Altar, auf den alles aufgebaut werden kann. Ich. Kann. Es. Kaum. Glauben. Ein echter Altar! Der Exministrant sieht sich auf dem Höhepunkt seiner längst abgebrochenen, katholischen Laufbahn. Ich schließe alles aneinander an und die ersten Vögel erheben ihre Stimmen. Fehlt nur noch Publikum. Norbert kommt, Armin auch, sowie Raphael und seine Schwester Elisabeth. Doch die Massen kommen heute nicht.

Foto: Armin

3 Damen setzen sich in eine Ecke und bestellen gleich drauf los. Es tröpfelt Menschen auf die Terasse und die Liste wird nie sonderlich lange, so dass alle schnell den gewünschten Titel hören. Einige zufällige Gäste erkläre ich die Jukebox und sie scheinen Spaß beim raussuchen zu haben. Detlef bestellt sich 5 Titel und bezahlt für 15. Ich weise ihn auf den Irrtum hin, doch er will es als Geschenk stehen lassen.

Seit Tagen habe ich keine Tour-Postkarten mehr und ich verteile meine Visitenkarten an alle, damit jene die Tourdaten aus dem Netz fischen können. Detlef wünscht sich Style Council und scheint einen Flashback zu erleben. Da die Wünsche gespielt wurden und er so großzügig überzahlte, Spiele ich ein wenig für ihn. Dreams von Fleetwood Mac, Tunnel  of Love von Funboy Three und Rapture von den Dub Pistols.

Foto: Raphael

Pünktlich um Mitternacht baue ich dann ab, lasse aber das Equipment im Backstagebereich des SdA stehen. Eine Heimfahrt ohne Geschaukele. Das nenne ich ein luxuriöses Leben. Detlef hat den selben Weg und unterwegs schauen wir nach Brot für ihn. Aber keine Chance: alles hat geschlossen. Düsseldorf ist doch nicht die Weltstadt von Rang im Herzen Europas. Zum Glück hat es Bilk, wenn auch kein Brot in der Nacht. Ich schaue noch eine halbe Stunde in den Computer und falle dann wie ein Baum ins Bett. Noch 11 Tage Tour, 2 Drittel liegen schon hinter mir. Heute Abend lege ich im KIT auf, morgen kommt die Pechmarie drann. Dann Rekorder, Café St. Martin, Sennhütte und so weiter. Schöne Tage liegen vor mir.