Tag 31 – Damen und Herren

Aufbau mit Mammut als Plattenhalter. Hat er sich wahrlich verdient.

Seit einigen Tagen werde ich immer wieder darauf angesprochen, wie ich mich kurz vor dem Tourende fühle. Ich kann darauf keine befriedigende Antwort geben. Einerseits freue ich mich natürlich sehr, andererseits gewöhnt man sich schnell an alles mögliche.

Mit Andreas und dessen Tochter Karlotta fuhren wir zu Marios Enuma. Wir bestellten dick Nudeln mit Thunfisch und Kapern und tranken Kaffee, bis uns die Bohnen aus den Ohren wieder rauspurzelten. Andreas ist Profi-Fussballfan was mich eigentlich nicht weiter stört, doch sobald wir uns gemeinsam durch die Welt bewegen, scheint es kein anderes Thema mehr zu geben. Schon auf der Hinfahrt pleut mir Andreas ein, ich solle Mario gleich zu Anfang damit kommen, dass Mailand dieses Jahr nur knapp 22.000 Dauerkarten verkauft habe. Etwas lustlos schenke ich diese Tatsache zur Begrüßung ein, doch Mario kontert nur gelassen mit der exakten Zahl und winkt ab.

Frühe Vögel

Nun, während also Karlotta Freundschaft mit einem anderen Mädchen schließt und Andreas und Mario sich über dieses Ballspiel ereifern lese ich etwas in der Süddeutschen rum. Ein Interview mit Leos Carax fesselte mich. Was für ein großartiger Kerl. Sein Balzac-Zitat wandert sofort in mein Notizbuch: „Ruhm ist die Sonne der Toten“.

Andreas hat Kindübergabe mit der Mutter, wir fahren wieder nach Bilk. Nach der Übergabe hängen wir noch einen Moment in der Süßen Erinnerung ab, dann trennen sich unsere Wege. Ich fahre zum Kopiercenter und lasse mir auf A0 ein Plakat zum Unterzeichnen der Gäste des Abends ausdrucken.

Es füllt sich

Dann ist auch schon wieder Packkzeit für Mammut. Wohl zum letzten Mal in dieser Form schichte ich das Zeugs auf dieses Wunderwerk an Technologie und schaukele gemächlich zu den Damen und Herren. Zur Feier des Abends trage ich den roten Anzug.

Bei  den Damen und Herren sind Annette und Tom zugange. Wir räumen wieder mal alles um und bauen gemeinsam auf. Den frühen Gästen gewähre ich 2 Wünsche pro Nase, die ab 21 Uhr auf 1 Wunsch reduziert werden, damit jede/r mal kann. Und ab ca. 21:30 schwappte tatsächlich eine Unmenge von Leuten in den Laden. Ich musste den 1224er immer lauter drehen, so laut war die Geräuschkulisse. Hier und da wurde zaghaft getanzt, alle am Trinken und Plaudern im Halbkreis um mich herum, was mir ein wenig das Gefühl eines Ausstellungsstückes gab, doch das war mir aber auch irgendwie egal.

Patricks famose Plakette

Gegen 23 Uhr wurde ich dann gebeten, in eine Ecke des Ladens zu kommen und dort einen Moment zu verweilen. Ich ahne unheilvolles. Überraschungen sind nicht so sehr meines. Als ich also zurück zum Aufbau gehe, hängt an der Wand ein… großartiges Ding und das Publikum ist schwer am Applaudieren. Ich war sehr gerührt und wusste nicht, wohin mit mir. Patrick, der über der Süßen Erinnerung wohnt, gestaltete dieses Werk. Wir umarmen uns und machen aus, darüber noch zu sprechen. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, wie diese übergroße Plakette samt vergoldeter Single gemacht wurde. Die Single ist übrigens auf der A-Seite noch abspielbar (And she was von Talking Heads).

Bienenschwarm

Die Gäste tragen sich auf dem Plakat mit der Anzahl ihrer Besuche ein. Manfred ist – wie zu erwarten war – mit 31 x der König. Marina scheint zweite zu sein, ich werde das noch genauer untersuchen.

Ich habe gut bei den Wünschen mitgezählt und war ca. 0:20 Uhr mit allen Singles fertig. Die Leute sind zwischenzeitlich schwer am Tanzen, aber letzte Single ist letzte Single. Ich kündige wie immer den letzten Wunsch – also meinen Wunsch – an, lasse sie laufen, um dann zum Abschluss Jacke und Hemd auszuziehen und das T-Shirt überzustreifen, welches ich mir 2 Tage vorher bedrucken ließ. Riesen Gejohle ringsum. Ich würde eigentlich am Liebsten sofort alles Abbauen und ins Bett fallen, doch die Leute sind total heiss und Andreas erinnert mich an meine Verantwortung als Entertainer. Tatsächlich ist der Laden propevoll mit extra großartigen Menschen, alle am Tanzen und machen und tun und niemand beklagt sich über die Lautstärke. Wenn es am Schönsten ist, sollte man weiter feiern.

Das Tourende-Shirt

Ich kündige also an, ab sofort frei aufzulegen. Ich glaube, das ging so bis 2 Uhr oder so. Fleissige Hände halfen mir beim Abbau und der Zug zog in die nächste Kneipe. Ich verabrede mich mit Annette für Samstag Mittag, um alles abzuholen und fahre schnell nach Hause, reisse mir alles vom Leib und falle ins Bett. Mein Körper vibriert geradezu von all der Sympathie und Liebe, die mir an diesen Abend  entgegen schlug. Wun-der-bar.

Aber Schluss ist immer noch nicht. Heute Abend lege ich mit den 250 Singles in der Pechmarie frei auf. Wünsche sind total unerwünscht. Ich freue mich schon wie ein Schulbub darauf. Bis dann!

Ach so: die nächste Woche werde ich mal Statistiken über das Wunschverhalten auffahren und hier und da reflektieren. Vielen Dank für all die guten Wünsche, Unterstützung und schönen Stunden.

4 Antworten auf „Tag 31 – Damen und Herren“

  1. Danke Dir, der Du uns 4 Wochen lang musikalisch wünschen ließest und dabei auch Unbekannte aufeinander trafen, die sich am Ende der Tour nun als Freunde begrüßen…
    … aus der ‚menschlichen‘ wurde somit sogar eine ‚Zwischenmenschliche‘ Jukebox, und das ist etwas ganz wunderbares, merci*
    🙂

    1. Vielen Dank zurück. Du warst ein fleißiger Gast und großartiger Unterstützer (und einige Deiner Singles liefen fast jeden Abend).

      Nächste Woche dann Statistik-Gelöte. 1865 Wünsche wurden in 31 Tagen erfüllt. Nicht schlecht, Herr Specht.

  2. Auch von mir einen tief empfundenen Dank, kann mich den Worten von Levido nur anschließen. Man hat neue Bekanntschaften schließen können, was mir eher selten widerfährt. Ich komm mit „Fremden“ nicht so schnell ins Gespräch. Außerdem habe ich meinen Horizont um 16 Orte und Abende erweitern können und kenne meine geliebte Stadt jetzt noch besser als ich dachte sie zu kennen. Juhu.

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