Die erste Nachricht, die ich nach dem Aufstehen lese, handelt davon, dass der geplante Austragungsort XXX in einen Naturschutzgebiet läge. Ufff, ich telefoniere und schreibe hin und her, um eine Alternative zu finden. Der Volksgarten scheint mir reizvoll und ich rufe bei Vier Linden an, die Montags Ruhetag haben. Ich erwische trotzdem Tom B. im Büro und ich erläutere mein Gesuch. Tom denkt darüber nach, ob es sich lohnen würde, das Vier Linden für die Aktion zu öffnen, doch als ich die Bierpreise erfahre, fällt mir wieder ein, dass XXX ja eigentlich im offenen Raum stattfinden soll. Also in einen Nichtlokal. Tom verweist auf den Apolloplatz, der Freifläche unter der Brücke. Warum nicht? Dann ist auch Regen gegebenenfalls kein Problem mehr.
Da es gegen 11 Uhr geht, schnappe ich mir als Argumentationshilfe ein Tourplakat und setze mich auf Mammut, um möglichst der erste Kunde bei Düsselrad zu sein. Der Fall „Gepäckträger“ muss gelöst werden. Norbert ist gut gelaunt, ich entrolle das Plakat und erläutere in knappen Sätzen das Problem. Norbert gefällt das Plakat, er hängt es sogleich an die Türe zum Fahrradlager.Dabei erläutert er beiläufig, dass er da eine schöne und einfache Lösung habe und ich Mammut in 2 bis 3 Stunden abholen könne. Ich glaube, nicht richtig zu hören, doch er bleibt dabei: er müsse nur ein Teil suchen und fertig ist der Lack. Ich freue mich sehr, frage nach einem Ersatzrad. Da zeigt er auf eine orangenfarbene Schönheit, die in der Sonne glitzert. Der Tag fängt gut an.
Petra wohnt einen Steinwurf am Rhein und kennt die Partylage ganz gut. Ich fahre bei ihr zu einen Kaffee vorbei. Sie hat schon eigenmächtig das Ordnungsamt angerufen, um Alternativen zu erörtern, da würde aber niemand abnehmen. Ich fahre also weiter zum Apollo-Platz. Ein Laster steht da und einige Männer hantieren mit Werkzeug und Material. Ich frage, ob sie ab- oder aufbauen. Es handelt sich um den Abbau einer genehmigten, städtischen Jugendveranstaltung, die am Sonntag statt fand. Ich frage nach den Rahmenbedingungen, der junge Mann holt einen fetten Ordner aus dem Auto und zeigt mir die schriftliche Genehmigung und gibt mir die Durchwahl zu Herrn W., der dafür zuständig sei.
In der KIT-Bar herrscht Reinigungshektik. Achim hat trotzdem ein offenes Wort. Er erzählt, dass unter der Brücke öfters Tangotreffen mit Musik wäre, die nicht sonderlich genehmigt scheinen und kein Problem wären. Am besten, ich rufe Herrn W. vom Amt an, er habe die Nummer, ich solle gerne von ihm grüßen.
Herr W. nimmt aber nicht ab und ich rufe in 10 Minuten-Abständen an. Fahrt zu Süße Erinnerung, wo Raphael arbeitet. Er kündigte an, eine Freundin wolle sich zu ihren Geburtstag an XXX hängen, was ich eine schöne Idee finde. Mas hat auch Geburtstag und bringt einige Freunde mit. Er habe auch Zeit und ein Auto, um die Vorbereitungen mit zu unterstützen. Genau wie Christian und mein Sohn. Eigentlich sollte nichts schiefgehen können. Wir brauchen nur noch einen Ort.
Das muss irgendwie weiter gehen, ich setze mich auf den orangenen Hopper und schieße durch Düsseldorf. Im Gegensatz zu Mammut ist das Teil leicht und hat eine Gangschaltung. Ich fühle mich, als hätte ich von Dampflokomotive zu einem Jetboat gewechselt. Unterwegs fragt man mir rufend zu, ob ich ein neues Auto habe. Ein schöner Tag, wirklich.
Ziel ist das Ordnungsamt am Bahnhof. Es musss weiter gehen, ich will Klarheit. Auf dem Weg stoppe ich bei Mario am Enuma. Er sitzt mit einigen Jungs vor dem Laden auf seinen Brett und erfreut sich an meinem Ersatzrad. Ich bitte um ein Glas Wasser, wir wechseln ein paar Worte wegen XXX, er wolle beim Apollo nach der Arbeit vorbei schauen. Dann weiter Richtung Amt. Vor der Türe rauchende Kollegen, ich schlüpfe in das Gebäude und lese am Eingang, dass die Sprechstunden längst vorbei seien. Na prächtige Voraussetzungen…
Ich frage nach Herrn W., doch der habe frei. Ich solle im Zimmer 106 mal schauen, da seien Kollen von Herrn W. Doch der Raum ist verwaist und ich nehme eine zweite Nummer mit, die von Herrn B. Ich verabschiede mich und rufe auf Herrn B.s Nummer nun alle 10 Minuten an.
Ich fahre zu Düsselrad. Im Hof steht Mammut mit einen neuen Gepäckträger. Der sieht stabil aus und ist breit, aber nicht sonderlich lange. Doch dafür ein altes Originalteil. Wir sprechen darüber, dass man mittels Brett das Teil für die Boxenfahrten verlängern könne. Ich frage vorsichtig nach den Preis und ich fasse nicht, wie niedrig dieser ist. Das ganze hätte ja nur eine Viertelstunde gedauert und das Teil sei doch nicht neu. Selbstverständlich hat er nebenbei alles an Mammut gerichtet, was vorher wackelte. Hocherfreut packe ich den Ersatzgepäckträger, bedanke mich sehr und fahre zu Rad ab, wo ich mich auch nochmals für die Unterstützung danke und das Interim auf die Theke lege.
Mein Ziel, bis 14 Uhr XXX zu lösen, flieht ein wenig vor mir. In der Süßen Erinnerung trinke ich ein Glas Wasser, unterhalte mich mit Olli, den alten Szenenkenner und erörtere die gute Entscheidung, XXX nicht am Rhein stattfinden zu lassen. Ich schreibe nun einfach bei Facebook, XXX wäre am Apollo-Platz. Bei Herrn B. nimmt niemand ab, ich fahre nochmals zum Amt. Auf der Fahrt geschieht dann der Renault-Alpine Zwischenfall.
Die Türe zum Amt ist geschlossen, auf Klingeln macht niemand auf. Eine Frau verlässt das Gebäude und ich nutze die offene Türe. Die Büros sind bis auf eines völlig leer. Ich spreche den Herrn an, erläutere mein Problem, doch der verweist klassisch auf die Bürozeiten. Mein Hinweis, dass ich ja auch während der Bürozeiten niemanden erreichte, lässt er nicht gelten und überhaupt sei das nicht sein Gebiet. Ich merke, da geht nichts mehr und ich verabschiede mich. Na dann halt ohne Genehmigung. Sollte XXX auffliegen, werde ich mir das Hemd zerreissen und auf Handschellen bestehen, um ein schönes Foto für den Blog zu erhalten.
Aaron ist auf dem Weg nach Bilk und wir verabreden uns in der Süßen Erinnerung. Dort erläutern wir das folgende Vorgehen. Ich muss gleich los und einen Generator plus einen Scheinwerfer bei Tontaxi abzuholen. Ich wandte mich vor Tagen schon an Kimos, der auch gleich zusagte. Dufter Typ. Zum Scheinwerfer gesellt sich noch ein Stativ und ich schnalle alles auf Mammut, um das Zeugs bei Petra zwischenzulagern, deren Laden IOUNA nur ein paar hundert Meter von XXX liegt. Zudem bietet sie den Laden als Übernachtungslager für alles mögliche an, damit ich das Zeugs nicht in der Nacht in die zweite Etage schleppen muss. Ich bin begeistert, wie sie an Sachen denkt, die mir gerade noch in weitester Zukunft liegen.
Ich habe noch einen Hoffnungsschimmer von wegen Legalisierung von XXX. Ich fahre zum Apollo und frage nach dem Theaterleiter. Der sei nicht da, man ruft einen anderen Verantwortlichen. Ich frage einfach, ob XXX auf ihren Grundstück gedultet sei, da Montags das Apollo ja geschlossen ist. Doch Pustekuchen, die Grundstücksgrenze endet am Gebäude. All die Apollo-Wiese und -Platz haben nur den Namen nach mit dem Gebäude zu tun. Er denke aber, XXX solle kein Problem darstellen. Das Ordnungsamt käme selten und selbst die wenigen Wohnhäuser in Sichtweise hätten sich nie beschwert. Nun gut, es soll so sein: ich handele ohne Genehmigung. Der süße Duft von Anarchie liegt in der Luft.
Um 18 Uhr treffen sich Aaron, Mas, Christian und ich in meiner zwischenzeitlich leicht verwahrlosten Wohnung. Wir bilden zwei Action-Teams: Aaron und Christian drücke ich alles Geld, was ich besitze, in die Hand. Sie kümmern sich um Ersatzbenzin für den Generator und die Getränke plus Zinkwannen und Eis. Ich setze mich an den Rechner, um schnell ein Plakat zu basteln, aus dem hervor geht, dass der Abend kein gewöhnlicher Abend sei und jeder sich nimmt, was er braucht und gibt, was er will. Ich will keine Anzeige wegen nichterlaubtem Gewerbebetrieb im öffentlichen Raum (oder so) riskieren. Zudem ist es auch eine schöne Vertrauensübung: kein Kalkül, ob die Leute die erhoffte Aufrichtigkeit an den Tag legen und ich zumindest bei Null mit den Kosten rauskomme.
Mas isst zu Abend, ich fahre zum Kopiercenter. Wenn man es eilig hat, passiert ja gerne etwas. Ich will nur das Plakat kurz plottern lassen, doch vor mir ist eine junge Mutter samt Kind, die gefühlte 200 Architektenpläne ausdrucken lässt. Natürlich habe ich es brandeilig, aber sie ist ja auch noch mit einem nörgelnden Kind unterwegs. So versuche ich, mich in der Situation einzufinden und telefoniere etwas umher.
Während mein Druck läuft, erläutere ich der Besitzerin die Philosophie der menschlichen Jukebox. Wie so oft die letzten Tage sagt sie, die Zeiten hätten sich geändert und nicht unbedingt zum guten, aber das man nichts machen könne. Und wieder einmal versuche ich zu unterstreichen, dass die Zeiten von Menschen gemacht werden und wir uns halt reinhängen müssen, um sie zu ändern. Oliver erzählt mir beim Einpacken des Plakates, dass Gramophone doch viel kühler als Plattenspieler seien. Wieder einmal bin ich verwundert, für was sich die Menschen interessieren.
Schnell nach Hause und unter die Dusche und mit Aaron die Abendgebete gemacht. Mas und Christian warten freundlicherweise. Aaron und Christian fahren direkt zum Apollo-Platz, ich fahre mit Mammut zu IOUNA, um dort Mas zu treffen und die Sachen abzuholen. Petra ist da und bietet mir an, ich könne mitnehmen, was ich benötige. Also eine Bierbank und einen großen Klapptisch sowie eine Leiter. Ich kaufe ihr eine Packung Honigwaffeln ab, da ich nicht zum Essen kam.
XXX – vor Ort. Ich wähle eine Brückensäule als Ausgangsort aus, da kommt schon Susanne mit den Grablichtern, sowie die Geburtstagsgäste von Mas. Jeder, der bei 3 nicht auf einen Baum sitzt, wird beim Aufbau mit eingebunden und kurz vor 21 Uhr sind wir fertig. Selbst der Generator funktioniert. Achim vom KIT schaut vorbei und meint, die Lautstärke wäre ja gar kein Problem. Ich finde den Ort magisch. Auf der einen Seite der frühere Sitz des Ministerpräsidenten, auf der anderen der Landtag. Hier das KIT, dort das Apollo, da das Vodafone-Gebäude, Rheinpromenade, der Rhein selbst, Oberkassel, Bilk… Wir befinden uns an einen Platz der mannigfaltigen Kreuzungen. Und über uns bildet die Brücke ein riesiges Dach.
Mario lässt sich blicken und ich mache ihn mit Andreas bekannt, was ein Fehler war. Die beiden quatschen fast den ganzen Abend angeregt und ich verliere einen meiner heissesten Tänzer. Getanzt wird trotzdem. Rund 20 Leute sind versammelt und wir wandeln die Wünscherei ab: einer sucht sich einen Tanztitel aus, der nächste dockt sich dramaturgisch daran. Eine Art stille Post, die dann kurze Sets entstehen lassen. Soziale und geschmackssichere Sache. Sich fremde Menschen kommunizieren spielerisch und lernen sich dabei kennen.
Irgendwie schläft der Generator immer wieder ein, was der Stimmung nicht förderlich ist. Dann ziehe ich immer an der Schnur, bis das Ding wieder losknattert. Doch beim dritten Mal frage ich nach, wer früher mal ein Mofa gehabt habe. Andreas und Armin checken das Teil ausgiebig und nach 15 Minuten sprottet der Generator wieder. Es war der Luftfilter. Ach, ist das toll, wenn Fachleute um einen sind.
Spaziergänger kommen vorbei und mancher bleibt hängen. Die Sammelbüchse wird gefüllt und jemand verlemmt den Münzschlitz mit einen Geldschein, was ja eigentlich toll ist, aber auch doof. Marina kümmert sich darum, doch es braucht eine Pinzette. Ich befrage das Publikum und tatsächlich hat ein Mädchen eine in der Tasche. Nach viel Gefummele ist das Problem gelöst. Mensch, freie, offene Gruppen sind doch was herrliches.
Raphael brachte seine Schwester und eine große Kamera mit. Er spielt den Partyfotografen und hat Spaß dabei. Ich freue mich auf die Bilder. Die Menschen verlieren sich etwas auf dieser rießigen Fläche. Hier wird geplaudert, da getanzt. Die Stimmung ist schön. Ein Polizeiwagen kommt langsam daher, macht eine Schleife und kommt nochmals vorbei. Ich gehe zum Fahrer, der lächelnd sagt, sie seien nur neugierig und wollten wissen, was hier geschehe. Ich erzähle freimütig alles, einschließlich fehlende Genehmigung und der Abend im aufklärerischen Sinne. Die Herren grinsen alle und der Fahrer meint grinsend, sie würden nicht petzen und fänden das eine schöne Sache. Aber ihr Altstadtrevier endet genau an der Brückenkante und auf die Kollegen vom Präsidium hätten sie keinen Einfluss. Dann fahren sie weiter.
Wir freuen uns alle über diesen freundlichen Kontakt und feiern und tanzen und schauen der Sonne beim Untergehen zu. Leute kommen, Leute gehen die Musik wird älter, je jünger das Publikum ist. Tatsächlich, da wünscht man sich LedZep, Bob Dylan und die Plastic Ono Band.
Es geht auf Mitternacht zu und ich kündige das Ende an. Dann packen alle mit an und helfen beim Abbau. Für die Rückfahrt fehlt nun Mas‘ Auto, so dass ich auf Mammut alle langen Teile wie Leiter & Co draufpacke. Dann kommt ein Schwarm befreundeter Kids meines Sohnes auf Fahrrädern daher und wir quatschen und reden und ich fühle mich einfach pudelwohl. Keine Ahnung, so gegen 2 Uhr bringen wir – Christian, Aaron und ich – dann das meiste zu IOUNA, fahren weiter zu mir nach Hause und schleppen schnell alles hoch. Wir haben nun richtig Hunger und ich mache eine kräftige, scharfe Tomatensauce. Aaron meint, er werde alt und müsse vor seinen Vater ins Bett. Christian und ich quatschen bis in die Puppen. Dann musste ich die Sache mit dem Renault Alpine loswerden und fiel um 4:30 Uhr ins Bett. Viel. Zu. Spät.
… klingt doch alles in allem nach einem tollen Abend! Cheers*