Die Wahrheit ist, dass ich die letzten Jahre einiges aufgelegt habe. Auf Parties, als Jukebox, in Kneipen und Bars. Was ich aber seit Jahren nicht mehr gemacht habe, ist ein Abend im Club.
Nun wollen wir ehrlich sein: das KIT ist ein schönes Café, man kann es auch als Bar bezeichnen, wenn man die Flaschenbatterien betrachtet, aber als Club geht es nicht ganz durch. Ein Club ist eine Höhle, ein Keller, ein Raum ohne Fenster für mich. Im englischen gibt es einen Begriff, den man wohl nicht übersetzen sollte, der es aber trifft: „a Club is like a womb“. Und wie mir mein Sohn berichtete, dass er schon einige male vorbei ging und Dubstep lief, war ich glatt ein wenig besorgt. Was soll ich mitbringen? Was soll ich auflegen? Im Kopf ging ich seit Tagen meine Platten durch, denn: der Mensch, der digital auflegt, der zieht sich noch kurz vor dem Abend einige Songs runter (ob legal, oder illegal), aber ein Schallplattenaufleger muss den Kram gekauft oder zumindest geliehen haben. Da geht nichts mit „ich kauf mal schnell noch 50 Platten ein, wenn sie da sind“, abgesehen von den Ören, die man gerade in der Tasche haben muss.
Es ist meine Not und Strategie, durcheinander aufzulegen. Bei mir steht halt Disco neben Punk neben Klassik. Ich habe nicht 3000 Northern Soul Singles, die ich mal kurz abrufen könnte. Ist mir auch einfach zu eng. Da ist es mir wie mit Menschen: ich mag die bunte Mischung. Und so wählte ich meine Platten nach den Kriterien „sicher Bank“ und Stimmung aus. Ich hatte eine Vision von einer Menschenmenge, die einfach sehr geil aufs Tanzen ist. Also wilde Beats, aber auch minimalistisches. Vor meinen geistigen Auge tanzten die Leute wie in Trance. Selbstvergessen grinsend, als ob es kein Übermorgen gäbe.
Und so zog ich altes und neues aus dem Regal. Langsames für den Anfang und knalliges für den Schluss. Einige gute Bekannte von der Jukebox in langer Version und elektronisches und psychedelischen Funk. Lou Rawls und Fischer Spooner. Um 19:30 schleppte ich dann 2 Kisten á ca. 80 Platten runter und band Mammut los. Wie ich befürchtete, gingen wegen der Reling von Mammut die beiden Kisten nur „auf“ der Reling. Also 2 von 4 Kanten standen auf der Reling, Backe an Backe nebeneinander. Sehr wackelige Angelegenheit. Ich versuchte, alles gut mit Gurtspanner und 2 Gummiflitschen zu befestigen und fuhr im schwarzen Anzug und meinen Budapestern los. Eier, eier, eier, Richtung Unterbilk, an der Polizei vorbei, unter die Brücke zum KIT.
Vor der Türe treffe ich Bruce, den ich im Quartier Schloss Bohéme (oder so) kennen lernte. Er stellt mir seine Freundin vor, wir plauschen ein wenig. Aber nicht zuviel, da ich spät dran bin. Wir sagen Tschüss und ich fahre mit Mammut ins KIT rein. Auch wenn die Bedienung erst mal irritiert ist. Da ich momentan kein gescheites Schloss habe, fahre ich Mammut in den Fahrstuhl und in das Untergeschoss, zu den Toiletten. Da sitzt eine Frau aus Afrika, macht die Augen gross, zeigt auf Mammut und sagt „Fahrrad!“. Ich sage „ja, richtig!“ und stelle und schließe es ab. Dann erkläre ich, dass ich auflege und das Fahrrad hier sicher abgestellt werden muss.
Oben also, vor dem Aufzug, steht auf einen Tisch ein Technics-Mischpult und 2 MKII. Kein Platz mehr für die Schallplatten. Ich nehme zwei Hocker und stelle die Kisten mit Sound darauf. Dann lege ich Horace Silver mit „Song for my father“ auf. Ein weißer Rasierapparat, der auch ein MP3-Abspielgerät sein könnte, liefert jazziges auf das Mischpult für alle hörbar. Da passt doch Silver prima. Der letzte Geburtstagsabend brachte mir die Erfahrung, ruhig alles erst mal in Ruhe zu checken. Und tatsächlich: der rechte MKII brummt wie Sau schon auf dem Kopfhörer. Mann kann 3 Pegelstufen Ausschlag auf dem Mischpult sehen.
http://youtu.be/8B2GZ0MfuPQ
Ich gehe zur Thekenfrau und spreche sie an, was ich tun solle. Sie verweist auf einen Herren, der hier Techniker sei. Der MKII-Überbringer sei auf Fortuna, keine Chance. Ich gehe mit dem Herrn also zum Plattenspieler und erläutere. Er hat natürlich gleich die selbe Vermutung: die Erdung (ich nannte es „Masse“, aber wir meinten dasselbe). Hierfür kommt aus einem Plattenspieler hinten ein Kabel raus, welches am Mischpult angeschlossen wird. Man könnte auch einen Blitzableiter nehmen. Es geht halt nur darum, dass das Gerät mit der Erde Kontakt bekommt. Deshalb Erdung. Und wenn es nicht stimmen sollte: egal, schöne Geschichte. Aber der Herr bekommt es auch nicht hin, keine Chance. Wir gucken uns an: und nun? Doch mein Blick ist eher kategorisch. Klar, dass ich auf Mammut steige und meinen MKII hole. Ich will doch auflegen!
Also Mammut vom Toilettengeschoss geholt und eiligst nach Hause gefahren. Plattenspieler schön mit Decke in eine Kiste, mit 3 Bändern auf Mammut befestigt und schnell wieder zurück. Richtig gut eingeschweisst komme ich wieder an und lege Horace Silver auf. Der einzige mir bekannte Gast ist Marina. Doch da kommen auch einige andere Bekannte der Tour. Susanne und Mann, Thomas und seine Bande, eine Dame vom St. Martin in Unterbilk und andere mehr. Alle sitzen schön draussen, ich stehe als einziger drinn. Durch die ständige Rausrennerei verpatze ich manchen Übergang, aber das war auch nicht soooo wichtig (von wegen Clubabend). Und bei einer Runde Funk kamen dann auch tatsächlich 3 oder 4 Personen rein und swingten erwartungsvoll zur Musik. Ich gab auch alles, aber da wollte kein richtiger Tanzfunken überspringen, es blieb beim schwingen.
Ich ließ mich davon auch nicht kirre machen und legte einfach volle Granate auf. Undisputed Truth, Temptations, Bill Withers… you name it. Ich ging auf Elektro über, ein wenig Gitarrenzeugs, wieder Disco, LCD Soundsystem, MIA, alte und neue Klassiker. Der Sound war leider komisch: unten matschig, die Höhen wurden total von den Bässen erdrückt, da konnte ich den Bassregler auch auf 9 und die Höhen auf 15 Uhr stellen. Den ganzen Abend drehte ich an diesen doofen Dingers. Aber egal, die Stimmung war gut.
So gegen Mitternacht kam Aufbruchstimmung auf und gegen 0:30 Uhr waren alle weg. Ich sagte mir, ich hätte länger, aber was soll ich machen? Da kamen ein Schwung Leute rein und ich hatte länger, was soll ich machen?
Ich bretzelte Soundszeugs auf, hektisch. Sie tanzten zu zweit oder zu dritt. !!! legte ich auf und Fools Gold und Connected von Stereo MCs. Wie gesagt, keine Wunderwaffen, sondern gut abgehangene Klassiker der letzten 20 Jahre.
Das ging so bis halb Zwei, dann kündigte ich der Thekenfrau das letzte Lied an. Das war dann Lou Rawls mit seinem „The Hawk“.
Ja und dann verabschiedete ich mich und belud Mammut und fuhr mit einem Plattenspieler regelrecht eine Ladung roher Eier. Ich kam gut an meinem Haus an. Doch wie ich wieder mal vor meiner Haustür abbremse, kippt mir Mammut nach vorne. Wieder kontrollierter Überkipp, da das einfach zu schwer zum Zurücksetzen war. Ich trug alles hoch und schrieb diese Zeilen, um dann endlich ins Bett zu fallen. Gute Nacht.
Ohne Korrekturschleife publiziert.
… wie sich später herausstellte, war es dann doch keine so gute Idee, von Deinem gut gemischten Set (mit Robert Palmer kriegt man mich ja immer!) zur neuen Veranstaltungsreihe „Liz&Grace“ (im ehemaligen ‚Berolina‘) zu wechseln… haste‘ gut gemacht, Danke!
Vielen Dank für die Blumen. Was war denn mit Liz & Grace? Ich will schreckliche Details, wie schlimm es war 😉
… „Liz&Grace“ ist eine neue Partyreihe im ehemaligen ‚Berolina‘, nachdem die Räumlichkeiten umgebaut und neu gestaltet wurden… wir dachten es wäre eine gemischte (scwul/hetero) Veranstaltung – dem war aber nicht so, rein samstagsabend-hetero (weisste‘ Bescheid), mäßig besucht und musikalisch ausschließlich House… wir haben uns dann noch auf ein Bier in die obere Lounge gesetzt und wären beinah, bei minimal-elctro-beats, angenehm auf den Sofas weggedämmert… wie heisst es so schön: ‚und wars nicht Offenbarung, dann war’s halt Erfahrung‘ …