Am Mittwoch ging es mir gar nicht gut. Nach dem Salon des Amateurs wollte ich unbedingt Ausschlafen und stellte keinen Wecker. 10 Stunden traumloser Tiefschlaf, ich wachte schweissgebadet auf. Mein Kopf fühlte sich an, als ob ich im Astronautenschlaf 15.000 Lichtjahre zurück gelegt hätte und jedes Gelenk meines Körpers saß schief. Vielleicht einfach nur Erschöpfung, doch andererseits schmerzte meine Lunge und das Atmen fiel mir den ganzen Tag schwer. Die Erkältung scheint ein kleine Comeback feiern zu wollen. Tja, Zähne zusammenbeissen und durch.
Seit Tagen fand ich keine Muße zum Einkaufen, so dass ich mir wieder schwarzen Espresso mit Zucker angewöhnte. Im Kühlschrank fand sich immerhin noch ein Ei, welches ich mittels Pfanne zum Spiegelei verwandelte. Dazu das letzte Stück Brot, welches ich vor rund 10 Tagen kaufte. Man wird bescheiden.
Dann zwang ich mich etwas zum Blog, da die Sonne ihren Zenit schon erreichte. Bloggen macht mir ja auch Spaß, aber am Mittwoch war jede Bewegung ein Akt.
Nebenbei füllte ich die Waschmaschine und sortierte die mannigfaltig übrig gebliebenen Getränke von XXX. Ein voller und zwei leere Kästen Astra und 2 Zinkwannen wollte ich zumindest wieder dem Getränketempel zuführen. Etwas kunstvoll sicherte ich alles auf Mammut und radelte durch Bilk. Die Zinkwannen klapperten fröhlich vor sich her. Es ist mir längst egal, wie die Leute bei meinen Transportaufbauten sich verwundert am Kopf kratzen – jede Fahrt ohne Auto ist eine gute Fahrt. Ich bin ja selbst immer wieder verwundert, was man durch ein wenig Kreativität mit Mammut transportieren kann.
Ich liefere alles beim Getränke-Tempel ab und will gerade losfahren, da fährt ein Kombi auf den Parkplatz. Ein typischer Familienvater steigt aus und trägt einen halbleeren, kleinen Kasten Bier. Herrje, den hätte man auch auf einen Skateboard mitnehmen und dabei noch La Paloma pfeifen können. Die Autos sind von heute, das Denken sitzt immer noch tief in den 60ern. Als ob es nie eine Ölkrise gegeben hätte. Als ob wir keine Umweltverschmutzung hätten. Ich kriege meinen moralischen. Schnell weg.
Schwarzer Espresso ist ja nur eine Notlösung. Mich giert es nach einen Milchkaffee. Im Büdchen hole ich mir ein Croissant und setze mich vor die Süße Erinnerung, da kommt Kreidler-Thomas an (Bei so vielen Thomasen bitte ich diese Benennung zur Konretisierung zu verzeihen). Ich überrede ihn zu einen kleinen Halt und wir unterhalten uns in alter Bohemian-Manier. Alles ist ja irgendwie miteinander verknüpft. Über Thomas und seine Partnerin Petra fand ich meine jetzige Wohnung, meine Traumstätte, meine Altbau-Höhle. Ich berichte ihm vom Abend im Salon, er erzählt etwas von seinen Musikerplänen in der Zukunft. Das olle Croissant ist in Milchkaffee getunkt einigermaßen erträglich. Nach dem kurzen Austausch steigen wir auf die Räder. Er zum Getränkemarkt (auf seinen Rad 2 Kisten Wasser geschnallt. So ist gut!), ich nach Hause, um dann gleich weiter in den Salon zu fahren, um meine Schießbude abzuholen.
Glücklicherweise wird mir geholfen und Mammut ist ziemlich schnell gepackt. Auf den Stufen vor dem Salon sitzen einige Kids mit Bierflaschen und beobachten mich belustigt. Wie ich dann Mammut besteige und lostrete, rufe ich ihnen „Wünscht mir Glück!“ zu. „Viel Erfolg!“ ruft einer.
Der Salon und die KIT Bar sind nicht weit voneinander entfernt. Doof ist etwas der Burgplatz mit seinem derben Kopfsteinpflaster, welches eine Tortur für den vollgeladenen Mammut darstellt. Ich schiebe ihn vorsichtig, um dann auf der Rheinpromenade wieder aufzusitzen. Herrlich, wie hörresistent Menschen auf dem Radweg extra langsam den Weg frei machen. Im Ärger stelle ich mir vor, dass sind die BMW-Fahrer, die mich nachts anhupen, weil ich es wage, auf der Straße zu fahren.
Punkt halb acht komme ich an der Bar an. Endlich wieder mal richtig pünktlich. Achim ist da und wir besprechen den Aufbau. Die Terrasse des KITs ist viel, viel größer, als ich es in Erinnerung habe. Ich beschließe, nur das rechte Drittel der Terrasse zu beschallen. Die typische Laufkundschaft des KITs ist auch eher am Sonnenuntergang statt an Nummer 222 der Wunschliste interessiert. Ich reisse mich sehr zusammen, irgendwie ist heute so gar nicht mein Tag. Wie ich die Lautsprecherkabel verlege, werde ich von 2 Pärchen um die 70 gefragt, ob ich Musik auflegen werde. Ich bejahe. Eine Dame fragt, ob ich Rock n Roll dabei habe. Ich erwidere: eher weniger. Sie: Na dann haben Sie ja keine Ahnung. Mein geschwächter Zustand scheint keine Souveränität mehr aufzubringen und ich sage, dass R’n’R die letzten 30 Jahre an Relevanz etwas verloren habe. Sie: bei uns im Neandertal aber wird jedes Wochenende R’n’R getanzt. Ich schlage mir imaginär mit einen Hammer auf den Kopf, weil ich ahne, dass dieses Gespräch nur Ärger bringt. Ich sage ihr also, dass dies sicher der Fall ist. Wie es auch Swing- und Tangotänzer gibt, aber im gesamten doch eher Nischen darstellen. Da meint einer der Herren, dass ich halt zu jung sei und es in 30 Jahren sicher verstehen würde. Ich breche diesen Dialog verärgert ab und denke mir: „Jaja, mit 80 Jahren werde ich feststellen, dass ich auf dem falschen Weg war und Elvis doch der König ist“. Verärgert baue ich stumm weiter auf.
Achim fragt mich, warum ich so mürrisch dreinschauen würde. Ich erwidere, dass es mir nicht sonderlich gut ginge. Er fragt, ob ich etwas gegessen habe und bietet mir an, etwas auszusuchen. Ach, der Achim ist ein aufmerksamer und lieber Mensch und ich wähle die Ingwer-Karotten-Suppe mit extra viel Ingwer. Und schon erhalte ich eine Terrine, in der sich der frisch geraspelte Ingwer häuft. Da kommt schon der erste Gast und wir unterhalten uns, während ich heisshungrig die Suppe löffele. Sie kündigt die Ankunft ihrer kleinen Gang an, die schon einige Male bei der Jukebox dabei war. Ich freue mich, vor liebgewonnenen, neuen Bekannten auflegen zu können.
Der Aufbau ist fertig und ich sehe 3 Tische mit Menschen, die wissen, worum es geht. Ihnen lege ich die Wunschlisten und -zettel auf die Tische, den anderen erkläre ich das Spiel. Die meisten machen mit. Ich beschränke erst mal auf 3 Wünsche und lege mit dem Auflegen los. Die Anlage steht auf einen großen Hochtisch und zum ersten Male lege ich im Sitzen auf. An Tanzen oder nur etwas Rumhüpfen ist nicht mal zu denken. Das Drittel der Terrasse ist gut gewählt und alle, die hier sitzen, sind dem Ruf der Jukebox gefolgt. Hier geht die Sonne unter, da unterhalten sich Menschen angeregt. Die Musik liefert eher einen angenehmen Hintergrund. Ich kann damit gut leben und suche die Wünsche aus dem Koffer, um die Singles auf einen Stapel zu setzen und von oben nach unten aufzulegen. Foto-Thomas ist wieder da und hält im Hintergrund so einiges fest. Manfred zeigt sich kurz, um auch diesen Abend dabeigewesen zu sein. Mayo, Marina und Käthe bilden einen Tisch mit Susanne und Mann. Da kommt Christoph vom XXX-Abend, ich stelle ihm diesen Tisch einfach vor. Hier muss niemand alleine rumsitzen.
Ich trinke Leitungswasser literweise. Der Barkeeper macht schon Witze darüber. Da erwidere ich ein wenig beleidigt, dass ich halt kränkele. Er meint, er könne mir auch einen Tee machen. Gute Idee! Ingwertee, extra stark. Ich schütte 3 in Folge in mich rein und es geht mir tatsächlich besser. Die Husterei ist nicht mehr so trocken. Ingwer ist toll.
Thorsten, mein Freund, kommt vorbei. Wie jedes Mal freue ich mir ein Loch in den Bauch. Wir umarmen uns herzlichst und er setzt sich an Horsts Weihnachtsgästetisch. Zur Erläuterung: im Adria traf er diese Clique, die er nur auf den Weihnachtsfesten von Horst her kennt, wieder. Die Jukebox scheint einige Menschen neu zu verknüpfen. Foto-Thomas leistet mir etwas Gesellschaft und er erzählt vom Din-A-0 und anderen Orten des Düsseldorfer Untergroundlebens in der Vergangenheit. Ich lausche gerne solchen Geschichten und genieße es, nicht ganz alleine hinter dem großen Stehtisch zu sitzen.
Ab 23 Uhr leert sich die Terrasse langsam. Vor mir noch ein großer Stapel Platten, die sicherlich bis 0:30 reichen. Ich lege die Specials auf und springe zur Toilette, da der Ingwertee wieder raus will. Vor meiner Nase schließt sich die Aufzugstür zu den Hygieneräumen und verärgert drücke ich den Knopf. Der Aufzug kommt wieder und ich ahne, dass mir das gleiche auf dem Rückweg wieder passieren wird. Richtig gedacht. Als ich oben wieder ankomme, läuft die Nadel in der Auslaufrille. Kein wirkliches Unglück, doch ich bin halt etwas unsouverän und kniddelig heute und ärgere mich glatt ein wenig. Ich lege die Selecters auf und laufe schnell zum Spielplatz gegenüber, um mich an den Geräten etwas zu dehnen (ich machte schon im Aufzug einige Dehnübungen, da mir der Rücken und alles anhängende schmerzt). Der Horst-Weihnachtstisch ist amüsiert darüber. Wäre ich sicherlich auch an deren Stelle gewesen.
Nun sind nur noch 2 Tische besetzt und ich frage nach den verbliebenen Wünscher. So kann ich gut 10 Singles wieder einpacken und das Set verkürzen. Als letztes Stück wähle ich Kate Bushs „The man with the child in his eyes“, bis auf Thorsten sind alle gegangen. Er hilft mir dankenswerterweise beim Abbau, ich verabschiede mich beim Team. Der Barchef fragt, was ich bekommen würde. Ich sagte: nichts. Aber ich komme gerne mal zu einen Kuchen vorbei. Er sagt, er würde sich mein Gesicht merken. In diesen Zusammenhang mag ich den ansonsten unheilvollen Satz.
Es war ein ruhiger, schöner Abend. Ich fragte 2 x an, ob getanzt werden soll, doch alle wollten eher plaudern. Was mir streng genommen sehr entgegen kam. Schön, wie die Stimmung jeden Abend wechselt. Alles geht, nichts muss.
Thorsten und ich fahren langsam durch Bilk. Es ist 1 Uhr und am Bilker Bahnhof überholen wir einige Kids auf Fahrrädern. Einer von ihnen trägt einen rießigen Rucksack, aus dem überraschend laut Reggae ertönt. Wie Thorsten und ich vor meinen Haus absitzen, rufe ich den Jungen mit dem Rucksack, er möge doch kurz halten. Macht er auch und wie er vor mir hält, verstummt die Musik. Ich sage ihm, dass ich hier wohne und es manchmal nervt, mitten in der Nacht so laute Musik zu hören. In der Straße werden durch solche Aktionen dutzende kleiner Kinder aufgeweckt. Der Junge schaut mich an und ruft: „Du bist doch die Jukebox! Mann, die Musik ging ganz von alleine aus. Das ist gutes Karma!“ Ich unterlasse eine Diskussion über die Bedeutung des Wortes Karma und freue mich insgeheim, dass meine Popularität vielleicht einigen Leuten in der Straße die Nacht rettet. Ich grinse ihn an, schüttle seine Hand und bitte ihn, sein Soundsystem erst wieder im Park oder so zu starten. Er nickt begeistert und fährt ab.
Thorsten trägt mir die Singles hoch, wir plaudern noch ein wenig in der unaufgeräumten Küche, dann umarmen und verabschieden wir uns und er geht nach Hause. Ich plumpse ins Bett in einen traumlosen, tiefen Schlaf.
Heute scheint es mir etwas besser als gestern zu gehen. Was auch unbedingt nötig scheint. Heute ist die Pechmarie drann und ich ahne, dass es wild und spät wird. Ich brauche alle meine Kräfte und weder Ärger, noch Erschöpfung. Aber vielleicht sollte ich mir einfach mal Milch und Brot kaufen…
Guten Morgen (und ich hoffe für Sie, es ist ein guter!), Herr Haruspecks unbekannterweise.
Manchmal startet das Fansein, bevor man den betreffenden Menschen in Aktion erlebt habt – über Empfehlungen, Loblieder vom kompetenten Freunden oder über das berühmte Social Media Gedöns. Ich bin ein solcher bald bestimmt ein Fan und habe mir jetzt schonmal eine Liste mit Spielorten ausgedruckt.
Also freue ich mich auf die nächste Begegnung und verspreche schon jetzt viele Wünsche (Kein R&R!) und begleitende rhytmische Bewegungen.
Außerdem hat mich der radfahrende Teil Deines Blogs sehr angesprochen und uns zu Geschwistern im Geiste gemacht (wobei ich zwei Wasserkästen doch mit dem Auto transportiere, bin halt eine Bangebux). Falls Du magst, bist Du herzlich eingeladen, meinen radfahrenden, diesbzgl. Artikel zu lesen – ist völlig unkommerziell und wird in guten Zeiten von ca. 100 Leuten gelesen – monatlich:
http://www.denkwunsch.de/2012/05/28/die-magische-anziehungskraft-von-piktogrammen/
Viele Grüße
Karin
Vielen Dank für die Blumen, Karin. Deinen Blog schaue ich gleich mal an.
Danke Dir und bis bald,
Haru
… schön!
Aber ‚traumlos‘ schlafen wir nie, wir können uns nur meistens nicht dran erinnern! 😉
Richtig. Es ist für mich eine Metapher der totalen Erschöpfung.
Salbei-Kräuterbonbon helfen auch…. :o)
Okay, 5 Salbeibonbons pro Single!
ich versuche dann das vermutete „wild“ heute abend mit zu bringen…
Super! Ich freue mich auf Dich.