Ladies and Gentlemen: Miss Jones…

Ein interessantes Gespräch über Diven vor einigen Tagen ließ mich ausführlich über Grace Jones nachdenken. Nun könnte ich einen ausführlichen und gut recherchierten Blogbeitrag schreiben, aber mir fehlt die Zeit. Insofern streue ich hier mal einige Gedanken aus.

Androgyne It-Girls
Das erste androgyne It-Girl war zwar Twiggy, doch die ignoriere ich einfach mal. Auch wenn sie ein Gegenentwurf zu den „Vollblut-Weibern“ der 50er und 60er war, zweifelte keiner daran, dass sie ein Mädchen ist. Schließlich trug sie einen Rock. Mini-Rock, um ganz genau zu sein.

Roxy Music - For your pleasure
Roxy Music – For your pleasure

In meiner Erinnerung war die erste der 70er, die mich heranwachsenden erreichte, Amanda Lear. Interessanterweise ist ihr Geburtsort laut Wiki nicht geklärt. Hanoi? Hongkong? Saigon? Auf jeden Fall extrem exotisch. Hier beginnt eigentlich schon die Inszenierung.

Kurz mal das Halbwissen abgespult: sie war Muse von Salvadore Dali, aber auch Freundin von Bryan Ferrry. Nebenbei modelte sie kräftig herum, fällt aber niemanden groß auf. Bis auf ihr bezauberndes Cameo auf einer Roxy Music-Platte.

Wie gesagt, ich habe das nicht abgeklopft und recherchiert, aber dann erscheint ihre erste Single „La Bagarre“ und auf der Rückseite steht ein Pressetext, der Amanda als die Ex-Freundin vorstellt. Die Ex vom Bowie, von Lennon, von Eno, von Harrisson. Die hübsche Muse halt, die nun zu singen beginnt.

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Okay, schon bei dieser Nummer sind die schwachen Gesangskünste von Amanda Lear unüberhörbar. Man produzierte eine Serge-Gainsbourg-artige Nummer, die im Original „Trouble“ hieß, steckte sie in schwarzes Leder und ließ sie groß ihren Mund aufreissen. Zack, gab es einen Plattenvertrag über 6 Alben. Glory days!

Der Rest ist Geschichte und nicht unbedingt wert, weiter ausgeführt zu werden. Worauf ich jedoch hinaus wollte: irgendwann gab es das Gerücht, sie sei eigentlich gar keine Frau und habe keine „Mumu“, sondern ein halb umgewandelter Mann. Ich denke, dies war eine Reaktion der sehr verunsicherten Männer der 70er, die mit ihrer (eigentlich nicht sonderlich überzeugend dargestellten) Dominanz einfach nicht dem Frauenbild entsprechen wollte.

Überzeugender: Grace Jones

Grace Jones ist in Jamaica geboren, was man nicht nur auf Wiki lesen, sondern auf „Slave to the Rhythm“ im Intro hören kann. Eine gute Bekannte aus New York behauptet jedoch Stock und Steif, sie seit ihrer Kindheit zu kennen. Ja, sie sei New Yorkerin. Ich lege dies im Fach „gesteuerte Legendenbildung“ ab, was ja zu jeder Diva gehört.

Grace Jones und Jerry Hall 1970 in Paris
Grace Jones und Jerry Hall 1970 in Paris

Und so modelte sich Grace Jones auch durch die Szene. Ihr Liebhaber Jean-Paul Goude soll schon während der früheren 70er beratend bzw gestaltend an ihr gewirkt haben.

Kurz die Parallelen zu Amanda Lear: großgewachsene, hochwangige Models mit dominantem Image. Beide fangen das erfolgreich Singen an. Beiden haftete den Geschmack des Geschöpfes an.

Doch während Amanda Lear als halber Mann angesehen wurde, war das Image von Grace Jones schon damals erschütternder. Ja, sie sei eine Frau. Aber sie habe eine Vagina Dentata. Nuff said, diese Frau macht Männern Angst.

Schwarz, nackt, ungezämt, eingesperrt, rohes Fleisch essend.
Schwarz, nackt, ungezämt, eingesperrt, rohes Fleisch essend.

Und tatsächlich schürte sie durch ihr Auftreten das Feuer der Gerüchte eher Angst. Schon in „I need a man“ macht sie klar, dass sie nicht lange rumfackeln will, sondern schnell mal einen Kerl braucht. Aber auch in ihren inszenierten Shootings unterstreicht sie das animalische. Nackig in einen Käfig mit rohem Fleisch als Nahrung? Mehr Klischees von wegen der schwarzen, wilden Frau passen kaum auf ein Foto.

Klar, das wurde auch damals schon diskutiert. Und hätte sie langweilige Musik gemacht, wäre das auch kein Fall für diesen Blog. Aber: sie machte geradezu hervorragende Musik. Und das von ihrem ersten Album Portfolio ab.

Die Zaubernummer nannte sich „La vie en Rose“ und war eine hübsche, langsame Discoversion des Edith Piaf-Stückes. Okay, ich war erst 15 Jahre alt, aber schon damals fasziniert, wie Frauen im Club auf diese Nummer abgingen. Und es war auch gleich klar: Grace Jones kann singen. Im Gegensatz zu Amanda Lear.

Link zum Video „La vie en rose

Wtf is  Amanda Lear?

Die nächsten beiden Alben „Fame“ und „Muse“ verfolgt sie diese Linie weiter, wobei man trotzdem auf die gekonnten Artworks der Alben verweisen muss. Bis hierhin könnte man auch behaupten, dass die Karrieren von Grace Jones und Amanda Lear im Ungefähren parallel verliefen. Doch so richtig gefährlich wurde es mit Grace Jones‘ 4. Album „Warm Leatherette“.

Kennste nicht? Klar kennste das. Im Original einer der Elektroklassiker aus dem Hause Mute. Hier einfach mal die Version Von „The Normal“:

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Ach, dieser Track alleine ist ein Blog wert. Aber wahrscheinlich kennst Du die Hintergründe schon. Wenn nicht, kannst Du hier schnell nachlesen. Aber zurück zu Grace Jones. Blackwell, Sly & Robbie, herrje. Auch hier die Details zum nachlesen. Auf dieser Platte fand sie zu ihren Stil, den sie immer weiter ausbaute: Coolness und großartige Beats und nahezu perfekte Produktionen. Her mit der Peitsche!

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grace31Und zwischenzeitlich schnitzt Goude immer weiter am visuellen Erscheinungsbild von ihr. Eigentlich ein absolutes Traumpaar. Wie zukunftsweisend und gekonnt er den doch schon ganz passablen Körper Jones‘ dekonstruiert, ohne künstlich wirken zu lassen, zeigt das linke Bild. Vielleicht bist Du cleverer gewesen, doch ich ging damals einfach davon aus, dass Grace Jones sich so bewegen könne (was ja viel auch über meine damalige Naivität aussagt).

Ich gebe mal Gas. Nightclubbing explodierte dann wie eine Bombe. Wir hörten diese Platte nicht, wir frassen sie, wir badeten darin, wir träumten in ihr regelrecht. Iggy Pop covern? Welch ein Geniestreich! Die Schlagkraft von „‚Pull Up To The Bumper“? Noch immer habe ich die Single dabei, um, wenn überhaupt nichts mehr geht, zumindest ein Strohfeuer zu entfachen. Es schien die perfekte Win-Win-Situation zu sein und alle wurden erfolgreich. Grace Jones, Jean-Paul Goude und Sly & Robbie sowieso.

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Mit „Living My Life“ trat eine Stagnation auf höchsten Niveau auf. Eine bestimmt gute Platte, doch der Überraschungsmoment von „Nightclubbing“ war passé. Quo Vadis, Grace Jones? Wieder wie zu Anfang der Karriere einfach so weiter machen?

Shut up, Slaves!

Schmeisst einfach Profis zusammen und schaut, was passiert. ZTT, das Label der Stunde und Inszenierungsweltmeister mit ihren Prachtproduzenten Trevor Horn trifft also auf Grace Jones. Und heraus kommt ein kalkuliertes Inszenierungsphänomen namens „Slave to the Rhythm“. Begleitet wurde dieser Glücksfall dann auch noch von einen geradezu visionären Video von Jean-Paul Goude.

Link zum Video Slave to the Rhythm

Per-fekt! Und wer kleine Details braucht: das berühmte Intro wurde von einen Schauspieler gesprochen. Und was für einer:

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Die Nummer zündet immer noch wie eine 1. Ich durfte mal zu einer Geburtstagsfete modeaffiner Menschen im Showroom von Hugo Boss auflegen und das Geburtstagskind sprang auf einen Tisch und posierte dazu wie ein Tier, um sich schlussendlich das teure Maßhemd vom Leib zu reissen, während seine Crowd dies ganze mit Beifall und spitzen Schreien untermalte.

Wer so hoch stieg, kennt eigentlich nur noch einen Weg. Doch das machte sie auch mit Stil und Würde. Es wurde still in den 90ern um sie und sie alterte gut, aber unbemerkt etwas vor sich hin. Eigentlich kein Problem, wenn sie ein Händchen für Geldanlage hat. Doch dann geschah etwas unerwartetes und ungeheuerliches.

Man eating machine

Mit 60 Jahren schickte sich la Jones zu einen Comeback an. Nein, sie machte keine Farewell-Tour mit all ihren Hits im Gepäck, sondern ging ins Studio und spielte ein Album namens „Hurricane“ ein. Singleauskoppelung: „Corporated Animal“.

http://vimeo.com/1306326

Hier haben wir wieder die Bestandteile ihrer Formel: großartige Produktion und ein dekonstruierendes Video. Dass sie dabei an „Alien“ erinnert, ist kein Zufall. Sie stellt das menschenfressende, digitale, kapitalistische Tier dar, den Moloch.

Welch ein einfaches und wirkungsvolles Video, was für eine Botschaft für eine Frau im Rentenalter. Statt sich weichzeichnerisch nochmals in zweifelhafter Schönheit ablichten zu lassen gibt sie wieder mal das Abbild ihres Körper frei, um es von einen Bildgestalter zu verfremden, wie es ihm passt.

Dass es um den Text Diskussionen gibt, habe ich erst jetzt beim Schreiben entdeckt. Grace Jones und antisemitisch? Ich weiss es nicht. Und zugegeben fällt es mir jetzt schwer, alles wegen dieses Verdachtes zu löschen.

Das als kleine Gedankensammlung zu Grace Jones. Sicherlich hätte man hier und da mehr in die Details gehen können. Und tatsächlich ist das Internet voll davon. Google hilft.

Vicky Leandros – Oups?

Mitunter entgeht der Gema glücklicherweise das eine oder andere bei Youtube und man darf sich mit den eigenen kümmerlichen Vorurteilen konfrontieren. Vicky Leandros? Schlagergedöhnse. Fernsehproduktionen der 70er? Nicht diskutabel.

Folgende Videos jedoch werfen diese Gedanken wild über den Haufen. Großartige Texte (zumindest zum Teil von Michael Holm, der dafür auch kräftig Preise einfuhr), eine Frauenstimme auf ihren Höhepunkt und eine Bildsprache, die zumindest beeindruckt. Großartig.

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