Katja verordnete mir in der Pechmarie eine strenge Wodka-Kur, um die Erkältung endlich in den Griff zu bekommen. Vorsorglich stellte ich den Wecker ab, um auszuschlafen. Und tatsächlich wachte ich am Freitag beschwerdefrei auf, nur geringe Kopfschmerzen. Die Uhr zeigte 12:30. Verdammt, ich hatte doch einen Friseurtermin um 12:00 Uhr. Ich rufe Pascal an und entschuldige mich. Dann setzte ich mich an den Rechner und tippte meine Pechmarie-Beichte.
Ich kaufte eine Sonnenblume im Topf und brachte sie Pascal vorbei, dann ging ich kurz zur Süßen Erinnerung. Werner von „natürlich natürlich“ erinnerte mich zum Glück daran, dass ich ein Brot bestellte. Rein in die Tasche und nach Unterbilk geradelt, um Petra und danach Robert zu besuchen. Robert machte mir eine Portion „armer Ritter“, die ich gierig verschlang. Danach ritt ich zurück nach Hause, um ein wenig mehr zu meditieren, wie die Tage zuvor. Durch meinen Kopf wirrten hunderter kleiner Eindrücke der letzten Woche. Für September gibt es genug zu reflektieren…
Mammut bepackt und zur Flügelstraße gefahren. Kim und Tobias werkelten in der Kassette umher. Wir besprachen den Aufbau und die beiden halfen auch fleissig mit. Relativ pünktlich waren wir fertig und die ersten Gäste tröpfelten herein. Das Tropfen verdichtete sich und ziemlich schnell war die Kassette sowohl innen, wie auch vor der Türe gut besucht. Ich stand an den großen, geöffneten Fenstern, so dass ich mich hinaus lehnen und ab und an ein paar Züge gönnen konnte, da die Kassette rauchfrei ist. Die Gästeschar war sehr interessant und bunt zusammen gewürfelt und ähnlich verhielt es sich mit den Wünschen. Die Luft war schwül und warm drinnen, weshalb die Leute draussen gar nicht daran dachten, herein zu kommen. Da goß es endlich und die Kassette füllte sich nun wirklich und richtig. Alle Plätze besetzt und viele standen in Gruppen umher. Eine regelrechte Wohnzimmer-Athmosphäre herrschte. Ich musste den Dual ganz schön aufdrehen, um gegen die Gesprächskulisse anzukommen.
Gut ein Drittel der Anwesenden waren wiederholt Gäste der Jukebox und die einzelnen Gruppen lernen sich scheinbar immer besser kennen. Thomas brachte wieder seine Kamera mit und machte unentwegt Bilder und kurze Filmchen. Ich hatte auch meinen Spaß, das Fetenvolk in der Kassette zu knipsen. Es wurde getrunken, geplaudert und gelacht. Manche aufgelegte Scheibe rief Reaktionen hervor. Bei „Everybody got to learn sometimes“ tanzten 2 Paare mit Körperkontakt, der eine oder andere Titel wurde gar beklatscht. Jemand wünschte sich Ultravox! und „Young Savages“, ein roher, großartiger Punktrack, welcher einige Leute begeisterte. Was das sei, wurde gefragt. Ich rief „Das waren Ultravox! in den 70ern, bevor sie Midge Ure kaputt gemacht hat“. Verwunderte Begeisterung bei manchen, andere sind empört ob meiner Midge Ure-Behauptung.
Bei Brian Eno und „Backwater“ hüpfe ich freudig umher. Einfach ein prima Stück gute Laune, das mich bewegt, wenn ich es höre. Ich drehe mich um und erblicke auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Auto mit dem Nummernschild „E-NO XXX“. Ich sehe einen brennenden Dornbusch! Sofort schnappe ich mir die Knipse und fotografiere.
Ich nuckelte Wodka-Lemon, um die letzten Reste Erkältung zu behandeln und machte so meine kleinen Moves zur Musik, die zum großen Teil flott gewählt ist. Dann fordere ich die Gäste zu einem Jubel-Fake-Foto auf und alle machten sofort mit. Ein wunderbarer Moment. Thomas steht mit seiner Kamera neben mir und strahlt: „Ich habe das alles gefilmt“. Wir grinsen uns beide glücklich an und freuen uns ob des Augenblicks, der sich wie eine glückliche Familienzusammenknuft anfühlt.
Und wie ich wieder mal kurz auf die Straße blicke, kommt von links ein blaues Fahrzeug des Ordnungsamtes daher. Tobias sagte vor einigen Minuten zu mir, ich solle die Fenster schließen. Wir machten aus, dass ich noch kurz die Zigarette zu Ende rauche. Doch ich schaffte keine 3 Züge. Sofort drehte ich mich um und halbierte die Lautstärke dann machte ich seelenruhig die Fenster zu. Der Wagen hält an und heraus kommen zwei durch ihre schützende Kleidung und sonstige Ausrüstung etwas bullig wirkende Personen. Sie schreiten Richtung Eingangstüre der Kassette, bleiben stehen, wechseln ein paar Worte und gehen zurück zu ihren Wagen und fahren wieder fort. Das war knapp.
Wie war das? Ich spielte sämtliche Scheiben und achtete nicht so genau auf die Uhr. Ich war zwar hundemüde, aber auch angesteckt von den Menschen hier, die eine gute Zeit verbrachten und dabei Musik hörten, die sie sich aussuchten. Irgendwann, längst nach Mitternacht, spielte ich meinen eigenen Wunsch und somit letzte Single des Abends dann die Titelmelodie von Raumschiff Orion, die bisher auf der Tour ungehört blieb.
Es waren so viel bekannte und befreundete Gesichter hier, ich fange erst gar nicht an aufzuzählen, um niemanden bei der Aufzählung zu vergessen. Beim Abbau wurde kräftig mit angepackt und relativ schnell war alles auf einen Haufen. Tobias lud mich und Thorsten zu einen Wodka-Absager ein, der dann noch wiederholt wurde. Wir plauderten mit Tobias und Kim über den gelungenen Abend.
Die Kassette ist ein prima persönlicher Laden, der geradezu geeignet ist, Menschen kennen zu lernen. Alles ist bequem, der Laden ist liebevoll eingerichet , mit einem Hang zur Willkür. Das nimmt der Kassette widerum das perfekt-langweilige gestylte Innere so vieler Lokale heutzutage.
Heute Abend konnte ich endlich mal die Anlage stehen lassen. Die Kassette sei ab 13:30 Uhr wegen des Fortuna-Spieles besetzt. Ein bequemes Zeitfenster, um alles abzuholen. Es geht nach Hause, ich falle todmüde ins Bett.