Tag 26 – Sennhütte

Aufbau Sennhütte

Ich schlief ja am Samstag bei „The Grey“ mit Liam Neeson ein. Seit Wochen freute ich mich auf den Film. Offensichtlich eine Jack-London-Geschichte. Männer in der Wildniss kämpfen um das nackte Überleben. Der alte Mann, der eigentlich sterben wollte, versucht alle aus der Kacke zu ziehen. Sowas kann ich gerade gut zur Erbauung gebrauchen. Ich will zwar nicht sterben, ich befinde mich nicht in der Wildnis, ich muss keine Gruppe anführen, aber das mit dem alten Mann und kämpfen sprach mich sehr an. So setzte ich mich gleich nach dem Aufstehen hin und sah mir die zweite Hälfte an. Ein guter Streifen, keine Frage. Neeson ist klasse, der Rest auch. Drehbuch, Kamera, alles Bingo. Es gab leider nur nicht das typische Happy End, nach dem mir heute Morgen eigentlich war. Trotzdem meine Empfehlung für alle, die geglückte Wiederbelebungen uralter Geschichten mögen.

Es tritt langsam etwas Routine in mein Tourleben. Der Dual läuft wie eine 1, mit Mammut habe ich mich arrangiert, in meinen Taschen schleppe ich Folie für schlechtes Wetter, mehrere Mehrfachsteckdosen, ein langes Verlängerungskabel und andere Utensilien für den Notfall mit. Die Erkältung scheint größtenteils überwunden. Die letzten beiden Tage war ich auch im Alkoholkonsum sehr brav. Was bleibt, ist eine bleierne Müdigkeit. Meine Fahrt zur Sennhütte schien nie mehr enden zu wollen. Jeder Tritt in die Pedale war mühsam und Düsseldorf schien nur noch aus Anhöhen zu bestehen. Im Lendenbereich habe ich durch die Schlepperei die letzten Tage derbe Verspannungen eingefangen. Alles zieht und schmerzt. Dadurch fehlt mir mitunter die Kraft, wirklich Freude bei meinen Unternehmungen zu entwickeln. Dies waren meine Gedanken heute bei meiner Meditationsrunde. Ich beschloss, trotz Müdigkeit Genuss zu empfinden. Ein hohles Abspulen bringt niemanden etwas. Mein Entschluss wurde auch schnell auf die Probe gestellt.

Das Wetter war schon auf der Fahrt leicht bäbäh. Ich spannte eine Folie über das Material, um es vor Feuchtigkeit zu schützen. In der Sennhütte angekommen besprachen wir gleich den Aufbau. Unten soll er stattfinden. Stefan hilft mir beim Schleppen der Sachen auf die Terrasse. Ich überlegte mir einen 4-eckigen Aufbau der Boxen und begann Tische rumzuräumen und Kabel auszulegen. Da begann es zu regnen. Dann zu gießen. Dann zu schütten. Also wieder alles eingepackt und hochgetragen.

Jamaikanische Hängung. Das ist übrigens nullstens Abwertend gemeint.

Oben überlege ich mir eine jamaikanische Hängung. Mit Band sicherte ich die Canton-Boxen und hängte sie an die Riegel der Fenster. Dabei musste ich leider hier und da Gäste umherscheuchen. Die Kabel versuchte ich dann über Lampen und einen einsamen Haken an der Theke entlang zu führen. Als ich endlich fertig war, war tatsächlich schon 17 Uhr. Ich verteilte die Listen schnell und kam mit einem Herren ins Gespräch, der auf meiner Straße ein Lokal führte. Er war vom Golden Brown Quartett und deren „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ begeistert war. Die fehlte in seiner Obskuritätensammlung. Ich bot ihm an, sie vielleicht nach der Tour gegen eine Single von ihm einzutauschen, da mein Herz nicht soooo daran hängt. Er wollte sich darüber Gedanken machen und wünschte sich also das Lied, welches zum ersten Male gespielt wurde.

Übrigens habe ich die Nadel von 2024 umgedreht und es herrschte ein exzellenter Klang. Das meist junge Volk experimentierte frei bei ihrer Auswahl und barg dadurch manch obskures zu Tage. Wie zB die B-Seite von Bennys „Bin wieder frei“ namens „Ich sitz auf einer Kokosnuss“, was offensichtlich ein Rip-Off von „Love is in the air“ ist, welches ich ihnen danach zum Vergleich vorspielen konnte.

Wie oft spielte sich aber das eigentliche Leben vor der Türe ab. Eine der Besitzerinnen hatte ihr junges Kleinkind dabei und ich durfte es auf den Arm nehmen. Sorry, da  werde ich halt sentimental, wenn ich ein Baby trage, welches noch im tiefen Flaschenalter ist. Später machten wir auf meinen Wunsch ein paar Fotos, wie ich mit dem Mädchen hinter dem Plattenspieler posiere. So familiär war heute die Stimmung.

Alle wünschten drauf los. Ich beschloss, 60 Titel anzunehmen. 59 waren schnell zusammen, der letzte kam erst, als ich mit dem Wunschstapel fast durch war. Es war Malcolm McLaren, eine schön aufgeblasene Klassik-Pop-Nummer.

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Als  meinen Wunsch legte ich den Marquis of Kensington auf, dann half mir Andreas beim zusammen packen. Caroline bot mir an, das Equipment mit dem Auto zu fahren, was ich dankbar annahm. Eine Pizza wurde gemeinsam gegessen und etwas geplaudert. Dann schnell der Blog geschrieben.

Die Sennhütte ist eine großartige Beize, wie man das in meiner Heimat nennen würde. Gute Getränkeauswahl, super kernige Küche, entspannte Preise. Der Laden ist klein und somit schnell voll. Hier geht Tuchfühlung ab. Der Ton ist direkt, aber herzlich. Ich habe mich sofort in die Sennhütte verknallt und wohl gefühlt.

Morgen die Bar Cherie gegenüber dem Q-Stall. Ich hatte beim Vorgespräch das Gefühl, es könnte ein interessanter Abend werden. Aber ich will nicht schon wieder die Realität mit meinen Vorstellungen versauen. Ich lasse mich überraschen und bin offen für alles, was da kommen mag. Bis morgen!

4 Antworten auf „Tag 26 – Sennhütte“

  1. … ein wenig nachvollziehbar, dass Dir The Grey (im Moment) ‚gefällt’… ein sich gegen alles Unbill stemmender Charakter, der – nachdem er in einem eisig-temperierten Fluss vergeblich einen Kameraden zu retten versuchte – nicht etwa in seinen durchnässten Klamotten in kürzester Zeit erfriert, sondern meditativ die Brieftaschen seiner verstorbenen Kollegen sortiert und sich dann blitzschnell zum Kampf gegen DAS Alpha-Tier rüstet… nicht ohne vorher noch einen zornigen Monolog mit Gott geführt zu haben – tja Haru, leider bist Du kein Ire und Liam Neeson kein Peter O’Toole…
    vielleicht bis später in der Bar Chérie… :-*

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